Umweltbundesamt (UBA): Bei Verkehr und Gebäuden verfehlt Deutschland die Klimaschutzziele für 2022

Verkehr in Berlin (Bild von 2021)
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Autos, Fabriken und Kraftwerke sorgen für besonders viele Treibhausgase – und damit für die Erhitzung der Erde. Im vergangenen Jahr sind die Treibhausgasemissionen Deutschlands gegenüber über dem Vorjahr nur leicht gesunken: um 1,9 Prozent oder gut 15 Millionen Tonnen. Noch immer wurden 2022 rund 746 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente freigesetzt. Das geht aus Daten des Umweltbundesamts (UBA) hervor, die dem SPIEGEL vorab vorlagen.
In der Maßeinheit CO₂-Äquivalente verrechnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ausgestoßenes Kohlendioxid (CO₂) mit anderen Treibhausgasen.
Die Ergebnisse für die einzelnen Sektoren unterscheiden sich jedoch deutlich: Während im Bereich Landwirtschaft und Abfall die Ziele 2022 sogar mit Abstand eingehalten wurden, haben die Bereiche Gebäude und Verkehr ihre Ziele verfehlt. Die Daten basieren dem UBA zufolge auf aktuell nur begrenzt vorliegenden Statistiken und sind daher noch mit ein paar Unsicherheiten verbunden. Seit 1990 sind die Emissionen laut UBA in Deutschland um 40,4 Prozent gesunken.
Bis 2030 soll der Ausstoß laut Klimaschutzgesetz um mindestens 65 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken; bis 2045 soll Deutschland klimaneutral sein, also nicht mehr Treibhausgase ausstoßen als abgebaut werden.
Um die Ziele der Bundesregierung bis 2030 zu erreichen, müssten pro Jahr nun sechs Prozent Emissionen eingespart werden, sagte Dirk Messner, Präsident des UBA, laut einer Mitteilung. »Seit 2010 waren es im Schnitt nicht einmal zwei Prozent.« Es komme insbesondere auf ein höheres Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien an.
»Der nur minimale Rückgang der Emissionen ist kein Grund zum Aufatmen«, sagte Timon Dzenius, Bundessprecher der Grünen Jugend dem SPIEGEL. »Spürbare Emissionsminimierungen waren in den letzten Jahren Folge der Pandemie oder des russischen Angriffskriegs durch gestiegene Energiekosten. Dass externe Schocks mehr zum Klimaschutz beitragen als politische Veränderungen, zeigt die Notwendigkeit des Handelns.«
Nach Berechnungen der Renewable Energy Directive (RED) deckten erneuerbare Energien 2022 laut UBA mit 20,4 Prozent erstmals über ein Fünftel des gesamten Bruttoendenergieverbrauchs. Im Jahr 2021 lag der Anteil demnach noch bei 19,2 Prozent. Maßgeblich dafür: das starke Wachstum der erneuerbaren Energien im Stromsektor.
Die Zahlen des Umweltbundesamts nach Sektoren im Überblick:
Energiewirtschaft
Im Energiesektor wurde, entgegen dem allgemeinen Trend, ein starker Anstieg der Emissionen festgestellt. Im vergangenen Jahr seien hier 10,7 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente mehr ausgestoßen worden als noch 2021, insgesamt 256 Tonnen. Grund dafür ist laut UBA ein vermehrter Einsatz vor allem von Stein- und Braunkohle zur Stromerzeugung im Zuge der Einsparungen von Erdgas. So konnte der Energiesektor sein Emissionsziel 2022 von 257 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent knapp einhalten.
Gleichzeitig stieg aber auch die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien um neun Prozent gegenüber 2021 und deckt nun bereits 46,2 Prozent des deutschen Bruttostromverbrauchs, 2021 waren es demnach noch 41,2 Prozent.
Verkehr
Auch der Verkehrssektor lag den Angaben zufolge 2022 über den im Bundes-Klimaschutzgesetz festgelegten Jahresemissionsmengen. Hier wurden 148 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent ausgestoßen – zulässig gewesen wären 138,8 Millionen Tonnen.
»Der Verkehr ist der einzige Sektor, der gleichzeitig sein Ziel verfehlt und einen Emissionsanstieg gegenüber dem Vorjahr verzeichnet«, schreibt das UBA. Der Treibhausgasausstoß des vergangenen Jahres lag rund 1,1 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent – oder 0,7 Prozent – über dem Wert von 2021.
Der Anteil erneuerbarer Energien am gesamten Endenergieverbrauch blieb laut UBA mit 6,8 Prozent auf dem Niveau des Vorjahres. Zwar stieg die Nutzung von erneuerbarem Strom im Verkehr demnach durch verstärkte Nutzung von E-Mobilität um 16 Prozent deutlich an, gleichzeitig stagnierte aber der Absatz von Biokraftstoffen.
Nachdem 2021 noch stark von der Pandemie geprägt war, hat der Pkw-Verkehr im vergangenen Jahr wieder leicht zugenommen – und damit auch der Kraftstoffverbrauch insgesamt. Hohe Preise wurden durch den Tankrabatt gemindert, gleichzeitig galt für drei Monate das 9-Euro-Tickets im ÖPNV. Obwohl 2022 bei den Neuzulassungen von Elektroautos ein Rekordjahr war, reicht der Zuwachs laut UBA nicht aus, um die Zunahme der Emissionen auszugleichen.
Gebäude
Der Gebäudesektor konnte zwar seine Emissionen im Vergleich zu 2021 mindern – dennoch überschreitet er nach UBA-Angaben, wie bereits im Jahr zuvor, die im Bundes-Klimaschutzgesetz festgeschriebene Jahresemissionsmenge. Diese lag bei 107,4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent, ausgestoßen wurden in dem Sektor im Jahr 2022 122 Millionen Tonnen und damit 6 Millionen Tonnen weniger als 2021.
Grund für die Emissionsreduzierung sind laut UBA insbesondere die gestiegenen Energiepreise, wodurch die Menschen Energie gespart hätten. Auch das zeitweise milde Wetter hätte Einsparungen erleichtert. Lediglich die Absätze von leichtem Heizöl sind nach UBA-Angaben 2022 um rund 9 Prozent gestiegen, um die Lagerbestände nach den geringen Heizölkäufen 2021 wieder aufzufüllen.
Industrie
Im Industriesektor sind die Emissionen 2022 deutlich gesunken: um 19 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent oder 10,4 Prozent. In dem Sektor wurden somit 164 Millionen Tonnen ausgestoßen – zulässig gewesen wären rund 177 Tonnen.
Der Krieg in der Ukraine und die damit verbundenen stark gestiegenen Energiekosten hätten stark gesunkene Energieeinsätze bewirkt, heißt es vom UBA. Besonders in der Metall verarbeitenden und chemischen Industrie habe sich das gezeigt. Mit Ausnahme von Steinkohlen, deren Einsatz sich den Angaben zufolge nahezu auf dem Niveau von 2021 bewegt, sanken die Energieeinsätze fossiler Energieträger. Auch die Produktionszahlen sind teils rückläufig, insbesondere bei den energieintensiven Industrien.
Landwirtschaft
Der Landwirtschaftssektor bleibt mit 62 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent deutlich unter der für 2022 festgelegten Jahresemissionsmenge von 67,6 Millionen Tonnen, ein Rückgang um 0,9 Millionen Tonnen im Vergleich zum Vorjahr. Insbesondere ein weiterer Rückgang der Schweinezahlen und ein geringerer Einsatz von Mineraldünger hätten dazu geführt.
Abfall
Die Emissionen des Abfallsektors sanken gegenüber dem Vorjahr um rund 4,5 Prozent auf 4,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent – und bleiben erneut unter der festgelegten Jahresemissionsmenge von 8,5 Millionen Tonnen. Nach UBA-Angaben werde dieser Trend wesentlich durch die sinkenden Emissionen aus der Abfalldeponierung bestimmt. Hintergrund sei das Verbot der Deponierung organischer Abfälle.