Tattoos von Künstlern? „Works on Skin“ ist eine herrliche Schnapsidee
Tätowierungen sind natürlich schrecklich, immer ein Fehler und in jedem Fall zu vermeiden – so beurteilt man diese Kulturtechnik zumindest, wenn man sich gerade in der sehr teuren und schmerzhaften Prozedur befindet, die Jugendsünde per Laser aus der Haut schießen zu lassen. Die Kunstaktion, um die es hier geht, ist eher eine Schnapsidee, also eine dieser spontanen, in erheiterten Runden in den Raum geworfenen Ideen, vor deren Umsetzung am Ende oft missmutige Kritiker stehen; eine Idee also, der man ihre bloße Umsetzung schon hoch anrechnen sollte.
Daher kann man diese neue Unternehmung mit Kunstbezug tatsächlich nur begeistert besprechen. Works on Skin heißt sie, und es geht dabei um den Verkauf limitierter Kunsteditionen, die auch als Tattoos gestochen werden können, ja vielleicht sogar sollen. Ausgedacht hat sich das eine Gruppe um den Kulturvermittler, Buchautor und selbsternannten „Polymath und Kunsthysteriker“ Holm Friebe, die während der Pandemie schon mit der Direkten Auktion eine gute Idee schnell umgesetzt hat: nämlich Kunstauktionen zu veranstalten, an denen die Künstlerinnen und Künstler mehr verdienen als bei üblichen Auktionen.
Nun also Works on Skin, das sich selbst als ein Start-up beschreibt, das limitierte Kunsteditionen von etablierten und aufstrebenden Künstlern als Vorlagen für Tätowierungen anbietet. Verkauft werden keine Tattoos, sondern nur das Recht darauf, sie stechen zu lassen. Am 25. August werden 17 Motive veröffentlicht, die limitiert auf jeweils 100 Exemplare an Hauttragende veräußert werden. Am 31. August um zwölf Uhr beginnt ihr Verkauf auf der Webseite. Die Preise starten bei 100 Euro pro Werk und steigen dann alle zehn Nummern. Die Preise für die letzten Nummern der Editionen variieren zwischen 300 und 2.000 Euro. Die Urheber erhalten dabei 50 Prozent der Nettoerlöse. Die Werke können dann vererbt, nicht aber verkauft werden.
Eine Katze von Charlie Stein, eine Zeichnung von Gregor Hildebrandt
Zu erwerben sind zum Beispiel eine Katze von Charlie Stein, eine Zeichnung von Gregor Hildebrandt, ein typischer Martin Eder. Auch Margret Eicher, Timm Ulrichs, Tracey Snelling, Olga Hohmann und weitere haben Werke beigesteuert. Die Motive sind mal klassische Grafiken, mal von Street-Art inspirierte Reduktionen, Sketches mit Schrift, jedoch eher nicht an klassische Tätowierungen erinnernd, was ja schon mal gut ist.
Wer die kauft, bekommt einen hochwertigen Laser-Print im Format DIN A4 und das Motiv auf Transferpapier für die Übertragung in die Haut, samt signiertem und persönlich gewidmetem Zertifikat. Dazu kommen teilweise Anweisungen bezüglich der Farbe, der Anordnung oder Feinheit der Nadeln. Es herrscht zwar kein Stechzwang, allerdings heißt es im „Manifest“ dann doch: „Ein WORK ON SKIN ist erst dann vollständig realisiert, wenn es auf der Haut des jeweiligen Besitzers realisiert wurde, die Realisierung auf dem Zertifikat dokumentiert wurde, eine Fotografie (…) per E-Mail (…) gesendet und diese auf der Website www.worksonskin.com veröffentlicht wurde. Bis dahin handelt es sich um ein Werk in der Schwebe.“ Was das wiederum bedeuten soll, darüber gilt es nachzudenken.
Dabei könnte festgestellt werden, dass Works on Skin auch als Kommentar zu Besitz und Besessenheit zu lesen ist. Sollte Kunst überhaupt verkauft werden und wie? Wie ernst meint man es mit ihr, wenn man sie sich nicht auf die Haut tackert? Es ist jedenfalls eine sehr schöne Schnapsidee, die hilft, den ganzen Kunstquatsch nicht ernster zu nehmen als ein Tattoo.