Volkswagens Elektro-Wette wird noch teurer als geplant
Während die Bundesregierung in Brüssel an der Rettung des Verbrennungsmotors arbeitet, treibt der Volkswagen-Konzern seine Investitionen in die Elektromobilität weiter in die Höhe. Insgesamt werde der Konzern in den kommenden fünf Jahren 122 Milliarden Euro in Elektrifizierung und Digitalisierung investieren, gab VW bei der Vorstellung der Bilanz für das vergangene Jahr in Berlin bekannt.
Das entspricht rund zwei Dritteln der geplanten Gesamtinvestitionen für den Zeitraum. Außerdem soll laut Vorstandschef Oliver Blume bis 2025 jedes fünfte verkaufte Auto des Zehn-Marken-Konzerns weltweit ein reines Elektroauto sein; schon in diesem Jahr soll der Anteil auf zehn Prozent steigen.
Die Transformation von Deutschlands größtem Unternehmen zum Elektroautohersteller wird damit nochmals teurer als bisher geplant. Allein 15 Milliarden Euro der nun zusätzlich vorgesehenen Investitionen werden in den Aufbau von drei Batteriezellwerken in Deutschland, Spanien und Kanada fließen – und in „Absicherungen entlang der Rohstoffkette“ für die Batterieproduktion, wie es Finanzvorstand Arno Antlitz formulierte.
Den geplanten Bau in Kanada hatte VW am Vortag bekannt gegeben. Dort profitiert der Konzern von staatlichen Subventionen, die nicht allein den Bau der Fabrik unterstützen, sondern auch den Betrieb mitfinanzieren. In den USA baut VW außerdem ein neues Werk für die Elektromarke Scout, die 2026 wiederbelebt werden soll.
Diese Fabrik wird zwei Milliarden Euro kosten. Dort verspricht sich der Konzern Rückenwind vom „Inflation Reduction Act“ der US-Regierung. Die Entscheidung über eine weitere Batteriefabrik in Osteuropa hat Volkswagen dagegen erst einmal aufgeschoben. In der Alten Welt machen die Energiekosten die Batterieproduktion deutlich unwirtschaftlicher als in China und den USA.
Die hohen Investitionen von insgesamt 180 Milliarden Euro kommen nicht überall gut an. „Unserer Meinung nach wird dies eine große Sorge für die Anleger darstellen“, kommentiert der Analyst Daniel Röska von der Investmentbank Bernstein die Beschlüsse des Aufsichtsrats. Es entstehe ein erheblicher Druck auf den Cashflow, also die verfügbaren Barmittel des Konzerns, wenn es Volkswagen gelinge, das geplante Budget auch auszugeben. Aktuell hat VW zwar 43 Milliarden Euro Nettoliquidität in der Kasse, dieses Geld stammt aber vor allem aus dem Börsengang von Porsche im vergangenen Herbst.
Nach 2025 „können wir dann ernten“
Finanzchef Antlitz kennt diese Sorgen des Kapitalmarkts und gab zu, dass sein Programm „ambitioniert“ sei und die Elektro-Ausgaben „hohe Vorleistungen“ darstellten – für ein Geschäft, das erst in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts richtig groß werden soll. Weil man neben der Elektromobilität auch die Verbrenner wettbewerbsfähig halten wolle und die neue EU-Abgas-Regulierung Euro 7 anstehe, komme eine Doppelbelastung auf den Konzern zu. „Der Peak der Vorleistungen wird 2025 überschritten sein. Danach können wir dann ernten“, sagte Antlitz.
Diese Ernte soll das Unternehmen hauptsächlich in den USA und China einfahren. Im US-Markt hat Volkswagen derzeit einen dürftigen Marktanteil von nur vier Prozent. Durch den neu entstehenden Elektro-Markt will der Konzern diesen Anteil bis 2030 auf zehn Prozent steigern. Das Wachstum soll im Segment reiner E-Autos stattfinden, das sich in den USA auch durch die neuen Subventionen kräftig ausweiten wird. „Wir haben jetzt die einmalige Chance, in den USA profitabel zu wachsen“, sagte Antlitz. Dadurch könnte VW auch sein China-Übergewicht etwas verringern.
Im vergangenen Jahr verkaufte das Unternehmen 36,8 Prozent aller Fahrzeuge in diesem Markt. Wobei VW den lokalen Konkurrenten und Tesla im boomenden Elektro-Segment weit hinterherhinkt, im Verbrennerbereich aber noch Marktführer ist. Nun sollen die Marken in China schnell aufholen. „Der Ansatz für den Markt lautet ‚in China für China‘“, sagte Blume.
„China ist ein ganz besonders wichtiger Markt für den Volkswagen-Konzern“
Am Rande des WELT-Wirtschaftsgipfel im Axel-Springer-Hochhaus spricht Dietmar Deffner mit dem Volkswagen-Chef Oliver Blume. In dem Interview geht es um die Wiedereröffnung Chinas und was das für den Autokonzern bedeutet.
Quelle: WELT/ Dietmar Deffner
Dazu werde man die lokalen Entwicklungskapazitäten erheblich aufbauen. In diesem Jahr startet außerdem die Produktion in einem neuen E-Auto-Werk in Anhui. Das Tempo ist dringend nötig, denn schon für 2025 oder ’26 erwartet der Manager, dass in China die Hälfte der neu verkauften Fahrzeuge am Markt Elektroautos sein werden. Der Absatz der Verbrenner wird also absehbar schrumpfen.
Blume bekräftigte, dass er die Zukunft der Industrie in der E-Mobilität sieht. „Der Elektroantrieb wird dem Verbrenner in Zukunft überlegen sein“, sagte er. In seiner Rolle als Porsche-Chef setzt er sich zwar auch für den Einsatz von E-Fuels im Auto ein. Das sei aber kein Widerspruch zur Elektrifizierung, sagte er. Aus Blumes Sicht sind synthetische klimaneutrale Kraftstoffe eine Ergänzung zur Elektromobilität, die vorwiegend die Emissionen in der Bestandsflotte, in Schiffen und Flugzeugen ausgleichen könnte.
„Wenn man Klimaschutz gesamtheitlich sieht, müssen wir uns Gedanken darüber machen, was mit den Verbrennermotoren geschieht, die wir schon haben“, sagte er. Die Klimaziele des Unternehmens und der einzelnen Marken hat der neue VW-Chef verschärft. Bis 2030 sollen die CO₂-Emissionen der Produktion um 50 Prozent sinken. Noch in diesem Jahr sollen alle Fabriken in Europa auf Ökostrom umgestellt werden.
Volkswagen war unter Blumes Vorgänger Herbert Diess auf den Elektro-Kurs geschwenkt. Der kantige Manager, der sich oft öffentlich mit dem Betriebsrat stritt, wurde Ende August 2022 vom Aufsichtsrat aus dem Vorstand geworfen. Laut Vergütungsbericht ist er aber weiterhin Angestellter des Unternehmens, und zwar bis zum eigentlich vorgesehenen Ende seines Vorstandsvertrags am 24. Oktober 2025.
Diesen Termin hatte der Aufsichtsrat gesetzt, als er Diess’ Vertrag Anfang 2022 verlängerte – um ihn dann im Juli zu feuern. Die vorgezogene Verlängerung kostet den Konzern nun eine zweistellige Millionensumme. Im vergangenen Jahr verdiente Diess für die acht Monate an der Unternehmensspitze 6,8 Millionen Euro, plus eine Million Pensionsansprüche. Hochgerechnet auf ein Jahr käme er an den Gehaltsdeckel von zehn Millionen Euro für VW-Chefs. Beraten lässt sich Blume von Diess nach eigener Aussage nicht.
Ein neuer Stil an der Spitze
Auch Blume dürfte den Gehaltsdeckel künftig erreichen; er bekam im vergangenen Jahr 6,4 Millionen Euro und 977.000 Euro als Pensionszusage. Bis Ende August war er normales Mitglied im Konzernvorstand. Von Porsche erhielt er für das vergangene Jahr null Euro als Gehalt – obwohl er dort ebenfalls Vorstandsvorsitzender ist.
Diese Praxis bei VW, Konzernvorstände nur auf höchster Ebene zu vergüten, soll im laufenden Jahr für Blume enden. Künftig werde Porsche seine Vergütung zur Hälfte tragen, kündigte der Manager bei der Vorstellung der Porsche-Zahlen am Montag an.
Anders als sein Vorgänger Diess, der oft in großen Visionen vom autonomen Fahren und digitalisierter Mobilität schwelgte, tritt Blume sehr viel nüchterner auf. „Ich würde mich eher als operativen Strategen bezeichnen denn als Visionär“, sagte der neue Konzernlenker auf eine Frage zu seinem Stil. Wie die Welt in 100 Jahren aussehe, könne er nicht vorhersagen, aber für die kommenden 10 Jahre habe er sehr klare Vorstellungen. In dieser Welt, da ist Blume sicher, wird das Elektroauto den Verbrenner ablösen.
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Source: welt.de