Trump zwischen „60 Minutes“: Wieso fehlt die brenzligste Frage an den Präsidenten?

Alle Augen waren auf CBS gerichtet, als Donald Trump in der renommierten Nachrichtensendung „60 Minutes“ der Moderatorin Norah O’Donnell Rede und Antwort stand. Das war vor allem insofern bedeutsam, als die Eigentümerin Shari Redstone den Sender CBS und dessen Mutterkonzern Paramount gerade erst in einem schäbigen Deal dem Trump-Kumpel und Milliardär Larry Ellison beziehungsweise dessen Sohn David verkauft hat.

CBS zahlte Trump – um den Deal abzusichern – wegen eines angeblich „manipulierten“ Interviews mit Kamala Harris 16 Millionen Dollar und erklärte sich bereit, künftig vollständige Abschriften von politischen Interviews zu veröffentlichen. In drei unterschiedlichen Versionen machte CBS das Trump-Gespräch denn nun auch verfügbar – in einem halbstündigen Zusammenschnitt, der auf dem Sender und später auf Youtube lief, sowie ebendort in einer „erweiterten“ Fassung von 73 Minuten. Zudem wurde die Abschrift des Ganzen veröffentlicht. Diese hat sich, das zeigt sich im Nachhinein, gelohnt.

Norah O‘ Donnell fragt freundlich und klug

O’Donnell leitete das Gespräch mit Trumps Klage wegen des Harris-Interviews von vor einem Jahr ein, und mit der Bemerkung, dass CBS kein Schuldeingeständnis abgegeben habe. Das war eine wichtige Rahmensetzung. Norah O’Donnell ist eine versierte Journalistin mit einer mehr als 25 Jahre währenden Karriere.

Sie gab sich Trump gegenüber ebenso freundlich wie unnachgiebig und legte klugerweise keinen besonderen Wert darauf, sich möglichst taff zu präsentieren. Dass eine kämpferische Pose noch keinen guten Journalismus hervorbringt, mussten schon viele erfahren, die Trump gegenübersaßen und nicht selten krachend an ihm scheiterten, weil er schlicht kein Interesse an einem ernsthaften Gespräch hat und ein solches vielleicht auch gar nicht führen kann. Er will nur die Siegerpose.

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Was das heißt, war hier zu sehen: Trump antwortete auf Fragen nicht, wich aus, wechselte das Thema, übertrieb maßlos, verteilte Schuldzuweisungen und lobte sich selbst. O’Donnells Versuche, ihn zum Thema zurückzubringen, funktionierten manchmal, aber nicht immer; Trump unterbrach sie, fiel ihr ins Wort, schweifte aus und ignorierte ihre Bemühungen, ihn zu unterbrechen.

Sie setzt bei Trumps Ego an

Aber O’Donnell verstieg sich nicht in Diskussionen oder verrannte sich nicht in Faktenchecks. Sie setzte bei Trumps Ego an: „Sie haben enormen Druck auf den israelischen Ministerpräsidenten ausgeübt, um diesen Deal zustande zu bringen“, sagte sie, woraufhin sich Trump sichtlich geschmeichelt fühlte. Dann setzte sie nach: „Können Sie ihn auch dazu bringen, einen palästinensischen Staat anzuerkennen?“

Mehrfach leitete sie ihre Fragen mit einem vermeintlichen Kompliment ein, um dann nachzuhaken. Bisweilen wurde sie direkt: „Bei allem Respekt, Mister President, Sie reden schon seit 2015 davon, die Gesundheitsversorgung der Amerikaner zu verbessern. Aber wo ist der Plan?“ Eine Antwort bekam sie nicht, auch nicht auf die Frage, wie er die Hamas entwaffnen wolle. „Wenn ich sie entwaffnen will, mache ich das ganz schnell. Sie werden zerstört, und sie wissen das“, sagte er vage. Auf die Frage nach einem möglichen Krieg in Venezuela hieß es: „Das sage ich doch einem Reporter nicht, ob ich anzugreifen plane.“

„Das sage ich doch einem Reporter nicht“

Das befürchtete Softball-Interview war das nicht, auch wenn Trump, wie vor allem die Langfassung zeigt, ausgiebig salbadern durfte. Aber wer O’Donnells unbeirrten Fragen als Beweis dafür wertet, dass der befürchtete Kotau der neuen CBS-Führung vor Trump ausblieb, der ist womöglich zu optimistisch.

Denn wie sich herausstellt, ist auch die Langfassung des Gesprächs nicht das ganze Original. Erst beim Blick auf die Abschrift zeigt sich, was nicht zu sehen war. Zum Beispiel Trumps ungehaltene Antwort auf O’ Donnells Frage nach seiner Begnadigung des Gründers der Crypto-Plattform Binance, Changpeng Zhao. Dieser hatte sich schuldig bekannt, gegen Geldwäsche-Gesetze verstoßen zu haben; die Anklage hatte ihm illegale Transaktionen unter anderem zugunsten von Terrororganisationen wie der Hamas und Al Qaida vorgeworfen. Im November 2023 wurde Changpeng Zhao zu vier Monaten Haft verurteilt.

In diesem Jahr ermöglichte Binance einen Cryptodeal im Wert von zwei Milliarden Dollar für Trumps Cryptofirma World Liberty Financial. Ob Trump hier nicht den Anschein von Korruption befürchte, wollte O’ Donnell wissen. „Ich hätte bevorzugt, wenn Sie diese Frage nicht gestellt hätten“, sagte Trump laut Transkript. „Aber ich habe Sie sie stellen lassen.“ Und dann: „Ich hätte das Interview abbrechen können. Ich hätte diese Frage nicht beantworten müssen.“ Er wisse gar nicht, sagte Trump, wer Changpeng Zhao ist und worum es ging. Man habe ihm gesagt, er sei der „Regierungswillkür“ unter Joe Biden zum Opfer gefallen, deshalb habe er den ihm Unbekannten begnadigt.

Warum CBS dies aus der „erweiterten“ Fassung herausschnitt und darauf verzichtete, das vollständige Interview bei Youtube einzustellen – wie Trump das von CBS mit dem Kamala-Harris-Interview verlangt hatte – spricht Bände über den Einfluss, den der Präsident über seinen Freund und Förderer Larry Ellison auf Paramount, CBS und dessen journalistisches Programm zu haben scheint.

Der Minderheitenführer im US-Senat, Chuck Schumer, reagierte denn auch mit ätzender Ironie auf die Bearbeitung des Interviews, die ganz im Sinne trumps ausfiel. „Vielleicht sollte ich eine Beschwerde bei der Medienbehörde FCC gegen Trump für den Zusammenschnitt seines haltlosen ,60 Minutes“-Interviews einreichen“, schrieb Schumer auf X.

Source: faz.net