Und Netanjahu schaut zufrieden: Trumps Vorschlag ist Wahnsinn, doch dieser Wahnsinn hat Methode

Mit Superlativen muss man bei diesem US-Präsidenten vorsichtig sein. Aber Trumps Gaza-Vorschlag ist vermutlich das Verrückteste, was er je von sich gegeben hat.

Zur „Riviera des Nahen Ostens“ will Donald Trump den Gazastreifen machen. Er will die dort lebenden zwei Millionen Palästinenser umsiedeln und ihr Territorium „langfristig“ selbst übernehmen, wie er bei einer Pressekonferenz mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu sagte. Selbst für Trumps Verhältnisse ist das von atemberaubendem Wahnsinn.

Und das auf allen Ebenen. Eine wie auch immer geartete Übernahme des Gazastreifens durch die USA wäre ein eklatanter Bruch des Völkerrechts. Ganz zu schweigen davon, dass die Vertreibung der Palästinenser aus dem Gazastreifen den Tatbestand der ethnischen Säuberung erfüllen würde.

Schon sein öffentliches Schwadronieren darüber, dass die USA den Gazastreifen „besitzen“ sollten, hat politische Folgen. Damit sendet Trump das klare Signal an Präsident Wladimir Putin: Völkerrechtswidrige Invasionen, wie der russische Überfall auf die Ukraine, sind legitim. Warum soll Russland nicht dürfen, was Trump mit Blick auf Grönland, Panama, Kanada und nun auch den Gazastreifen halluziniert? Das dürfte auch China als Einladung verstehen, sich Taiwan einzuverleiben und Gebietsansprüche gegenüber den Philippinen durchzusetzen.

Netanjahu freut sich

Zugleich gießt Trump das sprichwörtliche Öl ins Feuer. „Unser Volk in Gaza wird nicht zulassen, dass diese Pläne in die Tat umgesetzt werden“, sagte Sami Abu Suhri, ein Sprecher der Terrororganisation Hamas. Trumps Vorschlag einer Umsiedlung sei „ein Rezept für Chaos und Spannungen in der Region“.

Doch Trumps Wahnsinn hat Methode. Sein früherer Berater Steve Bannon folgte dem Motto, man müsse „die Zone mit Scheiße fluten“, um die Diskurshoheit zu erlangen. Das soll heißen: Je mehr Unsinn Trump erzählt, umso mehr diktiert er die Themen – und umso eher kann er im Schatten der öffentlichen Empörung Fakten schaffen. Sein neues Team hat die Strategie professionalisiert. Das ist es, was Trump seit seiner Vereidigung macht. Er unterzeichnet so viele Dekrete, dass Kongress und Gerichte der Flut kaum noch Herr werden.

Das könnte – bewusst oder unbewusst – die Strategie sein, die auch hinter der jüngsten Flutwelle bezüglich des Gazastreifens steckt. Sein Gast Netanjahu hat kein Interesse, die nächsten Schritte der Waffenstillstandsvereinbarung mit der Hamas umzusetzen. Nicht nur lehnen seine rechtsradikalen Koalitionspartner den Waffenstillstand ab. Eine Zweistaatenlösung ist mit Netanjahu so wenig zu machen wie auch nur der kleinste Schritt in Richtung Frieden. Einen eigenen Plan für den Gazastreifen hat Netanjahu nicht. Ihm dürfte es ganz recht sein, wenn die Hamas Verhandlungen mit der US-Regierung abbricht und der Waffenstillstand scheitert.

„Das könnte so fabelhaft sein“

Entsprechend zufrieden schaute der israelische Ministerpräsident, während Trump seine Vorstellungen vortrug. „Israel wird den Krieg beenden, indem es den Krieg gewinnt“, sagte Netanjahu dann. Über den Waffenstillstand sprach er nur auf Nachfrage, er nannte ihn „temporär“.

Und entsprechend groß ist auch der von Trump angerichtete Schaden in der Region. Ohne einen palästinensischen Staat werde es keine Kontakte zu Israel geben, teilte das saudi-arabische Außenministerium mit. An den Abraham-Abkommen zwischen arabischen Staaten und Israel ist Saudi-Arabien bislang nicht beteiligt. Trotzdem war das Königreich ein zentraler Pfeiler von Trumps Nahost-Strategie in seiner ersten Amtszeit. Ohne die Saudis wird es keine Entspannung im Nahen Osten geben.

Trumps Auftritt überdeckt, wer für die Zerstörungen im Gazastreifen die Verantwortung trägt. Ausgelöst wurde der Krieg natürlich vom blutigen Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023. Aber das Ausmaß der Zerstörungen ist schon lange unverhältnismäßig. Darüber wollen Trump und seine Regierung nicht sprechen, wenn sie über den Gazastreifen reden. „Wenn es in irgendeiner Stadt in den Vereinigten Staaten von Amerika Schäden gäbe, die auch nur ein Hundertstel dessen wären, was ich in Gaza gesehen habe, dann würde dort niemand in sein Haus zurückkehren dürfen – so gefährlich ist es dort“, sagte Trumps Nahost-Gesandter Steven Witkoff am Dienstag. „Es sind Gebäude, die jeden Moment umkippen könnten. Es gibt dort keine Versorgungseinrichtungen, kein funktionierendes Wasser, keinen Strom, kein Gas, nichts. Gott weiß, was für Krankheiten dort ausbrechen könnten. Wenn der Präsident davon spricht, ihn [den Gazastreifen] zu säubern, dann spricht er davon, ihn bewohnbar zu machen.“

Wer soll im Gazastreifen leben? „Die Menschen der Welt“

Bewohnbar für wen? Auf die entsprechende Frage einer Journalistin sagte Trump, „die Menschen der Welt“. Der Gazastreifen solle zu einem „internationalen, unglaublichen Ort“ werden. Das Potenzial des Gazastreifens sei „unglaublich“.

So wahnsinnig der Vorschlag ist, das Ergebnis einer spontanen Eingebung ist er nicht. „Die USA werden den Gazastreifen übernehmen“, diesen Satz las Trump von einem mitgebrachten Papier vor. Es war keine dieser Äußerungen, die er immer mal wieder beim freien Sprechen von sich gibt.

Details blieb Trump dennoch schuldig. Wie will er die Vertreibung organisieren? Glaubt er, dass die Palästinenser freiwillig gehen? Will er ernsthaft Soldaten in einen weiteren Krieg im Nahen Osten schicken und die USA damit auf unabsehbare Zeit zum Todfeind aller arabischen Staaten machen? Und wer soll die Palästinenser aufnehmen? Er habe „ein Gefühl“, dass der König von Jordanien und der ägyptische Präsident „uns das Land geben werden, das wir brauchen, um das hinzukriegen“, sagte Trump, „obwohl sie Nein sagen“. Dann könnten die Menschen „in Harmonie und Frieden“ leben.

Der US-Präsident klingt wie ein Immobilieninvestor, vermutlich denkt er auch so. Er wolle nicht oberschlau wirken, sagte Trump bei dem Auftritt im Weißen Haus, „aber die Riviera des Nahen Ostens, das könnte so fabelhaft sein“. Das alles ist so irre, man findet kaum Worte. Auch das dürfte ganz im Sinne der Fäkalien-Strategie der neuen US-Regierung sein.

Source: n-tv.de