VW will laut Betriebsrat drei Werke schließen – Mitarbeiter drohen mit „heißem Winter“
Seit Wochen ringen Führung und Betriebsrat von Volkswagen um mögliche Werkschließungen und Entlassungen. Jetzt liegen laut Betriebsrat konkrete Pläne vor: Der Vorstand will zehntausende Arbeitsplätze streichen. Die IG Metall ist empört – und auch Kanzler Scholz schaltet sich ein.
Volkswagen will nach Angaben des Betriebsrats in Deutschland mehrere Werke schließen und zehntausende Arbeitsplätze abbauen. „Der Vorstand will in Deutschland mindestens drei VW-Werke dichtmachen“, sagte Konzernbetriebsratschefin Daniela Cavallo bei einer Informationsveranstaltung für die Belegschaft in Wolfsburg. Alle verbleibenden Standorte sollten zudem schrumpfen, fügte sie hinzu. Über diese Pläne habe der Konzern nun die Arbeitnehmerseite informiert.
Als besonders gefährdet gilt laut Betriebsrat das Werk in Osnabrück, das kürzlich einen erhofften Folgeauftrag von Porsche verloren hatte. Zudem plane der Vorstand betriebsbedingte Kündigungen, sagte Cavallo. Laut Betriebsrat droht der Verlust von zehntausenden Arbeitsplätzen. Ganze Abteilungen sollten geschlossen oder ins Ausland verlagert werden.
„Alle deutschen VW-Werke sind von diesen Plänen betroffen. Keines ist sicher!“, sagte Cavallo. Nähere Angaben machte sie nicht. VW beschäftigt in Deutschland rund 120.000 Mitarbeiter, davon rund die Hälfte in Wolfsburg. Insgesamt betreibt die Marke VW in Deutschland zehn Werke, davon sechs in Niedersachsen, drei in Sachsen und eins in Hessen.
VW hatte im September die seit mehr als 30 Jahren geltende Beschäftigungssicherung aufgekündigt. Ab Mitte 2025 wären betriebsbedingte Kündigungen möglich.
Am Mittwoch kommen Konzern und die Gewerkschaft IG Metall zu ihrer zweiten Verhandlungsrunde über den VW-Haustarif zusammen. Bereits in der ersten Runde im September hatte VW die Forderungen der IG Metall nach sieben Prozent Erhöhung zurückgewiesen und stattdessen auf Einsparungen gedrängt. Nähere Angaben hatte VW dazu bisher nicht gemacht.
Bundesregierung mahnt VW
Laut Cavallo fordert VW nun zehn Prozent Lohnkürzung sowie Nullrunden in den kommenden beiden Jahren. Darüber hatte zuvor das „Handelsblatt“ berichtet. VW hatte Anfang September angekündigt, Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen nicht länger auszuschließen.
Die Bundesregierung forderte den VW-Konzern dazu auf, Jobs zu erhalten. Man müsse noch abwarten, was Volkswagen selbst dazu erklärt, sagte ein Regierungssprecher in Berlin mit Blick auf Angaben des Betriebsrats. Die Haltung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dazu sei aber klar – „nämlich, dass mögliche falsche Managemententscheidungen aus der Vergangenheit nicht zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gehen dürfen“. Es gehe darum, Arbeitsplätze zu erhalten und zu sichern.
Die IG Metall reagierte mit scharfer Kritik und bezeichnete die Sparpläne als „in keiner Weise hinnehmbar“. „Das ist ein tiefer Stich in das Herz der hart arbeitenden VW-Belegschaft“, erklärte Verhandlungsführer Thorsten Gröger. Die IG Metall erwarte, dass am Verhandlungstisch „tragfähige Zukunftskonzepte“ skizziert werden.
Sollte VW seine Planungen bei den Gesprächen am Mittwoch bestätigen, müsse der Vorstand mit „Konsequenzen“ rechnen. „Wenn die Chefetage den Abgesang Deutschlands einläuten will, muss sie mit einem Widerstand rechnen, den sie sich so nicht ausmalen kann“, warnte Gröger.
Beschäftigte drohen mit „heißem Winter“
Die Beschäftigten selbst bringen die Pläne in Rage. In Zwickau zogen am Montag Tausende Mitarbeiter mit Trillerpfeifen, Rasseln und roten Weckern ans Werkstor und machten ihrem Unmut Luft. Kunstmann forderte ein Zukunftskonzept von der Unternehmensführung: „Diese Abwärtsspirale werden wir nicht mitmachen.“ Er drohte, dass die Beschäftigten ab Dezember bundesweit die Werke von Volkswagen lahmlegen werden. Dann gebe es einen „heißen Winter“.
Der Vorsitzende der Gruppe Die Linke im Bundestag, Sören Pellmann, forderte „eine planvolle Industriepolitik“. „Während die VW-Chefetage sich Boni auszahlen lässt, drohen Werksschließungen und Massenentlassungen“, kritisierte er. Die Linken-Gewerkschaftspolitikerin Susanne Ferschl warf der Konzernführung vor, die Krise durch ihr „kurzsichtiges Vorgehen selbst verursacht“ zu haben. Statt gemeinsam mit Betriebsrat und Gewerkschaft Konzepte zu erarbeiten, müsse nun die Belegschaft „die Zeche zahlen“.
dpa/AFP/ll/säd/jm
Source: welt.de