Tiktok in den USA: Nun wird es ernst für TikTok

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Ein kategorischer Gegner von Social-Media-Plattformen ist Greg Gianforte nicht. Der Gouverneur von Montana ist im Internet gut vertreten. Sein Team betreibt eine Facebook-Seite, postet auf Instagram Bilder aus seinem Arbeitsalltag. Doch für TikTok hat der Republikaner keine Sympathien. Mitte Mai unterzeichnete er ein Gesetz, das die beliebte App aus dem Treasure State verbannen soll. „Um die persönlichen und privaten Daten der Bürger von Montana vor der Kommunistischen Partei Chinas zu schützen, habe ich TikTok in Montana verboten“, erklärte er. Auf Twitter.

TikTok ist seit Jahren von Kontroversen umgeben. Die Plattform ist beliebt. Rund 150 Millionen US-Amerikanerinnen und -Amerikaner nutzen sie. Doch die Besitzverhältnisse hinter der App geben Politikern Anlass zur Sorge. Denn TikTok gehört zu Byte Dance, einem chinesischen Unternehmen mit Sitz in Singapur. Das schürt in Washington Angst, die chinesische Regierung könnte Zugriff auf die Daten der US-Nutzer bekommen, sollte sie das wünschen. Byte Dance weist diese Vorwürfe zurück. „Lassen Sie mich dies unmissverständlich sagen: Byte Dance ist kein Vertreter Chinas oder eines anderen Landes“, sagte TikTok-CEO Shou Zi Chew im März vor dem Kongress. Das Problem: So richtig glaubt man ihm das in den Vereinigten Staaten nicht.

TikTok hat sich angreifbar gemacht

Das hat auch weltpolitische Gründe. Denn so schlecht wie derzeit war das Verhältnis zwischen den USA und China seit Jahrzehnten nicht mehr. Gegenseitiges Misstrauen prägt die Beziehungen. Und wenn sich Demokraten und Republikaner derzeit noch auf eine Sache einigen können, dann auf eine harte Linie gegenüber China. Das lässt auch die Skepsis gegenüber einem höchst erfolgreichen chinesischen Unternehmen auf dem US-Markt wachsen. Kritiker sehen darin eine von Vorurteilen getriebene Überreaktion angesichts steigender Spannungen zwischen den Ländern. Allerdings: TikTok hat sich in den vergangenen Jahren auch angreifbar gemacht.

Im Jahr 2019 etwa berichtete der Guardian, dass TikTok seine Moderatoren anweise, Videos zu zensieren, in denen der Platz des Himmlischen Friedens erwähnt wird und die Bilder enthalten, die die chinesische Regierung in ein schlechtes Licht setzen. Die Plattform sagt, dass sie seitdem ihre Moderationspraktiken geändert habe. Doch dabei blieb es nicht. Im Dezember musste Byte Dance einräumen, vier Mitarbeiter entlassen zu haben, die im vergangenen Sommer auf die Daten von zwei Journalisten und mit ihnen verbundenen Personen zugegriffen hatten. Die Mitarbeiter hatten versucht, die Quelle eines durchgestochenen Berichts über das Unternehmen aufzudecken.

Datenskandale sind für Social-Media-Konzerne keine Seltenheit. Erst vor wenigen Tagen musste Facebook-Mutterkonzern Meta eine Rekordstrafe wegen des Verstoßes gegen den europäischen Datenschutz bezahlen. Doch die Bedenken gegenüber TikTok reichen weiter. Die Video-App „schreit“ vor Sicherheitsbedenken, sagte etwa FBI-Direktor Christopher Wray im März vor einem Senatsausschuss. China könne TikTok nutzen, um etwa Desinformation in den USA zu verbreiten. Bereits im vergangenen Jahr hatte er gewarnt, TikTok könne „für traditionelle Spionageoperationen verwendet werden“. Beweise für diese These hat die US-Regierung allerdings noch nicht vorgelegt.

Landesweites Verbot bleibt denkbar

Trotzdem wird schon seit Jahren im Kapitol und im Weißen Haus darüber nachgedacht, wie man mit TikTok umgehen sollte. Ex-Präsident Donald Trump drohte bereits 2020 mit einem Verbot. Dazu kam es nicht, doch auch unter Joe Biden wurde der Druck auf Byte Dance spürbar erhöht. Auf Regierungshandys darf die Video-App seit einigen Monaten nicht mehr installiert sein. Weitergehende Schritte sind denkbar. Derzeit wird im Kongress an mehreren Gesetzen gearbeitet, die ein landesweites Verbot zumindest ermöglichen würden.

Nun ist Montana vorgeprescht. Das von Gianforte unterschriebene Gesetz sieht vor, dass TikTok ab dem 1. Januar 2024 in dem Bundesstaat nicht mehr zum Download angeboten werden darf. Geschieht es doch, droht ein Bußgeld in Höhe von 10.000 Dollar pro Tag. Die Nutzer der App hingegen sollen nicht strafrechtlich verfolgt werden. Das Gesetz richtet sich nur gegen die Anbieter, also TikTok selbst und App-Store-Betreiber wie Google oder Apple.

China lehnt TikTok-Verkauf ab

Es ist juristisches Neuland, das Montana da betritt. Ein vergleichbares Vorgehen gegen eine so weit verbreitete App habe es in den USA noch nie gegeben, sagte Sarah Kreps vom Cornell University’s Tech Policy Institute zu ABC News. Doch wie erfolgreich das Gesetz schlussendlich sein wird, ist offen. Experten vermuten, dass schon ein einfaches VPN-Programm ausreichen dürfte, um die staatliche Einschränkung zu umgehen. Mit einer solchen App können Nutzer einen Standort vortäuschen und so regionale Sperren umgehen. Außerdem ist längst nicht klar, ob das Gesetz tatsächlich zum Jahreswechsel in Kraft treten kann. Kurz nach Gianfortes Unterschrift klagt eine Gruppe von fünf Content Creators, die auf TikTok publizieren, gegen das Verbot. Der Bundesstaat, so lautet ihre Begründung, habe keine Kompetenzen im Bereich nationale Sicherheit und schränke das Recht auf freie Meinungsäußerung ein. Einige Tage später zog auch Byte Dance nach und reichte Klage ein.  

Für das Unternehmen dürfte es vor allem um die Signalwirkung des Gesetzes gehen. Montana, ein riesiger, aber spärlich besiedelter Staat im Nordwesten der USA, ist für die App wirtschaftlich nicht entscheidend. TikTok hat dort eigenen Angaben zufolge zwar Hunderttausende Nutzer. Gemessen an den 150 Millionen US-Amerikanern, die einen Account betreiben, dürfte das aber kaum ins Gewicht fallen. Allerdings ist nicht nur Montana skeptisch. In rund zwei Dutzend US-Bundesstaaten ist die App bereits auf Mobiltelefonen von Regierungsbeamten verboten. Der Trend geht also zu mehr Einschränkungen, nicht zu weniger. 

Und der Druck könnte noch steigen. Wie die US-Regierung mitteilte, wird TikTok derzeit von einem Gremium im Finanzministerium überprüft, das Geschäfte auf ihre Auswirkungen auf die nationale Sicherheit abklopft. Laut eines Berichts der New York Times, drängen die USA Byte Dance dazu, TikTok zu verkaufen. Doch das gefällt den Machthabern in China überhaupt nicht. Man lehne einen Verkauf ab, teilte das chinesische Handelsministerium mit. Die US-Regierung wiederum will nicht nachgeben. Ein landesweites Verbot bleibt damit denkbar.