Vizepräsidentin des EU-Parlaments festgenommen

Der Fall ist ein Schock für die EU: Wegen Korruptionsvorwürfen wird unter anderen Vizeparlamentspräsidentin Kaili festgenommen. Sie soll säckeweise Bargeld gehortet haben. Transparency beklagt fehlerhafte Kontrollen und sieht keinen Einzelfall.

Nach Bekanntwerden der Korruptionsvorwürfe gegen die EU-Vizeparlamentspräsidentin Eva Kaili mahnen Experten Reformen an. Das Parlament habe jahrzehntelang die Entwicklung einer „Kultur der Straflosigkeit“ und einen „Mangel an unabhängiger ethischer Kontrolle“ zugelassen, erklärte die Nichtregierungsorganisation Transparency International. EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola sicherte der Justiz die Unterstützung ihres Hauses bei der Aufklärung des Falles zu.

Es handele sich „nicht um einen Einzelfall“, erklärte Transparency International nach den Festnahmen. Die Kontrollmechanismen im Parlament seien „fehlerhaft“, schrieb Alberto Alemanno, Jura-Professor am Europakolleg im belgischen Brügge bei Twitter.

Am Freitag war in Brüssel Kaili, eine der 14 Vizepräsidenten des EU-Parlaments, im Zusammenhang mit Korruptionsermittlungen festgenommen worden, bei denen mutmaßlich das WM-Gastgeberland Katar eine maßgebliche Rolle spielt. Auch vier Italiener wurden festgenommen, unter ihnen Kailis Lebensgefährte Francesco Giorgi, der parlamentarischer Mitarbeiter der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament ist. Festgenommen wurden zudem der ehemalige sozialdemokratische Europaabgeordnete und heutige Chef der Nichtregierungsorganisation Fight Impunity, Pier Antonio Panzeri, sowie der Generalsekretär des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB), Luca Visentini.

Verdacht der „bandenmäßigen Korruption und Geldwäsche“
Die belgischen Ermittler gehen dem Verdacht der „bandenmäßigen Korruption und Geldwäsche“ nach. Es besteht die Vermutung, dass Katar mit beträchtlichen Geldsummen und Geschenken versuchte, die Entscheidungen des Europa-Parlaments zu beeinflussen.

Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn forderte die festgenommene Kaili zum Verzicht auf ihren Parlamentssitz auf. „Ich hoffe, dass diese Frau den Anstand hat, ihr Mandat zurückzugeben“, sagte Asselborn dem „Tagesspiegel“. Es sei „sehr enttäuschend, dass im Europaparlament Korruption im Spiel ist“. Auch aus Kailis sozialistischer Pasok-Partei wurde die Forderung nach einem Mandatsverzicht laut. In der Partei werde „Druck ausgeübt, damit Frau Kaili ihren Parlamentssitz abgibt“, sagte ein Pasok-Mitglied in Athen.

Nach den Festnahmen vom Freitag befassen sich die belgischen Ermittler damit, die beschlagnahmten Mobiltelefone und andere Datenträger auszuwerten. An diesem Samstag wurden die fünf Beschuldigten nach Angaben eines Sprechers der belgischen Bundesstaatsanwaltschaft in Brüssel weiter vernommen.

Ermittlungsrichter muss über Untersuchungshaft entscheiden

Der zuständige Ermittlungsrichter musste entscheiden, ob die Beschuldigten in Untersuchungshaft kommen. Die Frist für diese Entscheidung läuft nach belgischem Recht 48 Stunden nach der Festnahme ab – im Fall von Parlamentsvizepräsidentin Kaili also am Sonntagabend.

Die belgische Zeitung „L’Echo“ veröffentlichte indes weitere Informationen zur Festnahme Kailis. Demnach entdeckten die Ermittler „mehrere Säcke voller Geldscheine“ in der Brüsseler Wohnung der Politikerin. Die Durchsuchung der Räumlichkeiten brachte die Polizei „L’Echo“ zufolge auf den Weg, nachdem sie den Vater Kailis mit einer großen Menge Bargeld in „einem Koffer“ erwischt habe.

 

NTV