Übernahmekampf: Unicredit-Aktie holt zur Commerzbank hinauf
Mit Blick auf ihren Großaktionär Unicredit, der fast 30 Prozent an der Commerzbank hält und das zweitgrößte börsennotierte deutsche Kreditinstitut gegen den Willen von Vorstand und Belegschaft gern komplett übernehmen würde, wirkt die Commerzbank wie eine Getriebene. An diesem Donnerstag legt sie ihre Geschäftszahlen für das dritte Quartal vor, und die wohl entscheidende Frage ist, wie gut diese ausfallen müssen, um dem etwas ins Trudeln geratenen Aktienkurs wieder Auftrieb zu geben.
Nach den durchschnittlichen Prognosen der Analysten, die von der Bank ein Stück weit beeinflusst werden und die sie auf ihrer Homepage veröffentlicht, wird die Commerzbank für das dritte Quartal 2025 ein Ergebnis von 659 Millionen Euro erzielen. Nach einem starken ersten Halbjahr würde sie damit ihren Konzerngewinn nach neun Monaten im Jahr 2025 auf nahezu zwei Milliarden Euro steigern. Darin sind Restrukturierungsaufwendungen – etwa Abfindungen und Vorruhestandsgelder zum Abbau von 3300 Stellen – von 400 Millionen Euro im ersten Halbjahr und geschätzt 49 Millionen Euro im dritten Quartal verkraftet. Nach einem ersten Halbjahr 2025 auf Vorjahresrekordniveau hatte der Vorstand die Jahresprognose auf 2,9 Milliarden Euro von und 2,4 Milliarden Euro nach Restrukturierungskosten leicht erhöht. Damit würde die Commerzbank zumindest unter Herausrechnung der nur einmalig anfallenden Kosten 2025 das Konzernergebnis des Jahres 2024 von 2,68 Milliarden Euro übertreffen. Es wäre ein Rekord in der Firmengeschichte.
Was den Konzerngewinn treibt
2025 treibt den Konzerngewinn, dass die Belastungen aus Franken-Krediten bei der polnischen Tochtergesellschaft M-Bank abnehmen. Nach den von der M-Bank Ende Oktober für das dritte Quartal vorgelegten Zahlen sanken sie um 53 Prozent gegenüber dem Vorjahr, aber nicht ganz so stark wie erwartet. Das kann ein schlechtes Omen für die Commerzbank-Konzernzahlen sein – zumindest wird die Luft immer dünner, um positiv zu überraschen. Wachstumsinitiativen wie die von der M-Bank am Dienstag angekündigten Dekarbonisierungsdarlehen für die polnische Wirtschaft wirken bestenfalls mittelfristig. Dagegen ist kurzfristig zu befürchten, dass nach drei Jahren Rezession in Deutschland der eine oder andere Kredit mehr Risikovorsorge benötigt. Analysten kalkulieren für das dritte Quartal mit 215 Millionen Euro Risikovorsorgebedarf und mit weniger als 800 Millionen Euro im Gesamtjahr – beide Werte lägen damit in etwa auf Vorjahresniveau und scheinen eher negatives Überraschungspotential zu bergen.

Doch spätestens seit Einstieg des ungeliebten Großaktionärs Unicredit im September 2024 haben sich die Anleger daran gewöhnt, dass der Commerzbank-Vorstand um die Vorsitzende Bettina Orlopp mit seinen Geschäftszahlen die Erwartungen übertrifft. Die ungleich größere italienische Bank hat am 22. Oktober ihre Geschäftszahlen vorgelegt, und die fielen besser aus als erwartet. Statt wie von Analysten zuvor mit 2,4 Milliarden Euro prognostiziert, betrug Unicredits Nettogewinn im dritten Quartal 2,6 Milliarden Euro: Allein die Münchner Tochtergesellschaft Hypo-Vereinsbank (HVB), mit der die Commerzbank zusammengeführt werden soll und bei der das konzernweite Investmentbanking mitverbucht wird, verdiente 535 Millionen Euro. Die Kosten-Ertrags-Quote der HVB betrug hervorragende 39 Prozent, die Eigenkapitalrendite 22 Prozent. Bei beiden Werten kann die Commerzbank nicht mithalten: Sie musste im ersten Halbjahr 56 Cent aufwenden, um 100 Cent zu erlösen, und auf ihr Eigenkapital erhielten Aktionäre eine Rendite von 11 Prozent – vor Restrukturierungskosten.
Diese unterschiedliche Ertrags- und Effizienzlage bleibt an der Börse nicht folgenlos. In den vergangenen zwölf Monaten hat die Commerzbank-Aktie – getrieben von den Käufen Unicredits und der Übernahmespekulation – um 93 Prozent zugelegt, die Aktie der italienischen Bank stieg „nur“ um 51 Prozent. Wählt man indes einen kürzeren Zeitraum, liegen beide Aktien mehr oder weniger gleichauf. In den vergangenen sechs Monaten hat die Unicredit-Aktie 22 Prozent zugelegt, in den vergangenen drei Monaten fast zwei Prozent verloren. Die Commerzbank-Aktie schlägt stärker aus, sie hat in den vergangenen sechs Monaten 31 Prozent zugelegt, aber (Stand Dienstagmittag) in den vergangenen drei Monaten vier Prozent verloren, doppelt so viel wie Unicredit.
Die vorherige Kursentwicklung beider Banken dürfte eine große Rolle spielen, sollte es zu einem Übernahmeangebot kommen. Investmentbanker vermuten, dass Unicredit einen Teil des Kaufpreises für die Commerzbank in eigenen Aktien zahlen will, einen anderen Teil durch den Verkauf neuer eigener Aktien (Kapitalerhöhung). Wie groß der eine und der andere Finanzierungsbestandteil sein wird, dafür ist die relative Kursentwicklung beider Banken wichtig.
Source: faz.net