Stefan Raab: Was nun, Stefan Raab?
Erst hievte RTL seine Stefan-Raab-Show aus dem Streamingangebot ins lineare Fernsehen, nun wird „Du gewinnst hier nicht die Million“ wegen schlechter Quoten abgesetzt. Festhalten will der Sender trotzdem an seinem letztjährigen Königstransfer, neue Shows und Konzepte sollen mit Raab für den Herbst entwickelt werden. Jeder weiß natürlich: So reden Paare, die sich nur nicht trennen, weil sie noch Tickets für Helene Fischer im Sommer 2026 haben. Oder halt Geschäftspartner, die sich in hoch dotierten Vertragsverhältnissen befinden. Raus jetzt aus dieser gescheiterten Beziehung, möchte man Raab deshalb zurufen, rauf auf die Zielgerade der eigenen Karriere. Hier sind fünf Vorschläge, die den Entertainer mit Rückenwind ins Rentenalter tragen könnten.
Weisheit weitergeben – als progressiver Familien-Podcaster
Die Trennung des prominenten Family-Podcast-Pärchens Marie Nasemann und Sebastian Tigges kam unerwartet über das Land. Es regnet Frösche, die Pest rafft das Vieh, Mütter (sowie einige sich als progressiv verstehende Väter) sorgen sich um ihre Erstgeborenen. Wer kann diese Lücke füllen, dem Land in solchen Zeiten wieder Stabilität bieten? Nun, hinter seinem überbreiten Grinsen und seinem übertriebenen Ehrgeiz ist Stefan Raab stets Familienmensch geblieben – und was für einer. Seit rund 23 Jahren ist er mit seiner Frau Nike verheiratet, gemeinsam haben sie zwei Kinder.
Raab hat schon so manche Person gegen deren Willen ins Rampenlicht gezerrt, seine eigene Familie hielt er immer strikt fern davon. Doch in Notlagen wie der aktuellen kann er sich nicht weiter drücken: Was lehrt die Wok-WM über das attachment parenting? Was hat er durch Rückzug und Comeback über boundary setting gelernt? Und untergraben Formate wie Schlag den Raab die Glaubwürdigkeit gewaltfreier Erziehung? Eine ankerlose Nation hat Fragen, Raab hat die Antworten. Der Titel seines Podcasts liegt sowieso auf der Hand: Raabeneltern. (Titus Blome)
In Amt und Würden altern – als Kulturstaatsminister
Warum nicht in die Politik wechseln? Als Metzgersohn bringt Stefan Raab alle Kernkompetenzen mit, die man als christdemokratischer Quereinsteiger braucht, um dem teuren Subventionsbetrieb Kultur das linksideologische Fett von den Knochen zu schneiden. Ein Metzger hält sich nicht mit fruchtlosen Debatten um die gesellschaftliche Relevanz von Theatern oder Opernhäusern auf, der haut zuerst mit dem Rinderspalter drein und erfreut sich danach der Sauerei, die er angerichtet hat. So moderierte Raab jahrelang TV Total: immer feste druff, egal wo und auf wen.
Genau so muss man es machen, wenn man den wacklig gestarteten Wolfram Weimer als Kulturkämpfer im Amt des Staatsministers beerben möchte. Nicht die freie Szene gärtnern und gießen, sie hegen und pflegen, so wie die Vorgängerinnen Claudia Roth und Monika Grütters es zumindest versuchten, sondern ausräuchern und einpökeln den Laden, und dazu Herrenwitze reißen. Raab kann das, außerdem singt er und spielt Ukulele. Und wer das jetzt für Unterhaltung hält, muss dringend seinen Kulturbegriff erweitern. (Raoul Löbbert)
Die Öffentlich-Rechtlichen retten – als ttt-Moderator
Stefan Raab würde sich selbst vermutlich nicht den komplexesten Kulturbegriff attestieren. Er ist Entertainer, ein Mann des Volkes – und somit aus Sicht der ARD mehr als qualifiziert für die Moderation des hauseigenen Kultur- und Problemmagazins Titel, Thesen, Temperamente. Erst einige Monate ist es her, dass der damals designierte Moderator Thilo Mischke mit seinem selbsterklärten „sehr unterkomplexen“ Kulturbegriff den Einstieg wagen wollte. Doch nicht diese Aussage, sondern ein missglücktes Sextagebuch und seine Abenteuerthesen zum Thema Vergewaltigung fielen ihm letztlich auf die Füße. Die ARD trennte sich.
Mit dem Moderator Raab könnte die Sendeanstalt nun richtigstellen, dass eine Kombination aus berufsjugendlichen Sneakern, fragwürdigem Frauenbild und volksnahem Kulturbegriff sehr wohl zum Zukunftskonzept taugt. Auch für Raab böte die ttt-Moderation völlig neue Möglichkeiten der kreativen Selbstverwirklichung: Wie wäre es mit Schlag den Literaturnobelpreisträger? Autoball-WM nur mit Performancekünstlern? Klassikkonzerten auf der Rodelbahn (Titel: Tschaikow-Ski)? Oder einem Ukulele-Contest mit aserbaidschanischen Dokumentarfilmerinnen? Womöglich wären diese Ideen am Ende gar nicht mal so unterkomplex. (Ann-Kristin Tlusty)
Noch einmal mit Musik – und Thomas Gottschalk
Gerade erst hat Thomas Gottschalk seine Karriere als Gastgeber großer Samstagabendshows beendet – möglicherweise auch, um dem Raab-Schicksal zu entgehen, dass jemand anders diese Entscheidung für ihn trifft. Jetzt also stünden die Sterne günstig für gebündelte Kräfte, Kompetenzen und Herzensprojekte wie etwa ein gemeinsames Rock-’n‘-Roll-Album. Gottschalks Sozialisierung mit Elvis und den Beatles ist hinlänglich bekannt aus Radiosendungen, die sich Menschen in den Siebzigerjahren tatsächlich angehört haben. Raab ist aus der deutschen Musikszene nicht mehr wegzudenken, seit ihm der Rapper Moses Pelham einmal die Nase eingehauen hat.
Um Gottschalk einen letzten Karriereakt zu ermöglichen, könnte Raab noch einmal in die Rolle des Plattenproduzenten schlüpfen. Nicht aber Vorerfahrungen mit Guildo Horn oder Bürger Lars Dietrich sollten dabei im Fokus stehen, sondern US-amerikanische role models wie Johnny Cash und Rick Rubin, die als Interpret und Produzent das Schmerzenspotenzial unsterblicher Songs von Leonard Cohen, Tom Waits oder Nine Inch Nails offenlegten. Überträgt man diese Herangehensweise auf deutsche Verhältnisse, werden bewegende Neuaufnahmen denkbar: Verdamp lang her von Bap als Country-Schunkler über vergängliche Liebe, Verdammt, ich lieb‘ dich von Matthias Reim als Folk-Miniatur über unerwiderte Liebe oder Unisexklo von Ikkimel als Klavierballade über die Liebe in einer Welt, die man selbst nicht mehr versteht. Liefe die Sache ähnlich gut wie damals bei Cash und Rubin, dürfte sich sogar die sonst so problematische werberelevante Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen von dieser Verwandlung abgeholt fühlen. (Daniel Gerhardt)
Back to the roots – als Metzger mit eigener Schlachtung
Ministrant, Jurastudent, Komponist von Zahnpastajingles: Das Leben von Stefan Raab begann nicht erst, als man Fernsehkameras auf ihn richtete. Es gab ein Davor, nun muss es auch ein Danach geben. Empfohlen sei deshalb die Rückkehr zu den eigenen Wurzeln als Metzger. Die entsprechende Lehre schloss Raab im Jahr 1990 schließlich als Bezirksbester der Handwerkskammer zu Köln ab.
Sollte ihn an neuer alter Wirkstätte das Fernweh nach der großen RTL-Bühne übermannen, ließen sich Wurstverkauf und die Kunst der Unterhaltung mühelos verbinden: Wer erinnert sich denn nicht an jene Metzger aus der Kindheit, die den kleinsten Kundinnen und Kunden Bärchenwurst und Gesichtssalami für lau anboten? Raab könnte diesen besonderen Rapport um das eine oder andere Spiel aus seiner Zeit als Showmaster erweitern – bei ihm bekamen die Kandidaten schließlich nie etwas geschenkt. „Nenne mir fünf meiner ehemaligen TV-Sendungen, dann schenk ich dir den Käseknacker!“ Wenn man dann auch noch die Lyrics von Raabs substanziellster Komposition Wadde hadde dudde da? fehlerfrei vortragen kann, bekommt man gleich ein ganzes Filetsteak vom Kobe-Rind aufs Haus. Kundinnen auf der Suche nach fleischlosen Alternativen fliegen hingegen schneller aus dem Laden, als die unfähigsten Teilnehmer am TV-Total-Turmspringen einst vom Zehn-Meter-Block geplumpst sind. (Pauline Graf)