US-Zollpolitik: War da welches?
In seinem Buch „Die Kunst des Erfolgs“ („The Art of the Deal“) schreibt Donald Trump (oder eher sein Ghostwriter Tony Schwartz), er liebe es „groß“ zu denken: „Für mich ist das ganz einfach,
wenn ich schon denke, dann kann ich gleich groß denken.“ Im Amt des US-Präsidenten hat Trump groß gedacht, als er am 2. April 2025 im
Rosengarten des Weißen Hauses Strafzölle gegen den Rest der Welt verhängte. Von
einem „Tag der Befreiung“ sprach er, um der jahrzehntelangen „Ausbeutung“
der Vereinigten Staaten von Amerika ein Ende zu setzen.
Tatsächlich geht es an den Börsen wieder
aufwärts, seit Trump sich erst vor einer Woche mit Großbritannien und dann Anfang dieser Woche mit China auf einen
Abbau von Zöllen verständigt hat. Der wichtigste Aktienindex in den USA, der Dow Jones, hat auf Monatssicht um vier
Prozent zugelegt, der Technologieindex Nasdaq sogar um mehr als zehn Prozent. Und
die Finanzinstitute an der Wall Street korrigieren ihre Wachstumsprognosen nach
oben. Es gilt nun nicht mehr als wahrscheinlich, dass die amerikanische
Wirtschaft in diesem Jahr in eine Rezession rutscht.
Ist das Kalkül von Donald Trump also
aufgegangen? Oder anders gefragt: Hat er tatsächlich groß gedacht, wie seine
Anhänger und Anhängerinnen behaupten?
Sein Kalkül geht ökonomisch nicht auf
Aus einer ökonomischen Perspektive lässt sich
diese Frage relativ einfach beantworten: hat er nicht. Die Zollvereinbarung mit
China beispielsweise stellt den Zustand von vor dem Tag der Befreiung wieder
her, zumindest für 90 Tage. Zur Erinnerung: Die Chinesen hatten auf die amerikanischen Strafzölle
ihrerseits mit Gegenzöllen reagiert. Diese werden nun wieder zurückgenommen. Das
chinesische Zollniveau sinkt um 115 Prozentpunkte auf zehn Prozent, das
amerikanische auf 30 Prozent. Davon sind 20 Prozentpunkte Sonderzölle, die Trump
gegen das Land verhängt hatte, weil China angeblich den amerikanischen Markt
mit Drogen überschwemme. Damit bleibt ein amerikanischer Basiszoll von
ebenfalls zehn Prozent übrig.
Im Kern besteht der Verhandlungserfolg von
Donald Trump darin, dass er das Chaos beseitigt hat, das er vorher
verursacht hatte. So kann man auch die Marktentwicklung interpretieren. Der Dow Jones notiert in etwa wieder da, wo er am „Tag der Befreiung“ notierte. Und:
Trump hat von den Chinesen so gut wie keine Zugeständnisse erhalten. Der US-Präsident ist
angesichts der Aussicht auf unterbrochene Lieferketten und leere Regale in den Supermärkten infolge
der Zolleskalation eingeknickt.
Es ist so etwas wie ein Muster seiner
Präsidentschaft: Trump prescht mit extremen Ankündigungen vor, die er wieder zurücknimmt, wenn er eine Gegenreaktion der Finanzmärkte erlebt. Börsenprofis nennen das inzwischen taco-trade, wenn sie also durch die so ausgelösten Kursbewegungen profitieren können. Der Begriff „taco“ steht dabei für Trump always chickens
out – salopp übersetzt: Trump zieht immer den Schwanz ein. Selbst das konservative
Wall Street Journal spricht von einer „Kapitulation“ des amerikanischen
Präsidenten im Zollkonflikt.
Nun werfen ein paar Wochen mit sinkenden
Aktienkursen eine Volkswirtschaft nicht um. Das eigentliche Problem dieser Handelspolitik ist, dass sie langfristige erhebliche negative
Folgewirkungen haben kann. Denn in der Wirtschaftspolitik hat Unberechenbarkeit
ihren Preis. Niemand weiß, wann die nächste Zollattacke kommt – und wie lange
Trump dann durchhält. Das ist für Unternehmen keine gute Basis für eine
Investitionsplanung.
Und selbst wenn die Zölle gesunken sind: Sie
sind immer noch sehr hoch. Nach Daten der Universität Yale liegt der
durchschnittliche Einfuhrzoll in den USA bei 17,8 Prozent. Das ist der höchste Wert seit 1934. Trump hat mit seiner Zollpolitik die
Errungenschaften von mehr als einem halben Jahrhundert Handelsliberalisierung zunichtegemacht. Das bedeutet: niedrigere Wachstumsraten und höhere
Inflationsraten – nicht jetzt, aber in den kommenden Monaten. Es ist auch
endgültig klar, dass die Zolleinnahmen – anders als von Trump behauptet – nicht
reichen werden, um das ausufernde Staatsdefizit in den Griff zu bekommen. Auch deshalb steigen schon wieder die Renditen auf US-Staatsanleihen: Die Investoren verlangen höhere Risikoaufschläge.
Wie schlimm ist der Schaden?
Politisch dürfte sich die Kehrtwende für den
Präsidenten dennoch auszahlen. Seine Anhänger sind ihm zwar treu ergeben, aber
eine Wirtschaftskrise hätten sie ihm womöglich nicht verziehen. Im Umfeld des
Präsidenten befürchtete man offenbar, dass die Republikaner im Fall einer
schweren Rezession bei den Kongresswahlen im kommenden Jahr die Mehrheit im
Senat beziehungsweise im Repräsentantenhaus verlieren könnten. Und für die inhaltlichen
Details der Handelsdeals interessiert sich außerhalb von Fachkreisen kaum jemand –
zumal die Berichterstattung in Teilen der amerikanischen Massenmedien zunehmend
an politische Propaganda erinnert und alle Deals als Erfolge verkauft werden.
Die Kritik an Trumps Manövern dürfte sich in
Grenzen halten. Tatsächlich haben sich seine Umfragewerte zuletzt
stabilisiert, wenn auch auf niedrigem Niveau. Folgendes Szenario ist also denkbar: Trump
richtet mit seiner Zollpolitik ökonomisch betrachtet Schaden an. Dieser aber
ist nicht groß genug, als dass ihm politische Konsequenzen drohen würden.
Die Frage ist, ob das eine gute Nachricht ist.