VW will mit elektrischem Kleinwagen die Masse erreichen

Volkswagen ist ein Unternehmen, das selten zu den großen Trendsettern zählte. In ihrer Geschichte ließen die Wolfsburger oft Rivalen ein Fahrzeugsegment ausprobieren, bevor sie selbst einstiegen, dann aber mit Macht. In der E-Mobiltät will die Automarke VW, die für die Hälfte aller verkauften Autos im Wolfsburger Mehrmarken-Reich steht, jetzt Vollgas geben. Der Kompaktwagen ID.3 wird wenige Jahre nach Marktstart runderneuert, die Limousine ID.7 in China vorgestellt. In Chattanooga soll die Produktion des SUV ID.4 für den US-Markt Fahrt aufnehmen. Außerdem konkretisieren sich Pläne für das Einstiegssegment.

Im Congress Center Hamburg, einem Veranstaltungszentrum zwischen der Alster und dem Stadtpark Planten un Blomen, hat Markenchef Thomas Schäfer am Mittwochabend die Studie für einen vollelek­trischen Kleinwagen vorgestellt. Sie heißt ID.2 All und soll das erste E-Auto im Konzern sein, das weniger als 25.000 Euro kostet. Das Terrain ist schwierig, denn teure E-Antriebstechnik mit Akku und Co. lässt sich im unteren Preissegment schwer kostendeckend verbauen. Tesla hat seine Ingenieure aber schon darauf angesetzt, und auch VW macht jetzt Ernst.

Das „Volk“ soll im Fokus stehen

„Wir haben Massen mobilisiert, wir haben Technologie in die Breite gebracht und sie demokratisiert“, schlug Schäfer am Mittwoch vor Journalisten einen historischen Bogen. Es gehe darum, das „Volk“ in der Marke Volkswagen wieder stärker nach vorne zu stellen und auch in der E-Mobilität mit Autos zu erschwinglichen Preisen zu punkten.

Optisch knüpft der ID.2 All wieder stärker an Modelle wie den Polo oder den Golf an statt an die bisherige eigene Designsprache der ID-Baureihe. Eine Serienversion will VW im Jahr 2025 vorstellen. Auf den Markt soll der Wagen dann ein Jahr später kommen, als eines von zehn neuen E-Modellen, die VW bis dahin herausbringen will. Die technische Plattform dient dabei als Basis für vier Kleinmodelle verschiedener Marken, auch von Skoda und der Seat-Marke Cupra.

Gebaut werden soll er in Spanien, wo VW mit Partnern 10 Milliarden Euro in die Elektrifizierung der Standorte steckt. Geplant ist eine Batteriefabrik, für die am Freitag der Grundstein gelegt wird – zusammen mit König Felipe und Ministerpräsident Pedro Sánchez.

Preis soll weiter sinken

Mittelfristig will VW die Preisschwelle noch weiter absenken. Dafür feilen Ingenieure im Konzern an einem Wagen für weniger als 20.000 Euro, ein Projekt, in dem die tschechische Volumenmarke Skoda federführend ist. Damit erreichten die Wolfsburger „das breiteste Portfolio im Vergleich zum Wettbewerb“, hieß es am Mittwoch. Für die Marke VW seien die Kleinwagen ein wichtiger Baustein, um in Europa bis Ende des Jahrzehnts einen E-Anteil an den verkauften Fahrzeugen von 80 Prozent zu erreichen. Bisher war mit 70 Prozent kalkuliert worden.

Wie schwierig es ist, sich in der neuen Antriebswelt zu behaupten, spürt VW derzeit in China. Dort verkaufen sich eigene Fahrzeuge nur schleppend, während neue Rivalen Marktanteile gewinnen. Für Pro­bleme sorgt auch das wirtschaftliche Umfeld, was sich in der Gewinnprognose für das laufende Jahr spiegelt, die VW ebenfalls am Mittwoch vorgelegt hat.

Statt der bislang in Aussicht gestellten sechs Prozent geht die Marke VW nun für 2023 von einer operativen Rendite von „mehr als vier Prozent“ aus. Grund seien die unsichere Versorgung mit Teilen, die Rohstoff- und Energiepreise sowie politische Risiken. Vergangenes Jahr hatte die Marke trotz weniger Auslieferungen das Ergebnis um 22,5 Prozent auf 2,6 Milliarden Euro gesteigert, auch weil VW wegen knappen Angebots höhere Preise durchsetzte. Die Marge kletterte auf 3,6 Prozent.