Übergewinnsteuer | Pedro Sanchez traut sich, Olaf Scholz zaudert: Besteuert endlich die Kriegsgewinnler!

Spanien und Italien machen es vor, die Ampel-Koalition redet sich mit dem „Standort“ raus: Dabei ist es das Mindeste, Krisengewinne von Öl- und Rüstungsfirmen abzuschöpfen

Der spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez (PSOE) hat es letzte Woche im Parlament angekündigt: Die „Kriegsgewinne“ von Banken und Energiekonzernen in Spanien sollen zusätzlich besteuert werden. In den Meldungen über diese bahnbrechende politische Entscheidung wurde auf dem Nachrichtenportal der ARD-Tagesschau oder im Spiegel „Kriegsgewinne“ vorsichtshalber mit Anführungsstrichen versehen. Als fühlten sie sich verpflichtet, etwas Fragwürdiges an dem Anlass des Beschlusses zu signalisieren: die spekulativen Kriegsgewinne halt. Anfang Juli noch hatte der Bundesrat die Initiative von Berlin, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen „zur Besteuerung sogenannter Übergewinne“ abgelehnt.

Tatsächlich hat sich der spanische Regierungschef letzte Woche mit seiner Initiative einer zunächst zweijährigen Sondersteuer profiliert. Das hatte der PSOE-Politiker nötig, aber zumindest brachte Sanchez den notwendigen Mut auf: „Das Leiden vieler“ dürfe nicht „der Gewinn Einzelner“ sein, sagte er in der Debatte zur Lage der spanischen Nation im Madrider Parlament. Diese steuerlichen Mehreinnahmen sollen zukünftig den „Arbeitern und der Mittelschicht zugutekommen“.

Die Ampel will die Hand nicht beißen, die sie füttert

Westliche Kriegsgewinner in der Wirtschaft zur Kasse zu bitten, ist für das politische Establishment in Deutschland ein rotes Tuch. Die üblichen Apologeten der Deutschland AG, die in ihrer derzeitigen Neuauflage besondere Rücksicht auf unter der Last immenser Profite ächzender Unternehmen wie Exxon, Chevron oder Shell nehmen müsse, sehen das große Ganze. Und diese ganz große Politik beißt in Deutschland ungern die Hand, die sie füttert. In der farblichen Mitte der Ampelkoalition wurde sofort argumentiert, eine Besteuerung der Übergewinne mache „den Standort Deutschland kaputt“. In der Farbpalette der Ampel blinkt das Licht inzwischen vor allem für mehr Militäranstrengungen grün, oben ist die rote Birne lange defekt. In Deutschland scheint das Motto zu sein: „Der Gewinn Einzelner wird eines schönen Tages gütig auf das Leiden Vieler herabrieseln“.

Meine katalanische Großmutter wäre nicht unbedingt über meine Zustimmung für die Maßnahmen der spanischen Zentralregierung begeistert. Tatsächlich stehen den möglichen steuerlichen Einnahmen aus den Kriegsgewinnen von Geldinstituten und Energiekolossen in Höhe von bis zu 3,5 Milliarden Euro im spanischen Haushalt drei- bis vierfach so hohe Mehrausgaben für Rüstung und die Armee gegenüber, zu denen sich der spanische Premierminister während des letzten Nato-Gipfels in Madrid verpflichtet hat. Dass dieselbe EU, die auf Geheiß der Vereinigten Staaten einen Regimewechsel in Venezuela mitgetragen hat und forcieren wollte, nun das Doppelte für Diesel und Benzin oder das Zehnfache für Gas zahlen muss, weil sie einem Regimewechsel in Europa widerstehen will, entbehrt nicht einer bitteren Ironie.

Jeder Tag, den der Krieg länger dauert, der das Leid der Ukrainer, die Verarmung der Europäer und die Verelendung der Dritten Welt verlängert, ist ein Bombengeschäft für die Gas- und Mineralölkonzerne und die Rüstungsindustrie der Vereinigten Staaten. Während der russische Präsident Wladimir Putin die Ukraine brutal erobert, sichert sich der amerikanische Präsident Joe Biden zynisch den europäischen Energiemarkt für seine Klientel in den fossilen Energiefirmen. „Der rote Pedro“ macht zumindest ein Pflaster auf die offene Wunde der spanischen Bevölkerung. Deutschland hingegen traut sich nicht, sondern versucht die Energiekrise artig und marktwirtschaftlich linientreu auszusitzen.

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