TUI beklagt „sieben teure Monate“ durch den Reisefonds

Die Urlaubssaison naht, und bei Sebastian Ebel, dem Vorstandschef des Reisekonzerns TUI , schwindet die Geduld. In einem Beitrag im Online-Netzwerk Linkedin beklagt er „sieben teure Monate“ für die deutsche Reisebranche und für Verbraucher – und „sieben Monate Stillstand“. Die eigenen Buchungszahlen, über die TUI an diesem Mittwoch berichtet, meint Ebel nicht, ihm geht es um die Kosten für den Deutschen Reisesicherungsfonds (DRSF).

In den müssen Reiseveranstalter einzahlen, damit sich der DRSF im Notfall – wie nach der Insolvenz des Anbieters FTI 2024 – um betroffene Pauschalreisekunden kümmern kann. Ebel ist der Ansicht, dass der Fonds mehr Geld als nötig hat und unverändert weiter kassiert. „Das Zielvermögen ist längst erreicht. Genau deshalb fordern viele in der Branche seit Monaten, neue Entgelte auszusetzen“, schreibt er. Erstmals hatte er das Thema 2024 angesprochen, nun sollten zum 1. Juli die Einzahlpflichten gestoppt werden.

Für seinen Vorstoß erntet Ebel Beifall. Eine der ersten Reaktionen unter dem Linkedin-Post kommt von Christoph Debus, dem Chef von Dertour, der Nummer zwei hinter TUI auf dem deutschen Reisemarkt. Mit dem Regierungswechsel in Berlin sei „der richtige Zeitpunkt“ für eine Revision des DRSF erreicht. Dertour sei dazu bereit. Und Marija Linnhoff, die Vorsitzende des Reisebüroverbands VUSR, lobt die „Klarheit und Entschlossenheit“ in Ebels Worten.

„Der Fonds ist randvoll“

Der TUI-Chef beklagt, dass seit dem Bruch der Ampel-Koalition sieben Monate Zeit verstrichen seien. „Es ist sehr ärgerlich, dass über die Entgelthöhe noch nicht entschieden wurde“, sagt Ebel. TUI hatte schon dem ehemaligen Bundesjustizminister Frank Buschmann (FDP) dazu geschrieben und gemahnt, der Fonds – ein Instrument zum Verbraucherschutz – dürfe nicht zur „Spardose“ werden. Nun lautet Ebels Diagnose: „Der Fonds ist randvoll.“

TUI und Co. müssen aber weiter ein Prozent ihrer Einnahmen einzahlen. „Ein Prozent des deutschen Pauschalreiseumsatzes klingt erstmal wenig. In der Summe ist es allein für TUI mindestens ein mittlerer zweistelliger Millionenbetrag pro Jahr“, sagt er. „Das sind Kosten, die über Reiseveranstalter zum Teil auf Verbraucher umgelegt werden müssen, oder den Veranstaltern auch für Investitionen fehlen.“

Einen Anhaltspunkt zum Füllstand des Fonds lieferte die Antwort der damaligen Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Unionsfraktion im Januar. Demnach waren durch Zahlungen von Reiseanbietern zu Jahresbeginn 836 Millionen Euro im Fonds, durch Abflüsse wegen der FTI -Insolvenz rechnete man bis März mit einem Rückgang auf 778 Millionen Euro. Der FTI-Gesamtschaden wurde auf 332 Millionen Euro taxiert, wovon nach Abzug der von FTI hinterlegten Sicherheiten 114,8 Millionen Euro zu Lasten des Fondsvermögens gingen.

„Man wird auch durch Passivität zum Mittäter“

Bei der Frage, ob der Fonds üppig ausgestattet sei, spielt das Zielkapital eine Rolle. Das soll gesetzlich 22 Prozent des deutschen Pauschalreiseumsatzes des größten Anbieters, also TUI, sowie eines weiteren mittleren Anbieters erreichen: 1,04 Milliarden Euro, wobei dafür zu 25 Prozent Kreditzusagen von Banken mitgerechnet werden dürfen. Ein Fondsvolumen durch Einzahlungen von 778 Millionen würde bei einem Zielkapital von rund einer Milliarde Euro etwa einen Kreditanteil von 25 Prozent bedeuten. Der Bund erklärte im Januar, der DRSF könne Vorgaben „nur knapp einhalten“.

Ebel beklagt, dass eine Entscheidung über Entgelte zwischen DRSF und Justizministerium als Rechtsaufsicht hin- und hergeschoben werde: Wenn aber einer Rechtsaufsicht die Möglichkeit, über Entgelthöhen mitzuentscheiden, zugebilligt werde, werde sie zur Co-Geschäftsführung – und somit gleichzeitig Geschäftsführung und Kontrolleur. „Ein Widerspruch in sich“, befindet Ebel auf Linkedin.

Aus seiner Sicht sind die Fondschefs in der Pflicht. „Ich sehe die Geschäftsführung des DRSF in der Verantwortung, die Entgelthöhen heute anzugehen, statt auf das Justizministerium zu verweisen. Wenn im Restaurant mein Essen nicht kommt, frage ich doch den Kellner, was nun passieren soll“, sagt er. Ebel mahnt in Richtung DRSF: „Man wird auch durch Passivität zum Mittäter.“

Der Fonds steht auch in der Kritik, weil fast ein Jahr nach dem FTI-Aus nicht alle Betroffenen Geld zurückerhalten haben. „Ich habe großen Respekt vor dem Arbeitsaufwand, den der DRSF nach der FTI-Insolvenz zu bewältigen hatte. Dass wir uns in Deutschland weiter eine Absicherung in Gold mit Sternchen leisten, verteuert Reisen“, sagt Ebel. „Die Pauschalreise bietet die beste Absicherung und damit den besten Verbraucherschutz, aber man darf sie nicht künstlich verteuern. Ein Modell wäre, den Kunden stärker wählen zu lassen, dann kann er sich aktiv für verschiedenen Stufen der Absicherung entscheiden.“

Beim DRSF sei nachzujustieren. „Kurzfristig geht es um die Entgelte, die sollten schon zum 1. Juli auf Null sinken“, sagt er. „Langfristig wünsche ich mir mehr Transparenz, zum Beispiel wie das Fondsvermögen zukünftig mit Rendite angelegt werden kann. Auch die Gesellschafterstruktur hinterfragen wir.“ Gesellschafter sind Verbände vom Deutschen Reiseverband mit großen Pauschalreiseanbietern über den Busreiseverband RDA bis zum Verband Internet Reisevertrieb, in dem Online-Plattformen organisiert sind.