Thyssenkrupp: Neue Vorhut nachher dem Stahl-Eklat

Thyssenkrupps Stahlsparte (TKSE) hat eine beinahe komplett neue Führungsmannschaft. Nach dem Personal-Chaos Ende August mit Rücktrittserklärungen sieben hochrangiger Manager füllt sich die Chefetage nun wieder auf – zumindest teilweise. Das teilte das Unternehmen am Donnerstag nach einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung mit.

Der Maschinenbauingenieur Dennis Grimm, 45 Jahre alt und seit Ende August übergangsweise Vorstandssprecher übernimmt nun ganz offiziell diesen Posten. Neu in den Stahl-Vorstand rücken soll Marie Jaroni, 39 Jahre alt und Metallurgie- und Werkstoffingenieurin. Sie solle in einem neu geschaffenen Vorstandsressort „Strategische Weiterentwicklung“ vor allem dafür sorgen, dass in der Sparte wieder mehr Wettbewerbsfähigkeit einzieht, teilte das Unternehmen mit.

Der 1975 geborene Betriebswirt Philipp Conze behält seinen Posten als Finanzvorstand der Sparte. Derzeit ist er auch übergangsweise fürs Personalressort zuständig, denn der Posten des Personalvorstands ist weiterhin offen. Weil TKSE ein montanmitbestimmtes Unternehmen ist, hat an dieser Stelle die Arbeitnehmerseite das Vorschlagsrecht. Schon mehrere Namen kursierten, die sich bislang aber alle nicht offiziell bestätigt haben.

Die umfangreiche Neuordnung an der Spitze von Thyssenkrupps Stahlsparte war nötig geworden, nachdem der Streit zwischen dem Konzernmanagement in Essen und der Führungsmannschaft der Stahltochtergesellschaft in Duisburg über die Restrukturierung und Verselbständigung des Stahlbereichs eskaliert war. Nachdem Konzernvorstandschef Miguel López öffentlich seine Unzufriedenheit mit der Arbeit des Stahl-Managements zum Ausdruck gebracht hatte, warfen gleich drei Mitglieder des Stahl-Vorstands, darunter der Vorsitzende Bernhard Osburg hin. Mit ihnen gingen auch vier Aufsichtsratsmitglieder, darunter der Vorsitzende, der ehemalige SPD-Chef Sigmar Gabriel.

Neuer Chef der Stahlsparte: Dennis Grimm
Neuer Chef der Stahlsparte: Dennis Grimmdpa

Federführend ordnen muss das Chaos nun Dennis Grimm. Er ist selbst noch „der Neue“ im TKSE-Vorstand, erst seit Juni diesen Jahres ist er überhaupt Mitglied des Gremiums, damals zunächst zuständig fürs Technik-Ressort. Ab jetzt übernimmt er „die gesamte operative Verantwortung sowie die technologische Steuerung und Weiterentwicklung des Unternehmens“, heißt es in der Mitteilung. Kommissarisch sei er auch für das neu zugeschnittene Vertriebs- und Innovationsressort tätig.

Bis Juni dieses Jahres war er Vorstand für Produktion und Technik der Hüttenwerke Krupp-Mannesmann (HKM), die Thyssenkrupp Steel zur Hälfte gehören. Damit bringt er viel Vorwissen mit zur geplanten Trennung von dieser Beteilung – HKM soll im Zuge der Restrukturierung verkauft oder geschlossen werden. Nach dem denkwürdigen Siebener-Rücktritt wurde Grimm Ende August Knall auf Fall zum Interims-Vorstandssprecher – und trat im September schon in dieser leitenden Funktion auf dem Stahlgipfel in Duisburg auf. Er erbt Osburgs anspruchsvolle Aufgabe, dem Essener Management einen „Businessplan“ für die Neuordnung des sanierungsbedürftigen Bereichs zu präsentieren.

Marie Jaroni: Stahl-Frau oder Konzern-Managerin aus Essen?

Auch Marie Jaroni ist anscheinend eine zentrale Rolle beim Schmieden dieses „Businessplans“ zugedacht. Und auch sie hat eine Vorgeschichte im Hause Thyssenkrupp: Vor vier Jahren startete sie als Kommunikationschefin der Stahl-Sparte, ist dort also eine alte Bekannte. Sie leitete anschließend von 2021 an den Bereich „Dekarbonisierung“. Damit war sie von Beginn an mit dem Vorzeigeprojekt Direktreduktionsanlage (DRI-Anlage) befasst. Das ist eine Grünstahl-Produktionsanlage, die perspektivisch mit grünem Wasserstoff laufen und einen von vier extrem CO2-intensiven Hochöfen in Duisburg ersetzen soll. Gefördert wird ihr Bau und Betrieb mit rund zwei Milliarden Staatsgeld vom Bund und Land Nordrhein-Westfalen, um den Wasserstoffhochlauf in Deutschland mit zu unterstützen. Rund um die DRI-Anlage gibt es derzeit jede Menge Diskussionen, seit der Konzern öffentlich zugegeben hat, dass das Risiko besteht, dass die Kosten aus dem Ruder laufen.

Jaroni selbst ist zwar Expertin für das Projekt, hatte allerdings zuletzt zum Mutterkonzern gewechselt. Interessant wird daher die Frage, wie ihre zeitweilige Rolle in Essen in der Belegschaft der Stahlsparte aufgenommen wird. Werden die die Duisburger Stahl-Mitarbeiter Jaroni als eine der „Ihren“ einsortieren, als eine Person aus der López-Mannschaft oder als irgendetwas dazwischen?

Ganz generell ist in der Branche umstritten, wie karriereförderlich das Übernehmen von Führungsverantwortung in der Stahlsparte des Unternehmens gerade ist. Es gibt Stimmen, die sagen, die Jobs glichen unlösbaren Aufgaben. Andere argumentieren, gerade deshalb lasse sich damit maximal Ruhm verdienen – und Verständnis ernten, falls es mit der grünen Transformation nicht klappt.

Viele „Neue“ im Aufsichtsrat

Auch im TKSE-Aufsichtsrat gibt es jede Menge Neuerungen. Zur neuen Aufsichtsratsvorsitzenden ist Thyssenkrupp-Konzernvorstandsmitglied Ilse Henne berufen worden. Für die Arbeitnehmerseite wurde Knut Giesler, Bezirksleiter der IG Metall Nordrhein-Westfalen, zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Die beiden Personalien waren schon im Vorfeld bekannt. Drei weitere vakante Positionen auf Anteilseignerseite werden der Mitteilung zufolge nachbesetzt: Durch Detlef Schotten, Vertriebschef in der Sparte Materials Services, Andreas Zinke, der im Essener Konzern das Rechnungswesen leitet und Sonja Püskens, Leiterin der Internen Revision in Essen. Auf der Arbeitnehmerseite folgt Ali Güzel, Betriebsratsvorsitzender des Standorts Duisburg-Hamborn, auf Tekin Nasikkol. Auch diese Personalie war schon im Vorfeld bekannt.

„Mit den neuen personellen Besetzungen in Aufsichtsrat und Vorstand wollen wir die großen Herausforderungen der strukturellen Neuausrichtung, der Verselbstständigung und der grünen Transformation gemeinsam angehen“, ließ sich die neue TKSE-Aufsichtsratschefin Henne zitieren. Jetzt gelte es, „mit der Thyssenkrupp AG und den Arbeitnehmervertretern die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft des Unternehmens zu stellen“. Die noch offenen Posten im Vorstand würden „schnellstmöglich“ besetzt.