Stößchen! – Beste Fete: Zehn Fakten darüber hinaus Hauspartys
A
wie Ausstattung
Haben Sie schon mal über den Einsatz einer Nebelmaschine in Ihrer Wohnung nachgedacht? Neben der obligatorischen Discokugel ist ein Mini-Stroboskop ideal, um das Wohnzimmer in eine Tanzfläche zu verwandeln. Auf einer Party, die ich mal besucht habe, gab es ein Blätter-Bällebad – ein Zimmer, komplett gefüllt mit Laub. Definitiv ein Highlight! Wer es gemütlich mag, kann auf der Toilette Private Dancer von Tina Turner in Dauerschleife laufen lassen. Von Konfettikanonen rate ich jedoch ab – in Kombination mit verschütteten Getränken gibt es fiese Flecken. Zur Cocktailbar in der Küche gehört eine Rezeptanleitung an der Wand, dazu Kreppband und Stift für die Gläser. Oder Sie stellen Red Cups bereit (→ Tupperware). Lichterketten, Einwegkameras und Lamettavorhänge sorgen immer für Stimmung. Am Ende ist das Rezept für die gute Party dann doch recht einfach: Viele Freund*innen, Musik, gute Drinks … Wir haben uns letztlich gegen die Nebelmaschine entschieden – aus Angst, den Feueralarm auszulösen. Lisa Kolbe
B
wie Buchmesse
Es war die einzige Frankfurter-Buchmesse-Party, zu der man sich nicht hineinschleichen konnte. Allein der Gedanke, vor versammelter deutscher Kritikermannschaft ohne persönliche Einladung aufzufliegen! Die Schuhe durfte man anbehalten, bevor sie im tiefblauen Teppich versanken, auf dem einst das A – Z des Literaturbetriebs jahrzehntelang seine Stapfen hinterlassen hatte. Dass manch männlichem Schuhwerk eine bessere Politur gutgetan hätte, ist ein anderes Thema. 2023 war man – ohne es zu wissen – Zeuge des letzten Suhrkamp-Kritikerempfangs. Dabei war es wie immer: Die Raucher auf dem Treppchen zum Garten raus, Weingläser in jeder Hand (→ Vertreter), und ein Autor las aus seinem neuen Werk. Nun ist die Villa des ehemaligen Verlegers Siegfried Unseld verkauft. The party is over? Kulturpessimismus ist der schlimmste Partykiller. Philipp Haibach
D
wie Der Partyschreck
Der indische Komparse Hrundi V. Bakshi, gespielt von Peter Sellers, ist einer der größten Tollpatsche der Filmgeschichte. Die Party des Hollywood-Studiobosses Fred Clutterbuck, gegeben von J. Edward McKinley, wird durch seine Ungeschicklichkeit zum Film-Ereignis. Schon bei seiner Ankunft verliert Bakshi seinen Schuh in einem künstlichen Bach, der durch das extravagante Haus fließt. Er verursacht eine Überschwemmung (→ Sturmfrei), lässt einen Papagei durch die Gegensprechanlage tönen, fällt vom Dach, lässt andere Gäste in den Swimmingpool stürzen, reinigt einen Elefanten ebendort: Die ganze Party wird zum Schaumbad. Der Partyschreck von 1968 – Regie: Blake Edwards – ist ein skurriles, in hohem Maße beim Dreh improvisiertes Slapstick-Feuerwerk und auch eine herrliche Abrechnung mit Hollywood, eine Feier der Destruktion und des Experiments, getragen von Henry Mancinis Musik, der Melancholie nicht fremd ist. Der Partyschreck war übrigens der Lieblingsfilm von Elvis Presley. Marc Peschke
E
wie Eierlikör
Schon bevor der Abend begann, war die Mutter irgendwie seltsam gewesen. Viel zu dunkle Augenbrauen, viel zu rote Lippen. „Ich war beim Friseur, wir gehen doch heute zu Ackermanns.“ Den Freund des Vaters kannte ich nicht (→ Vertreter). Die Familie hatte ein Haus, und die Erwachsenen benahmen sich dort wie Kinder. Sie hatten lustige Hütchen auf und tanzten ausgelassen zu lauter Musik. Mich legte Mama bald ins Bett. Alles war dunkel. Ich musste hier raus. Immer dem Lärm nach. Die Mutter schimpfte überhaupt nicht, als ich in der Tür stand. Sie lachte und schenkte mir etwas ein. „Das ist süß, aber dann geh wieder ins Bett.“ Es schmeckte gut, doch ins Zimmer zurück fand ich nicht mehr. Vor der Tür schlief ich ein. Noch mit der Klinke in der Hand, wie sie sagten. Die Vierjährige hatte ihren ersten Eierlikör probiert. Irmtraud Gutschke
H
wie Hausmusik
Einst förderte der Adel die Musik an seinen Höfen; nicht aus Altruismus, sondern zur Unterhaltung (→ Polonaise). Das aufstrebende Bürgertum wollte es ihm gleichtun. Es gründete Konzerthäuser, mehr aber noch holte man ab dem 18. Jahrhundert die Musik zu sich nach Hause – auch als Distinktionsmerkmal, um sich von abgehobenem Adel und ungebildeter Unterschicht abzugrenzen. Besonders im Biedermeier verschloss sich der Bürger der Öffentlichkeit und genoss die Kunst eingeigelt zu Hause. Da die musikalische Erziehung für Bürgertöchter zum guten Ton gehörte, stand immer eine Hausmusikkapelle parat. Eigentlich sollten sie durch die musische Bildung nur attraktiver für den Heiratsmarkt werden. Doch daraus entstanden auch erstaunliche Karrieren, wie die von Clara Schumann. Die heute vor allem in Großstädten stattfindenden Wohnzimmerkonzerte knüpfen an die Tradition an. Meist offeneren Charakters als damals, können sich die Veranstalter gleichsam als Mäzene fühlen. Tobias Prüwer
P
wie Polonaise
Die Polonaisen drehen sich unentwegt auf der Dachterrasse von Jep Gambardella, Kulturjournalist (→ Buchmesse) und am zweiten Roman gescheiterter Autor, der sich die Zeit mit römischen Upperclass-Partys vertreibt. Ironisch fragt er einmal, warum er diese Tänze wohl so schätze? Die Antwort: Weil sie alle ins Nichts führen. Erst am Ende von Paolo Sorrentinos Film La Grande Bellezza und Jahre nach seinem Jugendroman wird diesem Dandy, der eigentlich auf der Suche nach Schönheit ist, bewusst, dass er dorthin zurückmuss, wo er seine erste Liebe traf. Unterlegt mit John Taveners The Lamb, führt die Schlussszene die Suche einer Ordensschwester nach Gott mit dem Aufbruch des Schriftstellers eng. Auch wenn man die epischen Partyszenen so feiern will, freut man sich schließlich, dass Jep den Ausgang aus dem Reigen gefunden hat. Björn Hayer
S
wie Sturmfrei
Was als harmlose Feier beginnt, wird in Nima Nourizadehs Film Project X von 2012 unfreiwillig zur Massenveranstaltung. Die Geschichte spielt in einemruhigen Vorort von Los Angeles. Drei unscheinbare Teenager, Thomas, Costa und JB, wollen Thomas’ Geburtstag feiern, doch die Party eskaliert schnell, als infolge einer öffentlichen Einladung immer mehr Gäste erscheinen. Am Ende ist das Haus komplett verwüstet, und Thomas wird festgenommen. In der Schule gelten die drei jetzt als cool, aber Thomas muss sich den Konsequenzen mit den Behörden und seinen Eltern (→ Zugabe) stellen. Solche Szenarien spielten sich in den frühen 2010er Jahren auch in der Realität ab, als sogenannte „Facebook-Partys“ außer Kontrolle gerieten. Ein bekanntes Beispiel ist die Feier in Hürth, bei der Hunderte Jugendliche ein Haus stürmten, nachdem die Einladung auf Facebook viral gegangen war. Doch der Hype ist längst abgeflaut. Andere Plattformen wie Instagram und Whatsapp haben Facebook als primäres Kommunikationsmittel abgelöst, und die Nutzer sind vorsichtiger geworden. Jens Siebers
T
wie Tupperware
Die Mauer war gerade gefallen, da rief meine Oma an. „Habt ihr Lust, zu meiner Tupperparty zu kommen?“ „Tupper…was?“, sagte meine Mutter. Für mich klang es wie Butter- oder Kaffeefahrt (→ Vertreter). Meine Oma, Ostberliner Sekretärin, schwärmte von Plastikbehältern, die ein Leben lang halten. Woher wusste sie das alles? Sie habe eine Beraterin aus dem Westen kennengelernt, die komme auch zur „Party“. Wir gingen hin, Anfang der 1990er, in eine Neubauwohnung in Lichtenberg. Ältere Frauen hockten im Kreis und reichten pastellfarbene Dosen herum wie Schätze. Man kann sie sofort kaufen, erklärte die Beraterin, meine Oma nickte. Teuer, „aber Tupper“. Meine Mutter nahm zwei mit. Als meine Oma vor kurzem starb, standen zwei Schränke voll mit den Dosen. Ich besitze bis heute keine. Jetzt ist Tupperware pleite. Die Party ist vorbei. Maxi Leinkauf
V
wie Vertreter
Ist der unangekündigte Besuch eines Vertreters in der Privatwohnung von Verbraucher*innen eine unzumutbare Belästigung? Ich würde sagen: ja. Rein rechtlich ist es aber nicht verboten, mit einem Staubsauger oder – heute wahrscheinlicher – einem unschlagbaren Stromtarif mal eben vorbeizuklingeln. In Loriots Sketch mit Evelyn Hamann als Lieselotte Hoppenstedt laufen gleich drei ambitionierte Fachverkäufer auf, die Wein von Pahlgruber & Söhne (→ Eierlikör), den Saugblaser Heinzelmann und eine Versicherung an die Frau bringen wollen. Während der Saugblaser – ein Staubsauger mit integrierter Trockenhaube – die Grundlage für schlüpfrige Versprecher liefert, lassen die Testflaschen im Hause Hoppenstedt schnell die Stimmung steigen, dazu reicht die Hausfrau Schnittchen. In einem Remake von 2024 sähe das vermutlich etwas anders aus: Lieselotte Hoppenstedt hätte parallel zwei Zoom-Calls mit den Kolleg*innen laufen und 30 Slack-Nachrichten zu beantworten, dazu gäbe es labbrige Pommes eines Lieferdienstes, weil mal wieder nichts im Haus ist. Christine Käppeler
Z
wie Zugabe
Wer war eigentlich Katja Ebstein? Jedenfalls hat die Mutter des Gastgebers im Song Remmidemmi von Deichkind verblüffende Ähnlichkeit mit ihr. Zumindest auf dem Foto in der Küche (→ Ausstattung). Die Möbel werden durch die Fenster entsorgt – man braucht Platz zum Dancen. Danach ein gediegenes Stück Pizza, nackt im Pool. Oder ein Hausbar-Aufguss in der Sauna. Impulsive Menschen kennen bekanntlich keine Grenzen. So kann es laufen, wenn man zum Tennisturnier fährt, anstatt der Aufsichtspflicht nachzukommen. Privat bei reichen Eltern – was kann es Schöneres geben? Und jetzt bitte mal alle zusammen, ja, Sie da hinten auch: Yippie-yippie-yeah, yippie-yeah, Krawall und Remmidemmi! Yippie-yippie-yeah, yippie-yeah, Krawall und Remmidemmi! Yippie-yippie-yeah, yippie-yeah, Krawall und Remmidemmi! Christian Bobsien