»Tatort« mit Fabian Hinrichs: »Hochamt für Toni« – Buddenbrooks in der Oberpfalz

Fabian Hinrichs als Felix Voss: Verscharrt in der zugigen Ecke des Friedhofs

Fabian Hinrichs als Felix Voss: Verscharrt in der zugigen Ecke des Friedhofs


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Hendrik Heiden / Hendrik Heiden / BR


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Man wird das Gefühl nicht los, viele der imposanten Bilder und aufwühlenden Szenen in diesem »Tatort« schon einmal in Kinoklassikern gesehen zu haben. Wie Fabian Hinrichs als Kommissar Voss von unten unerbittlich vor einem Kreuz gefilmt wird – könnte das nicht aus einem Western von Anthony Mann sein, in dem ein Farmer vor dem Grab seiner ermordeten Frau trauert? Wie der Ermittler in einer Rückblende aus besseren Zeiten als junger Mann nackt im See mit Freund und Freundin planscht – erinnert das nicht an François Truffauts Ménage-à-trois-Drama »Jules und Jim«?

Und dann dieses Haus an der Spitze eines Hangs, das im Laufe einer dramatischen Nacht bis auf die Grundmauern abbrennt – muss man da nicht sofort an »Rebecca« denken, Alfred Hitchcocks Krimi-Melodram über verwunschene Villen und Brandruinen?


Voss mit Tonis Schwester Eva: Schwer hängen die Geigen über der Landschaft

Voss mit Tonis Schwester Eva: Schwer hängen die Geigen über der Landschaft


Foto: Hendrik Heiden / Hendrik Heiden / BR

Ikonische Bilder, große Gefühle: Voss ist aus Nürnberg in ein Kaff in der Oberpfalz angereist, um erfahren zu müssen, dass hier seine große Liebe aus Berliner Studientagen, Toni genannt, unter einem kargen Holzkreuz auf der zugigen Seite des Friedhofs verscharrt liegt, dort, wo die Selbstmörderinnen hinkommen. Erinnerungen werden wach an die wilde Zeit, als Voss mit einem anderen Freund und Toni ein festes Gespann bildete, ohne dass er sich seine große Liebe zu ihr eingestehen konnte. Sie verloren sich aus den Augen, Tausend Dinge blieben ungesagt. Irgendwann soll Toni sich in einer Hütte auf dem Berg eingeschlossen haben, um sich dort selbst zu verbrennen.

Agonie, wo man hinschaut

Oder war es anders? Der Studienfreund aus Berlin, der dritte im Bunde der einstigen Ménage-à-trois, ist inzwischen Pfarrer in der Oberpfalz. In einem Gottesdienst will er der gemeinsamen Freundin gedenken – und dabei offenbar die wahren Umstände ihres Todes enthüllen. Bevor er dazu kommt, liegt er tot in der Sakristei.



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Foto: Hardy Spitz / MDR

Schwer drücken die Wolken auf die Oberpfalz, noch schwerer hängen die Geigen über der schmucklosen Landschaft. Drehbuchautor Bernd Lange, der zuvor unter anderem den »Tatort« über die Machenschaften der ’Ndrangheta in Dortmund geschrieben hat, stürzt den Ermittler effizient ins Gefühlschaos. Der Plot ist trotz riskanter Prämissen sauber gebaut, nur das Ende schwächelt ein wenig. Seine Wirkung erzielt »Hochamt für Toni« vor allem aber auch über den satten Einsatz klassischer Melodram-Kniffe, die Michael Krummenacher (»Acht Tage«) drauf hat. Gerne lassen wir uns mit Kommissar Voss emotional durchschütteln.

Bei seinen Untersuchungen gerät der Ermittler an die Unternehmerfamilie, die kälter nicht sein könnte. Die Mutter (Marita Breuer) rollt heiter-fatalistisch mit dem Rollstuhl durch das zugige Anwesen, der Vater (André Jung) trägt ein eisiges Patriarchengesicht, der Bruder und Justiziar der Familie (Johannes Allmayer) schmeißt aller Welt automatenhaft Paragrafen entgegen. Und die Schwester der Toten (Sina Martens) streichelt leicht schwindsüchtig im Stall die Pferde. Agonie, wo man hinschaut. Die Buddenbrooks aus Lübeck waren Party People gegen den Trümmer-Clan aus der Oberpfalz.

Dieser »Tatort« ist ein elegant und suggestiv inszenierter Spuk, in dessen Verlauf man nur zu gerne glaubt, dass am Ende die Toten auferstehen.

Bewertung: 8 von 10 Punkten

»Tatort: Hochamt für Toni«, Sonntag, 20.15 Uhr, Das Erste