Syrien ist von innerem Frieden noch weit fern
Friedlich ist es in Syrien noch lange nicht
Foto: Ali Haj Suleiman/Getty Images
Der Gewaltausbruch gegen die alawitische Minderheit zeigt, dass ein jahrelang von Bürgerkrieg gebeuteltes Land nicht so einfach zur Ruhe kommt
Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis es nach dem Sturz des Assad-Regimes und dem Machtwechsel im Dezember 2024 zu Zusammenstößen zwischen der religiösen Minderheit der Alawiten und sunnitischen Milizionären kommen würde. Erstere lebten in Angst vor einer Wiederkehr konfessionell motivierter Gewalt ebenso wie vor Racheakten dafür, dass einige Vertreter der alawitischen Minderheit unter Baschar al-Assad vor allem in den Geheimdiensten eine bevorzugte Rolle spielten. Nicht zuletzt deshalb wurde ein alawitischer „Militärrat zur Befreiung Syriens“ aktiv, der sich weigerte, den Aufruf des Übergangspräsidenten Ahmed Al-Scharaa zu befolgen, die Waffen zu strecken.
Bis jetzt ist unklar, was genau die Massaker, die mehrere Hundert Tote gefordert haben, auslöste, und ob die Eskalation der Gewalt auf bewaffnete Hardliner zurückgeht, die Damaskus nicht unter Kontrolle hatte. Dafür spricht, dass Alawiten seit Wochen über Plünderungen, Entführungen und Lynchmorde klagen. Zugleich gibt es Berichte, dass Angehörige des alten Regimes Kräfte der neuen Regierung angegriffen haben sollen, worauf islamistische Milizen brutale Übergriffe und Morde an Zivilisten verübt haben sollen. Da aber die von al-Scharaa in die betroffene Region am Mittelmeer entsandten Militärs die Lage schnell wieder kontrollierten, könnte es sich auch um eine gezielte Lektion der neuen Regierung gehandelt haben, um den alawitischen Militärrat zur Kooperation zu zwingen.
Schließlich wird in Damaskus daran gearbeitet, die eigenen HTS-Milizen und die ehemalige syrische Regierungsarmee in nationale Streitkräfte zu überführen. Ein Schritt in diese Richtung ist auch die überraschende Übereinkunft, die al-Scharaa mit den Syrischen Demokratischen Kräften treffen konnte, die bisher die in Nordostsyrien aufgebaute kurdische Autonomie geschützt haben.
Al-Scharaa verspricht, die im Raum Latakia verübten Gewalttaten aufzuklären und zu ahnden, da Syrien nun ein „Rechtsstaat“ sei. Davon kann jedoch keine Rede sein, ehe nicht in rechtsstaatlichen Verfahren die Verbrechen aller Bürgerkriegsparteien öffentlich aufgearbeitet werden. Für eine friedliche innere Ordnung ist ein laizistischer Minimalkonsens jenseits aller religiöser Radikalität unverzichtbar.