Strompreis: Warum Sie Ihre nächste Stromrechnung an Markus Söder schicken sollten
Schon mal darüber nachgedacht, ob der Strompreis fair ist? Beim Blick auf die eigene Rechnung stöhnen in diesen Wochen ja viele. Die Preise sind oft viel höher als vor einem Jahr. Und fair sind sie in vielen Fällen mitnichten. Diejenigen, die im Norden und Osten Deutschlands wohnen, zahlen derzeit deutlich mehr für den Strom als Menschen, die im Süden und Westen wohnen. (Wer es nicht glauben mag, hier eine Karte.) Das Ganze hat aber nichts mit dem Markt zu tun. Es ist vielmehr politisch so gewollt.
Man könnte es auch so sagen: Die Energiewende-Muffel in Bayern profitieren seit Jahren davon, dass die Energiewende-Pioniere aus Norddeutschland ihnen beim Strompreis unter die Arme greifen. Oder hart formuliert: Das Bundesland, dessen Ministerpräsident gern mal Berlin als Schmarotzer darstellt, ist in Energiefragen selbst einer.
Und das kommt so: Erst einmal sind die Stromkosten im vergangenen Jahr tatsächlich fast überall gestiegen. Öl, Gas und Kohle wurden infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine teurer, also auch der Strom, der mit ihnen hergestellt wird. Aber auch Kundinnen und Kunden von Strom, der aus Atomkraftwerken oder Erneuerbaren Quellen kommt, müssen mehr bezahlen. Das liegt an der Eigenart des Stroms: Er ist ein sogenanntes homogenes Gut, man kann ihm nicht ansehen, ob er grün oder grau ist. Deswegen gibt es an der Leipziger Börse – wo er gehandelt wird – immer nur einen Preis. Und der wird immer durch die letzte verkaufte Einheit bestimmt.
So viel, so logisch. Und ja, es gibt viele Ausnahmen von der Regel, manche Leute haben langfristige Verträge, andere beziehen bewusst nur Ökostrom. Und dennoch ist der Börsenstrompreis früher oder später für alle die Richtmarke. Doch damit beginnt die Willkür. Zwar bildet sich dieser Strompreis an der Börse und damit am Markt, trotzdem fummelt die Politik mit rein. Denn sie bestimmt die Größe des Marktes. Sie tut das zum Teil aus historischen Gründen. Klassischerweise wurden Stromleitungen erst mal nur in einem Land verlegt, die Strommarktgrenzen verliefen also parallel zu denen des Landes. Später gab es dann Energiepartnerschaften, so hatte Deutschland mal einen gemeinsamen Markt mit Österreich (der dann wieder getrennt wurde). Und schließlich versucht die EU schon seit Langem für einen europäischen Strommarkt und mehr Wettbewerb zu sorgen, was nicht einfach ist. Gerade hat sie wieder neue Vorschläge vorgelegt, über die noch viel diskutiert werden wird.
Die Politik fummelt immer mit rein
Hier aber geht es erst mal um etwas anderes, um die Größe des Marktes und die Folgen für unsere Geldbörsen. Dieser Markt ist also keine rein ökonomische, sondern immer auch eine politische Entscheidung. Dänemark hat deswegen beispielsweise, anders als Deutschland, zwei Strommärkte und damit zwei unterschiedliche Strompreise. Italien hat sieben. Schweden hat vier, im Norden des Landes gibt es viel Strom, daher ist er viel billiger als im Süden.
In Deutschland ist die Lage eigentlich nicht viel anders als in Schweden. Auch im deutschen Norden gibt es viel Strom – weil die Politik dort den Ausbau der Erneuerbaren früh angeregt hat. Dort könnte der Strom also auch billig sein. Im Süden Deutschlands gibt es hingegen nur wenig Strom, weil dort die Politiker den Ausbau von Windrädern lange blockiert haben. Der Preis müsste also sehr hoch sein.
Weil die Politik hierzulande aber festgelegt hat, dass es nur einen Markt geben darf, gibt es auch nur einen Strompreis. Und das wiederum führt zu einer absurden Situation: Der billige Strom fließt aus Schleswig-Holstein nach Bayern, wo es zu wenig davon gibt. Theoretisch sollte dadurch sukzessive auch der Preis im Süden sinken. Dummerweise nur kommt dann irgendwann der Stau: Weil die Bayern jahrelang den Bau von Stromleitungen ausgebremst haben, kann der Strom in der Praxis eben nicht ausreichend von Norden nach Süden fließen. Als Folge müssen die Windräder in Norden dann an windreichen Tagen heruntergeregelt werden – weil es sonst einen Black-out gäbe. Es wird also Energie verschwendet. Und damit nicht genug, wenn besonders viel Wind weht, müssen im Süden auch noch Gaskraftwerke hochgefahren werden, damit das Netz nicht kollabiert. Und das führt dann noch zusätzlich dazu, dass der Strompreis überall hochgeht.
Söder, der Stromschmarotzer
Es wird aber noch verrückter. Es gibt zwar politisch gewollt nur einen Strommarkt, aber wenn es um Leitungen geht, dann ist Deutschland in mehrere Regionen aufgeteilt. Das sorgt sei vielen Jahren für eine weitere Ungerechtigkeit. Wurde nämlich in einer Region eine neue Leitung gebaut, dann kostete das Geld, und das wurde bisher nur auf die Stromkundinnen und -kunden der Region umgelegt. Da im Norden besonders viele Leitungen gebaut worden, sind dort die Netzentgelte besonders hoch. Im Süden hingegen wurden der Leitungsausbau vertrödelt, dort sind die Netzentgelte niedrig. Die Folge ist: In Heide oder sonst wo im Norden kann der Strompreise auch heute noch deutlich über dem liegen, der in Schwaben bezahlt werden muss. Die Menschen aus Regionen, die die Energiewende vorangetrieben haben, wurden also jahrelang finanziell bestraft. Und diejenigen, deren Landesregierungen sie vertrödelt haben, konnten sich still und leise freuen. Denn auch ihre Industrien profitieren von einem – politisch gewollten – niedrigen Strompreis. Schleswig-Holstein und Brandenburg, so könnte man auch sagen, haben jahrelang Wirtschaft und Verbraucher in Bayern subventioniert.
In Zukunft sollen wenigstens die Netzentgelte für die Überlandleitungen nach und nach auf ganz Deutschland umgelegt werden. Dafür hat Robert Habecks Wirtschaftsministerium gesorgt. Doch verdient der Norden nicht ein wenig mehr Entschädigung, weil er schon lange die vielen Windräder akzeptiert? Oder auch der Westen, wo die Kohlegruben noch jahrhundertelang Probleme bereiten werden? Eigentlich könnte der Wirtschaftsminister all das hin und wieder mal erwähnen. Und er sollte unbedingt mal häufiger laut über zwei Strommärkte nachdenken – spätestens wenn Markus Söder das nächste Mal gegen die Schmarotzer im Rest der Republik wettert. Was im Wahlkampf sicher häufiger passieren wird.