Überraschende Wende im Rahmen welcher Hamburger U-Bahn-Planung

Ohne Stopp zwischen Hamburg Hauptbahnhof und Bahnhof Dammtor – die geplante U-Bahnlinie U5 wird nun doch nicht über den Jungfernstieg führen. Aus Sicht der Verkehrsbehörde bringt das nur Vorteile.
Der Bau der U-Bahn-Linie U5 in Hamburg ist das größte U-Bahn-Projekt in Deutschland. Und mit einem Kniff sollen jetzt sogar bis zu 315.000 Fahrgäste täglich die neue Linie nutzen, die 2040 auf voller Strecke fahren soll. Erstaunlich ist dabei: Möglich macht das eine neue Streckenführung, die einen der beliebtesten Punkte für Touristen außen vor lässt, den Hamburger Jungfernstieg.
Anders als seit Jahren geplant, soll die Linie U5 den Jungfernstieg – gelegen mitten in der Innenstadt in allerbester Alsterlage – nicht bedienen. Das haben Hamburgs Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) und der Chef der Hamburger Hochbahn, Robert Henrichs, verkündet. Für viele Hamburger ist das eine überraschende Wende. Denn bisher war der Jungfernstieg als Halt auf der mehr als 20 Haltestellen umfassenden Strecke gesetzt.
Der Grund war allerdings nicht die herausgehobene Lage des Jungfernstiegs. Es ging um Sicherheitsbedenken für die Haltestelle Hauptbahnhof Nord. Dort, so die bisherigen Annahmen, würden zu viele der Innenstadtpendler aus der Linie U5 aussteigen, wenn es nicht noch zusätzlich den Halt am Jungfernstieg geben würde. Konkret hieß es: Ohne den Halt am Jungfernstieg stiegen am Hauptbahnhof in der Rush-Hour 23.000 Menschen aus der U5 aus. Die maximale Belastung liegt jedoch bei 22.000 Fahrgästen pro Stunde, um im Notfall die Station evakuieren zu können. Neue Berechnungen zeigen nun: Ohne einen U5-Halt am Jungfernstieg ist mit höchstens 21.000 Fahrgästen pro Stunde zu rechnen. Deshalb kann der Halt entfallen.
Die U5 wird also künftig vom Hauptbahnhof Nord direkt bis zum Stephansplatz fahren. Die Haltestelle liegt am westlichen Außenrand der City, ist deshalb für den Direktausstieg in die Innenstadt unattraktiv. Aber: Die Variante, die intern schon seit Jahren den Namen „schnelle Sekante“ trägt, weil sie die Fahrtzeit auf der Linie U5 kürzer macht als mit dem Schlenker über den Jungfernstieg, habe auch für die Jungfernstiegpendler Vorteile, erklärten Tjarks und Henrich.
Konkret liegt die Zeitersparnis allein durch den Wegfall des Haltes bei etwa 90 Sekunden. Wer aber etwa am Jungfernstieg bis an die Oberfläche gelangen möchte, spart noch mehr Zeit, wie Henrich vorrechnete. Denn: Der Ausstieg aus der U5 wäre im Geschoss -4 unterhalb der Binnenalster realisiert worden. Mit dem Umstieg aus der U5 in die U1 am Stephansplatz oder in die U2/U4 am Hauptbahnhof – was jeweils am gleichen Bahnsteig möglich sein wird – landen die Fahrgäste am Jungfernstieg in höheren Stockwerken an. Sie sparen also Wegezeit.
Die U1 etwa fährt auf Geschoss -1 am Jungfernstieg ein. Die Zeitersparnisse würden noch mehr Menschen zum Umstieg auf die U5 bewegen, glauben Henrichs und die Berechnungen der Hochbahn. Deshalb steigen die Fahrgastzahlen nach oben – allgemeine Effekte, wie die wachsende Stadt und das Deutschlandticket spielen aber auch eine Rolle.
„Die optimierte neue Linienführung durch die Innenstadt bringt bessere Umstiege zu anderen Linien und eine schnellere Reisezeit mit sich und spart Baukosten ein, ohne dass es zulasten der Qualität der Gesamtstrecke geht“, sagte Tjarks. Die Ersparnisse im Bau bezifferte Henrich auf rund 130 Millionen Euro. Auf die Bauzeiten wird die Planänderung nach aktueller Einschätzung von Klaus Uphoff, dem technischen Geschäftsführer der U5 Projekt GmbH, kaum Auswirkungen haben. Während die Bauarbeiten für die Strecke unter der Alster schneller gehen würden, werde sich die Zeit, an der am Halt Stephansplatz gebaut werde, verlängern.
Denn mit der Umplanung soll die Haltestelle Stephansplatz verlegt werden. Bisher liegt sie zwar in der Nähe des Bahnhofs Dammtor, der Anschluss an die S-Bahn, an Regionalbahnen und den Fernverkehr bietet. Der Fußweg beträgt aber einige Minuten. Die Mobilitätsplattformen zeigen ihn deshalb in der Regel nicht als Umstiegsmöglichkeit an, sondern schicken Reisende und Pendler für Umstiege bis zum Hauptbahnhof. Das soll sich nun ändern, die U-Bahn-Haltestelle näher an den Bahnhof heranrücken. Ob dann auch eine Umbenennung des Haltes Stephansplatz in Bahnhof Dammtor anstehe, sei bisher nicht diskutiert worden, sagte Tjarks. Jedenfalls werde damit der Dammtorbahnhof als Umstiegsmöglichkeit aufgewertet. „Wir rechnen damit, dass fast 30.000 Leute täglich auf die Fernbahn und die S-Bahn umsteigen werden“, sagte Tjarks. Das wiederum entlaste den chronisch überlasteten Hauptbahnhof.
Im September 2022 war mit dem Bau der U5 begonnen worden. Die Pläne für eine U-Bahn-Linie, die unter anderem die Stadtteile Bramfeld oder Stellingen anfährt, reichen zum Teil bis ins Jahr 1950 zurück. Auf einer Strecke von 25 Kilometern soll die U5 von 2040 an von Ost nach West durch die Stadt führen. Dabei verbinde sie unter anderem Bramfeld, die City Nord, Uhlenhorst, die Universität, Hoheluft, das Universitätsklinikum Eppendorf und die Arenen im Volkspark in Stellingen.
Aus der Opposition gab es unterdessen Kritik an der Veränderung an der Streckenführung. Mit dem Wegfall der U5-Haltestelle am Jungfernstieg erreiche die Haltestelle am Hauptbahnhof ihre Kapazitätsgrenze, mahnte Heike Sudmann, verkehrspolitische Sprecherin der Links-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft. „Mehr Fahrgäste können nicht sinnvoll bewältigt werden. So sieht doch keine zukunftsfähige Planung aus.“ Für sie sei es auch kaum zu glauben, dass sich bei der „neuen Doppelhaltestelle am Stephansplatz alle bisherigen Probleme in Luft auflösen.“ Bisher hatte man den bahnsteiggleichen Umstieg an der Haltestelle aus baulichen Gründen ausgeschlossen. Der leichte Umstieg ist aber nun eins der Hauptargumente, warum Pendler nicht einfach mit der U5 bis zum Hauptbahnhof durchfahren, sondern am Stephansplatz in die U1 umsteigen und bis zum Jungfernstieg fahren.
Redakteurin Julia Witte genannt Vedder arbeitet in der Hamburg-Redaktion von WELT und WELT AM SONNTAG. Seit 2011 berichtet sie über Hamburger Politik. Einer ihrer Schwerpunkte ist die Verkehrspolitik.
Source: welt.de