Überfälle auf mutmaßliche Neonazis: Muss Lina E. acht Jahre ins Gefängnis?

Solidaritätsplakat für die Angeklagte vor dem Oberlandesgericht in Dresden

Solidaritätsplakat für die Angeklagte vor dem Oberlandesgericht in Dresden


Foto: Arvid Müller / IMAGO

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Sie wolle nichts zum Verfahren, nichts zu den Vorwürfen sagen, äußerte Lina E. am Mittwoch, ganz am Ende des Prozesses vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Dresden. »Mein letztes Wort in diesem Prozess soll Danke sein«, sagte sie stattdessen. Die 28-Jährige bedankte sich am 97. Tag des Prozesses bei ihrer Familie, bei Freundinnen und Freunden, Unterstützerinnen und Unterstützern für die Solidarität, die sie seit zweieinhalb Jahren erfahre. Die drei Mitangeklagten – Lennart A., Jannis R. und Philipp M. – machten von ihrem Recht auf ein letztes Wort keinen Gebrauch.

Die Bundesanwaltschaft wirft Lina E. und den drei Männern Mitgliedschaft in einer linksextremen kriminellen Vereinigung und Angriffe auf tatsächliche und vermeintliche Neonazis in Sachsen und Thüringen vor. Nur Lina E. sitzt – seit November 2020 – in Untersuchungshaft.

Laut Anklage soll die Studentin die linksextreme Vereinigung zusammen mit ihrem untergetauchten Verlobten, Johann G., angeführt haben. Die Taten bewegten sich im Grenzbereich zum Linksterrorismus, und mindestens ein Angriff komme einem versuchten Tötungsdelikt recht nahe, trug Oberstaatsanwältin Alexandra Geilhorn im April in ihrem Plädoyer vor. Eine Freiheitsstrafe von acht Jahren hat die Bundesanwaltschaft für Lina E., mehrjährige Haftstrafen für die Mitangeklagten gefordert.


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Die Verteidigung konterte mit dem Vorwurf, die Bundesanwaltschaft sei von einem »unbedingten Willen zu Verurteilung« getrieben. Lina E. sei in nahezu allen Anklagepunkten freizusprechen, forderten ihre Anwälte Mitte April in ihrem Schlussvortrag. Die Beweisaufnahme habe den Nachweis der Existenz einer kriminellen Vereinigung nicht erbracht.

An diesem Mittwoch erfolgten die letzten Plädoyers. Die Verteidigung von Philipp M. forderte Freispruch für ihren Mandanten. Für den Überfall auf eine Neonazikneipe in Eisenach habe er ein Alibi, den Nachweis seiner Beteiligung an einem Angriff auf Rechtsradikale im sächsischen Wurzen habe die Beweisaufnahme nicht erbracht. Der Bundesanwaltschaft warf die Verteidigung einseitige Ermittlungen vor. Sie appellierte an den Senat, die Ergebnisse der Hauptverhandlung unvoreingenommen zu würdigen und sich von etwaigen Vorfestlegungen freizumachen.

Das Urteil soll am kommenden Mittwoch, am 31. Mai, fallen. Der Vorsitzende Richter, Hans Schlüter-Staats, kündigte an, dass die Urteilsverkündung mehrere Stunden dauern werde.

Sicherheitsbehörden befürchten, dass es nach dem Urteil zu Ausschreitungen kommen könnte .