Super Safe Space | Wo bleibt nur die feministische Asylpolitik?
Beim Thema Asyl bestimmen seit jeher Männer das öffentliche Bild – als Betroffene, aber auch als Akteure in Politik, Verwaltung und Medien. Dabei stellen Frauen die Hälfte aller Geflüchteten weltweit und sind aufgrund von Familienzusammenführung und der russischen Invasion in der Ukraine eine größer werdende Gruppe in europäischen Aufnahmeländern.
Das singuläre Bild des Flüchtlings als junger Mann, das im Herbst 2015 die Berichterstattung dominierte, muss revidiert werden. Denn gerade Frauen auf der Flucht sind Gefahren ausgesetzt, etwa sexueller Gewalt durch Schlepper und Grenzpolizei oder schlechten Hygienebedingungen. Der körperlich anstrengende und gefährliche Fluchtweg führt nicht nur zu einer ökonomischen Auslese – wer über entsprechende finanzielle Mittel verfügt, kann sich eher leisten, einen Schlepper zu zahlen –, sondern auch zu einer Geschlechterselektion. Legale und sichere Fluchtrouten kämen überproportional Frauen und Kindern zugute. Auch Aufnahmebedingungen müssen geschlechtersensibel gestaltet werden.
Selbst in europäischen Flüchtlingslagern sind WCs und Duschen kaum ausreichend vorhanden oder nicht geschlechtergetrennt. Mit der Folge, dass Frauen wenig Nahrung und Wasser zu sich nehmen oder Windeln tragen, um sie möglichst selten aufsuchen zu müssen. Geht es an die Integration, so kommen geflüchtete Frauen kaum vor – außer in der Kopftuchdebatte, wenn also, wie so oft, über ihren Körper bestimmt werden soll. Dabei haben Frauen Multiplikationswirkung für die Familie und Community. Investitionen in ihre Integration wirken weitaus stärker als bei Männern über die Einzelperson hinaus.
Dieses Potenzial wird aber nicht eingelöst, denn noch Jahre nach ihrer Ankunft sind geflüchtete Frauen schlecht in den Arbeitsmarkt integriert. Sie arbeiten häufiger als ihre Männer in haushaltsnahen Tätigkeiten, sind prekär beschäftigt und von Dequalifikation betroffen. Auf der anderen Seite sind es vorrangig Frauen, die (meist unbezahlte) Integrationsarbeit leisten, ob in der Flüchtlingsbetreuung, in der Bildungsarbeit oder im Vereinswesen.
Es ist also höchst an der Zeit, weibliche Bedürfnisse und Ressourcen in der Asylpolitik in den Blick zu nehmen – nicht nur für die Gestaltung von Integrationsmaßnahmen, sondern auch für eine längst überfällige Pluralisierung der feministischen Bewegung.
Judith Kohlenberger, Autorin von Das Fluchtparadox (Kremayr & Scheriau 2022), ist Migrationsforscherin an der Wirtschaftsuniversität Wien