Ukraine-Überblick: Angriff auf Klinik in Dnipro, Medwedew schließt Gespräche vorerst aus

In der zentralukrainischen Großstadt Dnipro sind nach einem russischen Raketenangriff auf ein Krankenhaus zwei Menschen getötet und 30 verletzt worden. Das teilte der Gouverneur der Region Dnipropetrowsk Serhij Lyssak auf Telegram mit. Zu drei vermissten Menschen bestehe kein Kontakt, schrieb er. Am Morgen hat er noch von einem Toten und 15 Verletzten berichtet.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verurteilte den Angriff als einen Akt des Terrors: „Die russischen Terroristen haben erneut ihren Status als Kämpfer gegen alles Menschliche und Ehrliche bestätigt“, schrieb er auf Telegram. Das russische Verteidigungsministerium erwähnte den Angriff auf Dnipro in seinem Lagebericht nicht, sondern sprach von einem „geballten Angriff mit luftbasierten, hochpräzisen Langstreckenwaffen“, dessen Ziel angeblich ukrainische Munitionslager gewesen seien. Alle Ziele seien getroffen worden.

Luftangriffe in jeder zweiten Nacht im Mai

Damit dürfte der großflächige Luftangriff gemeint sein, der sich in der Nacht ereignet hatte. Die ukrainischen Luftstreitkräfte sprachen von 17 Raketen und 31 Drohnen, die Teil des Angriffs gewesen seien. Zehn Raketen und 23 Drohnen habe man abschießen können. Russland hatte die im Winter regelmäßig ausgeführten nächtlichen Raketenangriffe im Frühling zunächst reduziert, sie aber in den vergangenen Wochen wieder gesteigert. 

Allein im Mai kam es in bislang rechnerisch jeder zweiten Nacht zu großflächigen Angriffen mit Drohnen oder Raketen. In der Hauptstadt Kiew und umliegenden Gebieten berichtete das ukrainische Militär regelmäßig über hohe Abschussraten von mehr als 90 bis 100 Prozent. In anderen Landesteilen kommt es wegen des Mangels an Flugabwehrsystemen jedoch häufiger zu Einschlägen.

Medwedew schließt Verhandlungen mit Selenskyj-Regierung aus

Russlands Ex-Präsident und derzeitiger Vizechef des Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew, hält Verhandlungen mit der Ukraine nach eigenen Angaben erst für möglich, nachdem es in Kiew einen Regierungswechsel gegeben hat. Das sagte er laut russischen staatlichen Nachrichtenagenturen am Rande eines Besuchs in Vietnam. „Solange es das Kiewer Regime und den Clown (Wolodymyr) Selenskyj gibt, sind Verhandlungen unmöglich“, sagte
Medwedew demnach.

Dies bleibe Russlands Position, solange die derzeitige ukrainische Regierung im Amt sei. Zudem sagte er, er erwarte einen jahrzehntelangen, immer wieder aufflammenden Konflikt, sollte das „Naziregime in Kiew nicht vernichtet werden“. Das sei „die neue Realität, die neuen Lebensbedingungen“.
Russland hat den Angriff auf die Ukraine bereits zu dessen Beginn mit einem angeblich dort herrschenden „Naziregime“ begründet. 

Ukraine hält ihrerseits Gespräche mit Putin für unmöglich

Der Ex-Präsident, der in seiner Regierungszeit von 2008 bis 2012 als vergleichsweise liberal galt, positioniert sich seit Kriegsbeginn als entschlossener Hardliner und fiel häufig mit ausfallenden Schimpftiraden gegenüber der ukrainischen Regierung auf. Die Ukraine hatte im vergangenen Jahr ihrerseits angekündigt, keine Gespräche mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, sondern erst mit einem Nachfolger führen zu wollen.

Anlass der Ankündigung war die russische Annexion von vier besetzten ukrainischen Regionen. Eine entscheidende Rolle im Hinblick auf mögliche Verhandlungen dürfte die Ankündigung jedoch nicht spielen: Die zentrale Forderung der Ukraine für die Aufnahme von Gesprächen ist ein vollständiger russischer Truppenabzug von besetzten Gebieten.

Ukraine will 48 F-16-Kampfjets, Japan verhängt neue Sanktionen

Weitere Ereignisse des Tages:

  • Bei den nächtlichen russischen Luftangriffen ist nach Angaben des ukrainischen Präsidialamts ein Öllager am Stadtrand von Charkiw im Nordosten des Landes getroffen worden. Charkiw liegt nahe der russischen Grenze und ist besonders häufig Ziel von Beschuss.
  • Der Gouverneur der russischen Grenzregion Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, hat von erneutem ukrainischem Beschuss in der Region berichtet. Ziel der angeblichen Angriffe sei unter anderem das Grenzdorf Kosinka gewesen – das Anfang der Woche Schauplatz eines Grenzübertritts proukrainischer russischer Freiwilligenverbände gewesen ist.
  • Im südrussischen Krasnodar sollen nach Angaben der Regionalregierung zwei Drohnen für Explosionen in der Stadt verantwortlich sein, bei denen niemand zu Schaden kam. Die Stadt liegt etwa 180 Kilometer östlich der besetzten Halbinsel Krim. 
  • Die Ukraine hat den Bedarf an F-16-Kampfjets, deren Lieferung nach der Zusage westlicher Länder, Piloten an ihnen auszubilden, als wahrscheinlich gilt, erstmals genau beziffert: Vier Geschwader oder 48 der Maschinen würden benötigt, teilte das Verteidigungsministerium in Kiew mit.
  • Japan hat neue Sanktionen gegen Russland verhängt. Das Vermögen von 102 Einzelpersonen und Organisationen werde eingefroren, Exporte an 80 russische Organisationen mit Verbindungen zum Militär würden verboten, wie die japanische Regierung verkündete. Zuvor hatte sie die Stationierung russischer Atomwaffen in Belarus und atomare Drohungen Russlands verurteilt.
  • Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA, Rafael Grossi, will dem UN-Sicherheitsrat offenbar am Dienstag einen Schutzplan für das russisch besetzte Atomkraftwerk Saporischschja vorlegen. Das berichtete die Nachrichtenagentur AFP unter Verweis auf die IAEA. Gespräche über eine Entmilitarisierung des besetzten Kraftwerks blieben bislang erfolglos.

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