Viel Bumm, null Boom: Warum die Aufrüstungsmilliarden bisher nicht die Wirtschaft beleben
Milliarden für Panzer, keinen Effekt fürs Wachstum: Trotz Aufrüstungsboom bleibt der erhoffte Konjunkturschub aus. Warum treibt das viele Geld für Waffen bis dato nicht die Wirtschaft an? Dafür gibt es vor allem eine einfache Erklärung
Es muss niemanden wundern, wenn Leute aus der Waffenindustrie das Lied vom gesamtwirtschaftlichen Nutzen der Aufrüstung singen
Foto: Ronny Haratmann/AFP/Getty Images
Das wäre doch mal ein schönes Paradoxon: Mit Milliarden für tödliche Waffen hauchen wir der deutschen Wirtschaft neues Leben ein. Es soll Leute geben, die von solchem Kollateralnutzen der Aufrüstung träumen. Allerdings: Auch wenn man den Zynismus dieser Denke ausblendete, wäre festzustellen, dass der ökonomische Effekt gering ist. Freitag-Autor Jörn Boewe hat das in diesem Text überzeugend beschrieben. Aber nehmen wir mal an, der Konjunkturmotor Rüstung könnte funktionieren: Was sagt es aus, wenn in einem Land wie Deutschland überhaupt darüber nachgedacht wird?
Es gab gegen Anfang dieses Jahres eine kurze Phase der Euphorie – jedenfalls bei manchen Leuten aus Unternehmen und Wirtschaftswissenschaft. Aufrüstung, hieß es damals, könne zum Wachstumsmotor der deutschen Wirtschaft werden, von hunderttausenden Jobs und ordentlichen zusätzlichen Wachstumsraten war die Rede.
Es muss niemanden wundern, wenn Leute aus der Waffenindustrie und ihnen nahestehende Forschungsinstitute das Lied vom gesamtwirtschaftlichen Nutzen der Aufrüstung singen. Man muss sich der Vorstellung nicht anschließen, dass das Kapital im „Westen“ aus Profitgier selbst einen Krieg anstrebe. Dass es aber nichts dagegen hat, aus der Gefahr militärischer Konfrontation materiellen Gewinn zu ziehen, ist diesem Wirtschaftssystem nun einmal eigen.
Auf dem Vormarsch: „Anti-Personen-Minen“
Da ist es gut fürs Geschäft, wenn man das eigene Tun sozusagen als Beitrag zum Gemeinwohl, also zum Kampf für „unsere Freiheit“, verkaufen kann. Auch wer die Notwendigkeit einer wirksamen Landesverteidigung anerkennt, könnte ja sonst auf die Idee kommen, nach den Gewinnmargen der entsprechenden Firmen zu fragen – oder gar danach, ob alles, was sie sich an Rüstzeug ausdenken, auch ins Arsenal aufgenommen werden muss.
Wohin die Tendenz leider geht, zeigt sich am Beispiel der Anti-Personen-Minen: Polen, Finnland und die baltischen Staaten – zum Glück bisher nicht Deutschland! – haben ihren Austritt aus dem Vertrag angekündigt, der sie verbietet. Auch Russland und die USA erkennen das Verbot nicht an. Aber statt dem russischen Aggressor neben militärischer Verteidigung auch die Achtung vor dem internationalen Recht entgegenzusetzen, begeben sich diese europäischen Staaten auf sein Niveau.
Ja, auch Anti-Personen-Minen schaffen vielleicht Arbeitsplätze. Aber die zynisch angehauchte Form von Zukunftserwartung, die sich an die Aufrüstung knüpft, hat ihre Wirkung inzwischen zum Glück weitgehend eingebüßt. Denn der genauere Blick hat gezeigt: Das Schießzeug und die personelle Aufstockung der Bundeswehr (die Menschen sind immer noch der teuerste Teil der Armee) werden die kläglichen Versäumnisse von Schlüsselindustrien wie der Autobranche nicht wettmachen können. Warum ist das so? Dafür gibt es vor allem eine einfache Erklärung.
Wie könnte die Zukunft der panzergetriebenen Konjunktur aussehen?
Die meisten Militärausgaben sind nun mal konsumtiv (siehe Personal). Darauf hat schon im März Tilman Brück von der Berliner Denkfabrik International Security and Development Center in der taz hingewiesen, und lapidar hinzugefügt: „Ebenso könnten Sie die Gehälter von Lehrern erhöhen.“
Wer über eine Neigung zum Sarkasmus verfügt, könnte sich trotz allem einmal ausmalen, wie die Zukunft der panzergetriebenen Konjunktur aussehen könnte. Ohne Computertechnik, das ist bekannt, kommt heute kein Militärfahrzeug und erst recht kein Kampfflugzeug aus. Nun haben wir gerade bei Volkswagen gesehen, in welche Abhängigkeiten sich vor allem Europa im blinden Glauben an eine globale ökonomische Arbeitsteilung begeben hat. Stellen wir uns also vor, Volkswagen hätte einen Teil seiner Produktion auf Rüstung umgestellt. Aber leider wären die Mikrochips ausgegangen, weil China keine Lust hätte, Europa in der Konfrontation mit Russland zu unterstützen. Pech gehabt!
Klar, das ist jetzt ein wenig überzeichnet, Europa gibt sich sicher Mühe, bei Rohstoffen und Computertechnik unabhängiger zu werden. Aber einen Hinweis gibt das Szenario schon: Militärische Antworten auf globale Konflikte und Bedrohungen mögen bis zu einem gewissen Punkt notwendig sein, soweit sie klar defensiv ausgerichtet sind. Aber sie stoßen an Grenzen, die nur durch die konsequente Arbeit an einer neuen Ordnung friedlichen Zusammenlebens und ökonomischen Austauschs zu überwinden sind – so weit entfernt sie im Moment auch sein mag. Wohlstandssicherung durch Rüstung stünde dieser Arbeit selbst dann im Weg, wenn sie funktionieren würde.