Wahl in Grönland: Grönlands Trump-Dilemma
Grönland ist die größte Insel der Welt – doch noch vor wenigen Jahren sorgten die politischen Entwicklungen dort international kaum für Interesse. Das hat sich mit den anhaltenden Drohungen von US-Präsident Donald Trump gegenüber der Insel verändert. An diesem Dienstag wird in Grönland gewählt. Welche Rolle spielen die Spannungen mit den USA? Und wie groß ist der Einfluss Dänemarks in dem autonomen Gebiet? Antworten auf die wichtigsten Fragen
Wer kandidiert bei der Wahl in Grönland?
Gewählt wird das aus 31 Abgeordneten bestehende Parlament, in der Landessprache Inatsisartut genannt. Den Regierungschef stellt die stärkste Fraktion im Parlament. Derzeit ist dies die linksgerichtete Inuit Ataqatigiit. Ministerpräsident Múte B. Egede bewirbt sich um eine zweite Amtszeit.
Die rund 40.000 Wahlberechtigten haben die Wahl zwischen 213 Kandidierenden aus sechs Parteien. Umfragen zur Wahl gibt es kaum, ihre Aussagekraft ist beschränkt. Eine Befragung des Meinungsforschungsinstituts Verian von Mitte Februar sah die regierende Partei von Egede mit rund 31 Prozent auf Platz eins, ihren sozialdemokratischen Koalitionspartner Simiut mit rund 29 Prozent auf Platz zwei. Wichtigste Oppositionspartei ist die nationalistische Naleraq. Sie tritt mit der erfolgreichsten Influencerin Grönlands, Qupanuk Olsen, als Spitzenkandidatin an und könnte der Umfrage zufolge deutlich an Stimmen gewinnen.
Welche Themen bestimmten den Wahlkampf in Grönland?
Bestimmendes Thema im Wahlkampf ist die Unabhängigkeit von Dänemark: Vier der sechs zur Wahl stehenden Parteien sprechen sich explizit dafür aus. Unterschiede gibt es allerdings bei der Frage, bis wann die Unabhängigkeit erreicht sein sollte.
Die Regierungspartei Inuit Ataqatigiit gibt die Unabhängigkeit als langfristiges Ziel aus. Im vergangenen Jahr hatte Ministerpräsident Egede ein mögliches Unabhängigkeitsreferendum parallel zur Parlamentswahl in Aussicht gestellt. Nach den wiederholten Drohungen von US-Präsident Trump, die Insel übernehmen zu wollen, schwächte Egede seine Rhetorik jedoch ab. Bei einer Pressekonferenz in Kopenhagen im Januar an der Seite der dänischen Regierungschefin Mette Frederiksen bekräftigte Egede, dass die Grönländer keine Dänen sein wollten – und ebenso wenig US-Amerikaner. Statt aber auf konkrete Maßnahmen zur Unabhängigkeit einzugehen, forderte Egede Reformen im Verhältnis zur dänischen Zentralregierung. Die Simiut-Partei bleibt dagegen bei ihrer Forderung nach einem Unabhängigkeitsreferendum nach der Wahl und könnte damit bisherige Wähler Egedes auf ihre Seite ziehen.
Auch die wachsende Oppositionspartei Naleraq wirbt mit einem konkreten Zeitplan für die Unabhängigkeit für sich. Spitzenkandidatin Qupanuk Olsen will diese bis 2035 erreichen – und setzt dafür auch auf mehr Kooperation mit den USA. In einem Interview mit Euractiv im Januar bezeichnete sie es als „fantastisch“, dass US-Präsident Donald Trump „Interesse an Grönland“ zeige. „Es beschleunigt die Unabhängigkeit unseres Landes um das Hundertfache.“ Wie manche andere Unabhängigkeitsbefürworter sieht Olsen eine Chance in der Erschließung der riesigen Rohstoffvorkommen in Grönland.
Welche seiner Ressourcen Grönland zugänglich machen sollte – und für wen –, ist auf der Insel indes umstritten. Ein Teil der Unabhängigkeitsbefürworter argumentiert, dass mehr ausländische Beteiligung an der Förderung von Bodenschätzen die Abhängigkeit Grönlands von Dänemark reduzieren würde. Auch Olsen sieht das so. Potenzieller Partner sind dabei allerdings nicht allein die USA. Auch Länder wie China und Australien interessieren sich für Rohstoffe wie Seltene Erden, Eisen, Gold, Kupfer, Nickel und Uran.
Neben der Unabhängigkeit beschäftigen die Grönländer vor allem soziale Fragen. Denn trotz des Ressourcenreichtums der Insel sind viele ihrer Bewohner arm. Die Infrastruktur ist schlecht. Wer schwer erkrankt, muss sich oft in Dänemark behandeln lassen. Verbesserungen im Gesundheitssystem verspricht die unabhängigkeitsskeptische Mitte-Rechts-Partei Demokraatit.
Wie weit reicht Grönlands Autonomie von Dänemark?
Grönland ist heute ein selbstverwaltetes Territorium innerhalb des Königreichs Dänemark. Bis 1953 war die größtenteils von indigenen Inuit bewohnte Insel dänische Kolonie, anschließend wurde sie zur dänischen Provinz. Seit 1979 verfügt Grönland über ein eigenes Parlament und eine eigene Regierung. 2009 wurde das Selbstverwaltungsrecht ausgeweitet. Die Kompetenzen der Regierung in Nuuk sind aber weiterhin eingeschränkt: So verbleibt die Verantwortung für die Verteidigungs- und Außenpolitik in Kopenhagen.
Aus Sicht der Unabhängigkeitsskeptiker bringt die Zugehörigkeit zu Dänemark aber auch Vorteile. So sind die Grönländer Bürger Dänemarks – und somit auch der EU, obwohl Grönland selbst kein EU-Mitglied ist. Als Territorium Dänemarks ist Grönland aber Teil der Nato.
Hinzu kommt die finanzielle Unterstützung durch die frühere Kolonialmacht. Im Rahmen des sogenannten Blockzuschusses zahlt Dänemark jährlich rund eine halbe Milliarde Euro an Grönland – das entspricht etwa einem Fünftel des Bruttoinlandsprodukts der Insel. Krankenversicherung und Bildung sind in Grönland kostenlos.
Warum will Donald Trump die Kontrolle über Grönland?
Der US-Präsident begründet seine Anspruchshaltung gegenüber Grönland mit Sicherheitsinteressen – und mit Grönlands geografischer Zugehörigkeit zum nordamerikanischen Kontinent. Dass die Erderhitzung die geostrategische Bedeutung der Arktis erhöht, ist unbestritten. Seit Jahren konkurrieren die USA, Russland und China um Einfluss in der Region. Eine Rolle spielt dabei unter anderem die Erwartung, dass die Gletscherschmelze die bisherigen Seehandelsrouten verkürzen wird.
Präsent sind die USA in Grönland schon jetzt: Seit Beginn des Kalten Krieges verfügen sie dort über einen Militärflughafen. Er wird unter anderem zur Überwachung von Weltraumaktivitäten und als Frühwarnsystem zur Identifikation ballistischer Raketen genutzt – denn der kürzeste Weg von Europa nach Nordamerika führt über Grönland. Die dänische Ministerpräsidentin Frederiksen hat Trump zugesichert, Rücksicht auf die Sicherheitsinteressen der USA nehmen zu wollen. Im Gespräch ist in diesem Zusammenhang offenbar sogar ein „arktisches Nato-Kommando“.
Allerdings dürfte es Trump nicht allein um Sicherheitsinteressen gehen. Dass ihn auch der grönländische Ressourcenreichtum reizt, hat der US-Präsident wiederholt signalisiert. An die Adresse der Grönländer gerichtet sagte Trump Anfang März in seiner Rede vor dem US-Kongress: „Wir werden für eure Sicherheit sorgen. Wir werden euch reich machen. Und gemeinsam werden wir Grönland zu Höhen führen, die Ihr nie für möglich gehalten hättet.“
Wie stehen die Grönländer zu Donald Trumps Übernahmeplänen?
Die grönländische Regierung hat Trumps Anspruchshaltung gegenüber der Insel ebenso zurückgewiesen wie die dänische. Grönlands Regierungschef Egede schrieb nach Trumps jüngsten Drohungen auf Facebook: „Wir möchten nicht Amerikaner sein und auch nicht Dänen, wir sind Grönländer. Das müssen die Amerikaner und ihr Oberhaupt verstehen.“
Diese Haltung vertritt laut einer Verian-Umfrage auch die überwältigende Mehrheit der 57.000 Einwohner Grönlands. Mehr als die Hälfte der Befragten gab dabei an, für die Unabhängigkeit der Insel von Dänemark zu sein. Nur sechs Prozent beantworteten die Frage, ob sie nach einer solchen Unabhängigkeit Teil der USA werden wollten, mit Ja.
Trotzdem bewerten viele Grönländerinnen und Grönländer die neue Aufmerksamkeit für ihre Insel positiv. „Donald Trump hat die Frage der Unabhängigkeit gewissermaßen wieder aufgeworfen“, sagte die Politikwissenschaftlerin Maria Ackrén von der Universität Grönland der Nachrichtenagentur AFP. Die Frage sei zwar für die Grönländer nichts Neues. Aber Trump gebe „den Entscheidungsträgern und Politikern in Grönland nun den Elan, vielleicht Ziele zu erreichen, die bisher nicht möglich waren“. Für die Influencerin Olsen war Trump sogar der Auslöser, sich politisch zu engagieren. Hätte der US-Präsident kein Interesse an Grönland bekundet, „wäre ich nicht in die Politik gegangen“, sagte sie Euractiv.