Trump in Großbritannien: Neue Maßstäbe im Egoschmeicheln

Man muss es der britischen Regierung lassen: In der neuen politischen Disziplin des Trump-Handlings hat sie in den vergangenen zwei Tagen neue Maßstäbe gesetzt. Beim Staatsbesuch des US-Präsidenten auf der Insel meisterte Premierminister Keir Starmer, im Zusammenspiel mit der königlichen Familie, den Dreikampf aus Ehrerbietung, Sachverhandlung und – Achtung, am gefährlichsten – abschließender Pressekonferenz nicht nur ohne Eklat, sondern auch noch mit eleganten B-Noten.

Bei der ersten Übung, der Ehrerbietung, half es natürlich, dass kein anderes Land zu einer solchen Egoschmeichelei des erklärten Anglophilen Trump in der Lage ist. Schon am Mittwoch war Trump sichtlich erfreut über das zeremonielle Höchstmaß, das ihm auf Windsor Castle zuteilwurde. Empfangen von Prinz William und Prinzessin Catherine, geleitet von König Charles III. und Königin Camilla, erlebte er einen Tag voller pomp and circumstance: Kutschprozession über das Schlossgelände, drei Garderegimenter im Aufmarsch im Innenhof, danach ein besonderer Zapfenstreich samt Überflug der Schauformation der Red Arrows – bevor der König am Abend zum Staatsbankett in der grandiosen St.-Georges-Halle des Schlosses bat. 

Mehr kann ein Staat nicht tun, um einen Staatschef froh zu stimmen. Und es wirkte. Es sei „eine der größten Ehren seines Lebens“ gewesen, als einziges Staatsoberhaupt überhaupt zum zweiten Mal zu einem Staatsbesuch nach London geladen worden zu sein, sagte Trump. Er sei dafür „für immer dankbar“.

Großbritannien soll das „Silicon Valley Europas“ werden

Offenbar sehr geschmeidig verlief denn auch an Tag zwei des Besuches: das Arbeitstreffen auf Keir Starmers Landsitz Chequers. Beide Seiten unterschrieben ein „Tech Prosperity“-Memorandum über mehrere Wirtschaftsabkommen, die für Milliardeninvestitionen auf der Insel sorgen sollen, vor allem durch amerikanische Techfirmen wie Microsoft, Palantir oder Google. Investitionen in Höhe von 250 Milliarden Pfund sollen in beide Richtungen über den Atlantik fließen, sagte Starmer, allein in Großbritannien entstünden dadurch 15.000 neue Jobs. Unter anderem wolle der Chipkonzern Nvidia einen neuen „Supercomputer“ bauen, der der KI-Branche auf der Insel weiteren Schub verleihen soll. Das werde im ganzen Land „viele Leben verändern“, sagte Starmer. Das Ganze läute eine „neue Ära“ in der special relationship ein: Großbritannien und die USA seien nicht nur die besten Partner in der Rüstungsindustrie, sondern ab jetzt auch in Zukunftstechnologien. 

Die Labour-Regierung möchte Großbritannien zum „Silicon Valley Europas“ machen, und die jetzt geschlossenen Abkommen dürften tatsächlich ein wichtiger Schritt auf dem Weg dorthin sein. Im Nordosten Englands, kündigte Keir Starmer an, sollten in Kooperation mit amerikanischen Firmen außerdem zwölf neue modulare Kernkraftwerke entstehen, die nach kurzer Genehmigungszeit nicht nur KI-Rechenzentren mit Strom versorgen sollen, sondern auch 1,5 Millionen Haushalte. Trump freute sich, dass die Verteidigungsindustrien beider Länder künftig noch enger zusammenarbeiten würden. 

So weit, so prächtig für Starmer, der solche Nachrichten dringend braucht. Denn der Labour-Chef sieht sich nicht nur aus seiner eigenen Parlamentsfraktion attackiert, sondern auch von der Straße, auf der zuletzt weit über 100.000 Demonstranten gegen die Regierung aufmarschierten. Starmers Zustimmungswerte sind im Keller, die Staatsfinanzen gefährlich klamm, und das Einzige, das Hilfe verspricht, ist Wirtschaftswachstum.

Blieb am Donnerstagnachmittag noch die schwierigste, weil am wenigsten vorhersehbare Übung des Trump-Handlings: der gemeinsame Auftritt vor der Presse. Hier hegen keine Gardetruppen, kein royales Protokoll Trumps Temperament ein. Verschärfend kam hinzu, dass mindestens zwei aktuelle Themen das Zeug hatten, alle vorangegangenen Freundschaftsmühen zu ruinieren.

Ein Schulterklopfen vom Präsidenten

Da war als Erstes die Anerkennung von Palästina als Staat. Großbritannien dürfte diese Anerkennung kommende Woche bei der UN-Generalversammlung fordern. Trump ist dagegen. Als ein Reporter die Frage nach genau diesem Konflikt stellte, riss Starmer sie an sich und unternahm sofort einen Löschversuch. „Wir sind uns einig, dass es einen Friedensplan braucht.“ Nicken von Trump. Und ein Schulterklopfen bekam Starmer hernach vom US-Präsidenten sogar für die kraftvoll vorgetragene Klarstellung: „Hamas kann niemals Teil irgendeiner Regierung in Palästina sein.“ Trump seinerseits bemerkte, betont nüchtern: „Ich habe hier eine Meinungsverschiedenheit mit dem Premierminister, eine von wenigen Meinungsverschiedenheiten.“ 

Das zweite heiße Eisen war die Frage danach, wo die Meinungsfreiheit nach dem Mord an Charlie Kirk eigentlich mehr bedroht sei – in den USA oder in Großbritannien. Eine Reporterin fragte nach einem britischen Gesetz, das Polizeimaßnahmen auch gegen Meinungsäußerungen erlaubt, die nicht strafbar sind. Zuletzt war deswegen am Londoner Flughafen Heathrow ein Komiker von fünf bewaffneten Polizisten festgenommen worden. Keir Starmer wich der Frage entschlossen aus. Er sei ein „entschlossener Verfechter freier Rede“, aber sie ende dort, wo Leute Pädophilie oder Selbstmord bewürben. Torpfostenverschiebungen nennt man das im Rhetorikseminar.

Donald Trump seinerseits gefragt, warum er die Absetzung des bekannten TV-Moderators Jimmy Kimmel feierte, antwortete: „Sie können das eine Meinungsfreiheitsangelegeheit nennen oder nicht. Aber Jimmy Kimmel wurde mangels Talent gefeuert.“ Starmer schließlich machte den geschickten move, den Antwortrahmen so breit zu ziehen, dass die konkreten Fragen wie Nickeligkeiten wirkten. „Wir“, Handbewegung Richtung Trump, „haben im Zweiten Weltkrieg zusammen für Meinungsfreiheit gekämpft, und brauchen keine Erinnerung daran, was sie bedeutet.“ Fein gespielt. Da nickt der Präsident, schon wieder.

Einigkeit zeigten beide auch darüber, dass es mehr Druck brauche, um Wladimir Putin an den Verhandlungstisch über einen Frieden in der Ukraine zu bringen. Trump gestand sogar ein: „Putin hat mich enttäuscht, er hat mich wirklich enttäuscht.“ Alles, was Starmer dann noch blieb, war eine stiff upper lip zu bewahren, als Trump sich ausgiebig selbst pries ob seiner Friedens- und Wirtschaftspolitik und ziemlich unbritische Sätze sagte wie „Joe Biden war nicht die hellste Glühbirne an der Decke“. Mit Pokerface-Miene hörte der Premier auch zu, als Trump bemerkte, millionenfache Zuwanderung „zerstört Länder von innen. Man muss sie stoppen, mit dem Militär oder wie auch immer.“ Erkennbar erleichtert rief Starmer nach einer Dreiviertelstunde den Pressevertretern ein entschlossenes „Dankeschön, dankeschön“ zu – und beendete die Veranstaltung. Geschafft, dürften an diesem Abend eine Menge Menschen von Windsor bis nach Westminster denken. No-Drama-Starmer hat es gut gemanagt.