TV-Großaktionäre im Clinch: Harmonie trotz Übernehmen-Konflikt wohnhaft bei ProSiebenSat.1

Zwei Großaktionäre, die sich nicht einig sind und konkurrierende Übernahmeangebote vorgelegt haben, bildeten die Grundlage der virtuellen Hauptversammlung des Medienkonzerns ProSiebenSat.1 . Zu einem verbalen Schlagabtausch kam es am Mittwoch jedoch nicht. Nur einer der beiden schickte einen Redner ins Rennen.

So blieb es bei einem Appell, den die Aktionärssprecherin Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung (DSW) für Wertpapierbesitz an die beiden Großaktionäre, die italienische Holding Media For Europe (MFE) und die tschechische Beteiligungsgesellschaft PPF, richtete: „Werden Sie sich einig!“ Denn die Streitereien zwischen zwei Großaktionären, sagte die DSW-Sprecherin, „haben immer nur einen Verlierer, das Unternehmen.“

So angesprochen, meldete sich der Investmentdirektor von PPF, Kasper Taczek, zu Wort. Er warb für das, wie er sagte „attraktive Barangebot“ von sieben Euro je Aktie, mit dem die Investmentfirma der Erben des Milliardärs Petr Kellner die eigene Beteiligung an ProSiebenSat.1 von 15 auf bis zu 29,9 Prozent aufstocken will. PPF werde seine Expertise „im Interesse aller Aktionäre“ einbringen und den Vorstand in der Transformation des Fernsehgeschäfts unterstützen. „ProSiebenSat.1 kann als eigenständiges, digitales Medienunternehmen erfolgreich sein“, sagte Taczek.

Das nicht ganz zufällig einstreute Wort „eigenständiges“ zeigt den Dissens von PPF mit MFE. Während PPF mit seinem Angebot nicht auf den Mehrheitserwerb aller ausstehenden Aktien zielt, strebt der von Pier Silvio Berlusconi geführte MFE-Konzern bekanntlich die volle Kontrolle an. Eines Tages soll ProSiebenSat.1 in ein großes, europäisches Fernsehunternehmen unter italienischer Führung eingebracht werden, lautet der Plan. Die Italiener, die mit einem Anteil von inzwischen mehr als 30 Prozent größter Aktionär von ProSiebenSat.1 sind, bieten mit einem rechnerischen Preis von 5,75 Euro je Anteilschein deutlich weniger als die Tschechen. Auch deswegen empfehlen Vorstand und Aufsichtsrat von ProSiebenSat.1 den Aktionären, das von der Berslusconi-Holding am 8. Mai vorgelegte Übernahmeangebot nicht anzunehmen. Nach Prüfung der Angebotsunterlage seien beide Gremien zu dem Schluss gekommen, dass das Angebot „aus finanzieller Sicht nicht angemessen“ sei, hatte das Unternehmen vor zehn Tagen mitgeteilt.

In der Hauptversammlung erneuerte der scheidende Aufsichtsratsvorsitzende Andreas Wiele seine Kritik am Vorgehen der Italiener. Das unzureichende Übernahmeangebot von MFE ziele nur darauf ab, dass sich „ein Aktionär in die Kontrolle des Unternehmens schleichen“ könne, sagte der frühere Vorstand der Axel Springer SE: „In der Fachsprache heißt das nicht umsonst ‚Creeping in Control’.“ Wiele empfahl der neuen Bundesjustizministerin Stefanie Hubig sich an den Regeln wie in Großbritannien zu orientieren, wonach ein Investor bei Überschreiten der 50-Prozent-Schwelle allen Aktionären ein Übernahmeangebot unterbreiten müsse.

Schuldenlast soll reduziert werden

Wiele hatte bereits im Januar seinen Rücktritt erklärte – mangels Rückhalt im eigenen Aufsichtsrat. Mit der ehemaligen Disney-Managerin Maria Kyriacou steht eine Kandidatin für seine Nachfolge bereit. Auch in dieser Personalie spiegelt sich der Konflikt der beiden Großaktionäre wider. Während PPF von Anfang an ausdrücklich die Wahl Kyriacous unterstützte, sprach sich MFE im Vorfeld dagegen aus. Mit ihrer mutmaßlichen Hauptversammlungsmehrheit hätten die Italiener Kyriacou womöglich verhindern können. Gewählt wurde sie dann aber doch mit überraschend großer Mehrheit von 98,4 Prozent, weil offensichtlich auch MFE zugestimmt hatte. Später ließen die Italiener eine schriftliche Erklärung folgen: „MFE stimmte konsistent mit dem Ziel, die langfristige Wertsteigerung und klare Fokussierung von ProSiebenSat.1 auf das Entertainment-Geschäft mit europaweiter Reichweite fortzusetzen“, hieß es.

Schon vor einigen Wochen waren sich MFE und PPF einig, als sie den Vertrag von ProSiebenSat.1-Chef Bert Habets verlängerten. Der seit fast drei Jahren amtierende Holländer in Diensten der Bayern verteidigte in der Hauptversammlung abermals seine Strategie, sich „voll und ganz auf Entertainment“ zu konzentrieren. Nach der Veräußerung des Vergleichsportals Verivox werde sich das Management weiter von Randaktivitäten trennen, etwa von dem Online-Kosmetikhändler Flaconi: „Wir werden diesen Weg fortsetzen und uns dabei auf den Verkauf von gut performenden, nicht zum Kerngeschäft gehörenden Beteiligungen konzentrieren, wie zum Beispiel Flaconi.“ Mit den Verkäufen soll die Schuldenlast von fast 1,5 Milliarden Euro reduziert werden. Zudem streicht der Vorstand 430 Vollzeitstellen. Dies sei wichtig, um ProSiebenSat.1 im Umfeld von Rezession und einem schwachen Werbemarkt eine schlankere und wettbewerbsfähige Struktur zu verpassen, sagte Habets.

Wie der Vorstand unter dem Einfluss der beiden Großaktionäre weiterarbeiten kann, bleibt offen. Insbesondere die Italiener hatten in der Vergangenheit immer wieder Kritik am Management geübt. Chefaufseher Wiele gab der Berlusconi-Holding zum Abschied noch einen letzten Rat: „Der Aufsichtsrat ist das adäquate Gremium, in dem mit dem Vorstand über die richtige Strategie und neue Ideen für unser Unternehmen diskutiert und entschieden werden sollte – nicht die Öffentlichkeit.“