TW Summit: „Es braucht den Willen zur Transformation“

Petra Scharner-Wolff, Konzern-Vorständin Finanzen, Controlling, Personal und Designierte CEO der Otto Group

Die Branche ist im Krisenmodus – immer noch. Die gelernten Geschäftsmodelle taugen nur noch bedingt für die Herausforderungen der heutigen Zeit. Es ist Zeit für neue Wege und neue Strategien. Zu den wichtigsten Zutaten gehören Transformation und Consumer Centricity und der Wille zur Veränderung. Das sind einige der wichtigsten Learnings des TW Summits.

Wie kommt die Modebranche wieder zu Wachstum, wie kann sie sich dem Wettbewerb der neuen Player stellen und taugen die bisherigen Strategien für die Zukunft? Um diese Fragen drehte sich der TW Summit mit gut 120 Teilnehmenden in Düsseldorf. Auf der Bühne in den Elegant Elephant Studios auch die designierte CEO der Hamburger Otto Group, Petra Scharner-Wolff. „Wir sind im Krisenmodus und das ist der neue Normalzustand“, sagt sie und zeichnet damit ein auf den ersten Blick düsteres Bild der Branche.

Nach dem Boom in den Corona-Jahren erlebte auch die Otto Group einen heftigen Einbruch. Das Kaufverhalten hat sich drastisch geändert, die Konsumenten sind preisbewusster. „Wir brauchen Liquidität, um diese Phase zu überstehen“, sagt Scharner-Wolff und spricht damit ein Problem des Großteils der Player im deutschen Modemarkt an. Woher soll Liquidität kommen, was muss sich an den Geschäftsmodellen ändern? Ein Teil der Lösung: die Daten. Daten auslesen und sie in Handlungen übersetzen, ist in der heutigen Zeit Pflicht.
Wer das beherzigt, merke schnell, dass die Konsumenten zwar preisbewusst sind, aber nicht zwangsläufig das Billigste wollen. „Die Kundinnen und Kunden sind aufgeklärt und sehr gut vorbereitet“, hat auch Claudia Denzel, Retail Director von Google, festgestellt. So seien heute die Suchanfragen über die Plattform deutlich differenzierter und umfangreicher. „Es wird nicht das rote Kleid gesucht, sondern das rote Kleid im Bohoo-Style für die Hochzeit auf Kreta.“

„Standing out in a sea of sameness – wie Differenzierung den Modehandel (wieder-)beleben kann.“ Das war das Thema von Claudia Denzel, Retail Director, Google und Sandra Gille, Industry Manager Fashion, Google.

Um mehr über die Konsumenten zu erfahren, hat Google gemeinsam mit Kantar eine Studie zum European Fashion Retail 2024 aufgesetzt. Eines der Ergebnisse, die Konsumenten sind nicht mehr so markenloyal. Die Frage ist, wie langfristiges Wachstum gelingen kann, sagt Sandra Gille. Einer der Schlüssel sei Differenzierung, so die Industry Manager Fashion bei Google. Und darin liegt einer der Knackpunkte: Nicht einmal jeder dritte Modehändler in Deutschland werde laut Studie als differenziert angesehen. Am besten gelingt das in den Niederlanden, dort liegt der Differenzierungsgrad bei 35%.

Eines der am höchsten eingeschätzten Differenzierzungsmerkmale ist „Chic“- was unter anderem für den Handel bedeutet, Trendsetter zu sein, Interesse durch exklusive  Releases zu wecken und häufige Sortimentswechsel vorzunehmen. 29% der Deutschen ist das Merkmal „Chic“ wichtig. 41% des deutschen Modehandel gelinge das bereits. „Das dürften noch ein paar Prozent mehr sein“, so Gille. Scharner-Wolff sieht das ähnlich, wenn sie sagt, die Otto Group müsse noch viel stärker an der Kuratierung arbeiten und ein gutes Umfeld für die Marken schaffen. „Es braucht den Willen zur Transformation und den Mut, neue Trends zu testen.“

Primark-CEO Paul Marchant im Gespräch mit TW-Ressortleiter Jörg Nowicki.

Auch klar umrissene und eindeutig positionierte Geschäftsmodelle können helfen, sich klar abzugrenzen. Das ist die Überzeugung von Primark-CEO Paul Marchant. „Wir sind überzeugt, dass Menschen physische Shopping-Erlebnisse lieben.“ Das komplette Geschäftsmodell des Fashion Discounters ist auf Effizienz ausgelegt und es klingt schon fast stolz, wenn Marchant sagt, „wir operieren eher wie ein Supermarkt als wie ein Modehändler“.

Und kommt so auch auf besser Margen wie sie der Multilabel-Handel in Deutschland hat. Klaus Harnack, Generalmanager bei H+P, rechnet das so vor: Der Händler-Durchschnitt im H+P-Panel hat in den Jahren 2019 bis 2023 beim Umsatz nominal ein Pari erzielt, real war es aber ein Verlust von 17%. Die Ebitda-Marge lag bei 5%. Inditex hat im gleichen Zeitraum ein Erlösplus von 27% erwirtschaftet und eine Ebitda-Marge von 28%. Also setzte der Multilabel-Handel alles daran, den Rohertrag zu verbessern. Das half auch. Aber: „Die Rohertragsverbesserung fängt noch nicht einmal ein Viertel der gestiegenen Kosten auf“, sagt Harnack. Der Schlüssel sei eine besseres In-Season-Management.

„Unser Prozessmodell kommt aus der Steinzeit“, betont auch Michael Simon, CEO von Olsen. Die Zeitabläufe seinen viel zu lange. „600 Tage von den ersten Entwürfen der Designer bis zum Produkt, das kann sich doch keiner leisten“. Die Lösung sind Technologien, die Unternehmen befähigen, schneller, effizienter und kostengünstiger zu operieren. Die Industrie genauso wie den Handel. „Das Gute daran: Es gibt diese Technologien und gemeinsam können sie auch von beiden Seiten genutzt werden“, so Hans-Peter Hiemer, Geschäftsführer von Assyst.

TW-Chefredakteure Michael Werner und Bettina Billerbeck eröffneten den TW Summit.

Fast Hand in Hand mit der Transformation geht auch der Kulturwandel. Das konnten auch Mark Rauschen, Geschäftsführer von L&T, und Daniel Reid, seit Kurzem Geschäftsführer von Wormland, berichten. Der HAKA-Filialist gehört seit einigen Monaten zu den Osnabrückern. Auch wenn das Unternehmen eigenständig geführt werden soll, könnten beide voneinander lernen. „Wormland hat eine hohe Produktkompetenz, die L&T-DNA soll daneben für eine ganzheitliche Customer Journey sorgen“, so Rauschen.  Und auch Reid, der bis vor Kurzem noch Personalleiter bei L&T war, betont, dass er einiges aus seiner Osnabrücker Zeit nun zu Wormland holen will: „Gastgeber sein, das ist ein L&T-Wert, den ich nun mitnehmen werde.“

Mit Kulturwandel zu tun, hat auch ein Generationswechsel, wie Justus Lebek und Bruno Zumnorde erzählen. Lebek steht für die vierte Generation bei dem DOB-Anbieter, Zumnorde für die fünfte Generation des Schuhhändlers. Beide haben den Schritt in die Familienunternehmen nicht bereut, beide führen aber anders als ihre Väter. Sie geben mehr Verantwortung in die Teams setzen stärker auf Eigenverantwortlichkeit.