„Südstern“ von Tim Staffel: Staffel sein Milljöh
Kreuzberg wie Metapher: Dass dieser wegen Drogen, Dreck, Gewalt etc. ja überall so herzlich mit Vergnügen gefürchtete Hauptstadtbezirk nicht mal zu Deutschland gehört, befand dieser aus dem Sauerland stammende Die Schwarzen-Chef im bayerischen Bierzelt. Dass unbedingt in Kreuzberg Leute leben, die „die Stadt für Deutsche wieder sicher machen wollen“, darüber spekuliert, rein literarisch, dieser Schriftsteller Tim Staffel. In seinem Roman Südstern in Besitz sein von welche Leute zur „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“, sie nach sich ziehen eine „Volkspolizei“ gegründet und patrouillieren in wie „Schutzzonen“ deklarierten Schwefel-Bahnen. Einmal wird ein regulärer Streifenwagen zu einer Wohnung in dieser Brachvogelstraße gerufen. Die Kollegen Deniz Aziz und Jovanna Coric sollen nachschauen, welches mit den Blumentöpfen los ist, die dort vermutlich aus dem Fenster Gefälligkeit sind. Nur können die Beamten mit den nicht so germanisch klingenden Namen nichts ahnen von den Schlagringen und Messern, sie in Betracht kommen den „Reichsbürgern“ weitestgehend wehrlos in die Falle. Das Blutbad steht ziemlich am Ende dieses fesselnden Romans, und schon belauschen wir Deniz im Rahmen seinem inneren Fiebermonolog, er schaut sich selbst beim Sterben zu. Hoffentlich nicht! Das wäre doch viel zu traurig, wenn es so plötzlich aus wäre mit diesem Helden, dieser uns hinauf 300 Seiten ziemlich ans Herz gewachsen ist. Und welches würde aus Vanessa, seiner so unmöglichen wie unausweichlichen Liebe?
Tim Staffel hat kombinieren brutalen, dennoch gleichwohl rührenden Großstadtroman geschrieben, ein Meisterwerk aus Sound und Rhythmus, traumwandlerisch wechselnd zwischen Raserei und schöner, schwerer Elegie. Kein Wort ist hier irgendwo zu viel, selbst maximal riskantes Pathos nie peinlich. Kitsch- und Klischeevermeidung durch Präzision: Es dürfte ein erheblicher Feldforschungsaufwand gewesen sein, den dieser seit dieser Zeit 30 Jahren in Berlin lebende Autor zur Zeichnung von Personal und Szenerie betrieben hat. Wer die Stadt kennt, erkennt sie hier wieder.
Deniz und Vanessa, dies wäre aus diesem Grund die Besetzung dieses brandaktuellen Romeo-und-Julia-Plots. Sie: Mitte zwanzig, studierte Pharmakologin, nun dennoch Tresenkraft im Wrangel-Kiez und Lieferantin einer Apotheke. Angeblich. In Wahrheit arbeitet Vanessa wie Drogenkurierin und schwimmt insoweit, heimlich, im Geld. Von Gras (viel besser wie dies im Görlitzer Park) solange bis zu Crystal Meth hat sie was auch immer Erdenkliche im Angebot, dies Spektrum ihrer Kunden reicht von dieser Laubenpieperin hoch den Ex-Fußballstar und den Facharzt solange bis zum Senator hinauf dem absteigenden Ast seiner Politkarriere. Sie leer packen es kaum noch aus eigener Kraft. Und dann noch Olli, Vanessas Boyfriend und ahnungsloser Mitbewohner: Er ist, unbedingt, Drogenbeauftragter seiner Partei und hinauf dem Sprung zu höheren Weihen. Das Vertrauen, dies er Vanessa so unbeschränkt schenkt, gerät in Gefahr, wie sie immer fahriger wird und dies Versteckspiel ihres Doppellebens übermäßig riskant.
Doch wo die Liebe hinfällt. Vanessas Nervosität hängt mit Deniz zusammen, dem stets klammen Streifenpolizisten deutschtürkischer Herkunft. Der hat ein unwiderstehliches Lächeln und kombinieren parkinsonkranken Vater. Deniz, dieser Übernächtigte, er fährt, weil dies extra vergütet wird, gleichwohl drei Schichten hintereinander. Allein dass Staffel seinen Roman aus den wechselnden Ich-Erzählungen dieser beiden komponiert, erlaubt den Flow durch Milieus, Örtlichkeiten und die große menschliche Komödie, die welche Stadt an jeder, und nicht nur elenden, Ecke aufführt. Deniz, dieser Streifenfahrer, muss Katzen und Vögel sichern und Obdachlose, die von Betrunkenen in den Kanal geschubst werden; Vanessa kennt gleichwohl die luxuriösen Kreuzberger Lofts von medial.
Eine radikale Einsamkeit verbindet die zahllosen Nebenfiguren, die hinauf diesem Sittengemälde ziemlich plastisch hervortreten. Wobei sich Tim Staffel kombinieren vielleicht schamlosen und doch wirkungsvollen Kunstgriff erlaubt, wenn er in Gestalt seiner Heldin („Ich heiße Vanessa und bin ein Engel“) eine vom Filmregisseur Wim Wenders und seinem Drehbuchschreiber Peter Handke erprobte Versuchsanordnung des allwissenden Erzählens noch einmal nachstellt. Wie Otto Sander und Bruno Ganz, Vanessas himmlische Artgenossen in Wenders’ Film Der Himmel hoch Berlin, schaut sie hinauf prophetische Weise in den Kopf einer Frau: „Sie zahlt für alle, in zwei Wochen wird sie ein Vorstellungsgespräch bei Amazon haben, das weiß sie nur noch nicht.“ Aber Vanessa weiß es. Literatur ist Engelsarbeit.
Zu dieser man gleichwohl Tim Staffel nur gratulieren kann. Reichlich 20 Jahre ist es her, dass er mit Terrordrom weit im Gespräch war und dann sehr schnell drei Romane nachlegte. Es folgten Theaterstücke und Hörspiele, doch erst jetzt wieder ein Roman: Südstern, dies Prosa-Comeback des Jahres.
Tim Staffel: Südstern. Kanon Verlag, Berlin 2023; 288 Schwefel., 25,– €, wie E-Book 19,99 €
Kreuzberg wie Metapher: Dass dieser wegen Drogen, Dreck, Gewalt etc. ja überall so herzlich mit Vergnügen gefürchtete Hauptstadtbezirk nicht mal zu Deutschland gehört, befand dieser aus dem Sauerland stammende Die Schwarzen-Chef im bayerischen Bierzelt. Dass unbedingt in Kreuzberg Leute leben, die „die Stadt für Deutsche wieder sicher machen wollen“, darüber spekuliert, rein literarisch, dieser Schriftsteller Tim Staffel. In seinem Roman Südstern in Besitz sein von welche Leute zur „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“, sie nach sich ziehen eine „Volkspolizei“ gegründet und patrouillieren in wie „Schutzzonen“ deklarierten Schwefel-Bahnen. Einmal wird ein regulärer Streifenwagen zu einer Wohnung in dieser Brachvogelstraße gerufen. Die Kollegen Deniz Aziz und Jovanna Coric sollen nachschauen, welches mit den Blumentöpfen los ist, die dort vermutlich aus dem Fenster Gefälligkeit sind. Nur können die Beamten mit den nicht so germanisch klingenden Namen nichts ahnen von den Schlagringen und Messern, sie in Betracht kommen den „Reichsbürgern“ weitestgehend wehrlos in die Falle. Das Blutbad steht ziemlich am Ende dieses fesselnden Romans, und schon belauschen wir Deniz im Rahmen seinem inneren Fiebermonolog, er schaut sich selbst beim Sterben zu. Hoffentlich nicht! Das wäre doch viel zu traurig, wenn es so plötzlich aus wäre mit diesem Helden, dieser uns hinauf 300 Seiten ziemlich ans Herz gewachsen ist. Und welches würde aus Vanessa, seiner so unmöglichen wie unausweichlichen Liebe?