Union Berlin: „Eine Katastrophe“ – Kritik im Spielerlager am Wechseltheater um Gosens – WELT
Wenig Stunden vor Beginn der Partie gegen St. Pauli kommt Hektik bei Union Berlin auf. Überraschend klappt der Wechsel von Robin Gosens zum AC Florenz doch noch. Trainer Svensson muss eilends umplanen, Gosens hat Tränen in den Augen – und die Spieler fühlen sich als Leidtragende.
Nach dem Spiel gegen den FC St. Pauli wurde endlich auch offiziell klar, wohin es Robin Gosens zieht. Er wird sich der AC Florenz anschließen, wieder italienische Serie A statt Bundesliga. Nach Informationen der BILD wird Union Berlins Mittelfeldspieler mit anschließender Kaufverpflichtung (7,5 Millionen Euro) verliehen.
Diesem Deal waren aufreibende Stunden vorangegangen, die nicht ganz spurlos an dem Team aus Köpenick vorbeigingen. Zwar gewann Union am Freitagabend 1:0 (0:0) gegen den Aufsteiger aus Hamburg. Richtig rund aber lief es nicht, von Benedict Hollerbachs traumhaften Volleytor aus 18 Metern in der 34. Minute mal abgesehen.
Ein paar Stunden vor Anpfiff war es weit spektakulärer zugegangen. Das bestätigte Horst Heldt, Unions Geschäftsführer Profifußball. „Bis zehn nach vier bin ich davon ausgegangen, dass Robin auf dem Platz steht und spielt. Dann kam die Nachricht und dann haben wir das umgesetzt. Es war von Beginn an der Vorbereitung klar, dass Robin den Verein aus privaten Gründen verlassen will“, erklärte Heldt den Ablauf am Freitagnachmittag. Wohin es Gosens zieht und zu welchen Konditionen, wollte Heldt zu dem Zeitpunkt nicht verraten. Aber es hatte sich im Vorfeld ja angebahnt, dass der 30-Jährige nach Florenz gehen würde.
Bei Gosens Transfer war Eile geboten
Am Ende, sagte Heldt, sei es eine Entscheidung gewesen, „die wir gemeinsam mit Robin getroffen haben. Er hat den Wunsch geäußert – natürlich recht spät, das ist suboptimal. Aber am Ende macht es nur Sinn, mit Spielern zu arbeiten, die sich wohlfühlen. Nur dann kann man gute Leistungen bringen“.
Die aber litt offensichtlich nicht zuletzt durch den Wirbel am Spieltag beim Rest des Berliner Teams. Hintergrund: Das Transferfenster der Bundesliga schloss am Freitag um 20.00 Uhr, es war also Eile geboten, wenn noch etwas über die Bühne gehen sollte. Gosens absolvierte am Freitag den medizinischen Check in der Hauptstadt, um pünktlich vor Transferende den Wechsel zu ermöglichen.
Doch das hektische Prozedere wurde als Störfaktor ausgemacht. Berlins Mittelfeldspieler Rani Khedira etwa sagte, es sei „eine Katastrophe“ gewesen: „Da sollten sich einige mal Gedanken drüber machen, dass wir zwar Fußballspieler, aber auch Menschen sind. Wenn man Robin gesehen hat, dass er fast schon mit Tränen in den Augen dastand, völlig aufgelöst war, weil beim Mittagessen klar war, dass er bei uns bleibt und spielt. Und zwei Stunden später nach seinem Mittagsschlaf kommt dann die Nachricht, dass es doch so aufgeht.“
Alle Parteien seien zwar damit am Ende zufrieden, sagte Khedira, „aber es ist eben dennoch nicht zufriedenstellend für uns als Mannschaft. Wenn man an so einem Spieltag so was mitnehmen muss in die Partie, finde ich es einfach ein bisschen komisch. Entweder man macht es nach dem Spieltag oder vor dem Spieltag. Aber am Spieltag ist es sehr, sehr schwierig für eine Mannschaft, um ehrlich zu sein.“
Auch Unions Trainer Bo Svensson war alles andere als begeistert – von der Vorstellung seiner Mannschaft und der Vorbereitung am Tag des Spiels. „Wenn man auf Freitagabend ein Spiel legt am letzten Tag des Transferfensters, kann man nicht davon ausgehen, dass dieser Tag ganz normal läuft. Es war sehr, sehr komisch, wenn du dreieinhalb Stunden vor dem Spiel einen Spieler abgibst“, berichtete er: „Man kann sagen: Wir sind Profis, wir müssen damit umgehen. Ich weiß nicht, ob sich die Menschen das vorstellen können. Aber wir bereiten uns vor, wollen so und so spielen, du denkst als Trainer, dass der Kader so aussehen wird – und innerhalb weniger Minuten ändert sich das. Das ist natürlich einfach nicht so einfach.“
Nach nur einer Saison und kehrt Gosens nun zurück nach Italien. Union soll vor einem Jahr 13 Millionen Euro für ihn gezahlt haben – Rekord für die Berliner. Schon länger war über den Wunsch von Gosens und seiner Familie spekuliert worden, nach Italien zurückzukehren, wo er zwischen 2017 und 2023 für Atalanta Bergamo und Inter Mailand spielte.
Zuletzt sah es jedoch so aus, dass der Flügelspieler doch bei den Eisernen bleiben würde. Der neue Trainer Svensson zeigte sich sehr zufrieden mit Gosens. Zudem bestritt der Profi noch die Trainingseinheit am Vormittag. In den letzten Stunden des Transferfensters entwickelte sich dann wieder eine Dynamik in den Verhandlungen. Mit Tom Rothe von Borussia Dortmund haben die Köpenicker bereits einen Ersatz für die linke Seite verpflichtet. Der Zugang, der in vergangenen Saison mit Holstein Kiel den Aufstieg in die Bundesliga schaffte, rückte gleich in die Anfangsformation im Spiel gegen St. Pauli.
Mit sieben Toren in 37 Partien war der Linksfuß Gosens in der letzten Saison zwar torgefährlichster Spieler bei den Köpenickern. Die Erwartungen – sowohl die eigenen als auch die des Vereins – erfüllte er aber nicht. Aus der Königsklasse verabschiedete sich Union frühzeitig. Am Ende spielten die Eisernen in der Bundesliga sogar gegen den Abstieg. Auch der 30-Jährige konnte das Team nicht stabilisieren.
Für Gosens hatte die ernüchternde Saison schwerwiegende Folgen. Der Abstiegskampf kostete ihn letztendlich einen Platz im deutschen EM-Kader. Dagegen hat Florenz am Donnerstag die Gruppenphase der Conference League erreicht, sodass Gosens wieder international spielen kann.
pk
Source: welt.de