Sotheby’s in Saudi Arabien: Staat zeugen im Nahen Osten

Damit rückt die arabische Halbinsel auf der Weltkarte des Kunstmarkts wieder ein Stückchen näher an die globalen Handelsplätze heran: Am 8. Februar veranstaltet Sotheby’s in der historischen Oase Diriyah vor den Toren der Hauptstadt Riad die erste internationale Live-Auktion des Königreichs. „Origins“ betitelt, führt die Versteigerung dorthin, wo die Königsfamilie ihren eigenen Ursprung und inzwischen auch den der saudischen Nation verortet.

Dass Muhammad ibn Saud 1727 mehrere Oasen in eine politische Einheit zusammenführte, wird seit drei Jahren am 22. Februar mit einem Nationalfeiertag begangen; der Pakt mit dem wahabitischen Religionsgelehrten Muhammad ibn Abd al-Wahhab von 1744 tritt als fundamentaler Legitimationsakt für das Staatswesen in den Hintergrund. Entsprechend sind die Ruinen der identitätsstiftenden Stätte Diriyah auf Initiative des Kronprinzen Muhammad bin Salman in jüngster Zeit restauriert worden. Er steht hinter dem Regierungsprogramm „Vision 2030“, das das Königreich vom Erdöl unabhängig und wirtschaftlich, touristisch wie kulturell führend machen soll – inklusive des überambitionierten Bauvorhabens einer 170 Kilometer langen Bandstadt in der Wüste.

Bin Salmans Ehrgeiz mit Blick auf bildende Kunst reicht noch weiter. Über Mittler war er wohl am teuersten je versteigerten Kunstwerk beteiligt, des fragwürdig Leonardo zugeschriebenen „Salvator mundi“. Seit dem 400-Millionen-Dollar-Zuschlag 2017 bei Christie’s in New York wurde das stark restaurierte Renaissancegemälde nie wieder öffentlich gezeigt. Es sei vom Emirat Abu Dhabi erworben worden und solle das dortige Louvre-Museum schmücken, hieß es erst. Später wartete man vergeblich auf einen Auftritt des „Weltenretters“ im originalen Louvre in Paris. Von einer Yacht des saudischen Kronprinzen als kolportiertem Aufbewahrungsort soll das Bild Recherchen der BBC zufolge inzwischen in ein Genfer Zollfreilager umgezogen sein. Dort warte es darauf, dass Saudi-Arabien für dessen Unterbringung ein großes, weiteres Louvre-Museum baue, in dem es als Publikumsmagnet mit vergleichbarer Anziehungskraft wie die „Mona Lisa“ wirken solle. Der angebliche Ort des Museums? Diriyah.

Das Geschäftsumfeld ist attraktiv

Mit seiner Premierenauktion fügte sich Sotheby’s also in das aktuelle kulturpolitische Narrativ der Saudi-Dynastie ein, die nebenbei mit Unsummen für prestigeträchtige Sportveranstaltungen wie die Fußball-WM 2034 Imagepflege betreibt. Menschenrechtsverletzungen unter der absoluten Monarchie oder die Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi sind da schnell vergessen. Ein Auktionshaus ist allerdings auch kein politisches Unternehmen zum Zwecke des Demokratieexports, sondern will Handel treiben. In Saudi-Arabien trifft das Unternehmen des israelisch-französischen Geschäftsmanns Patrick Drahi dabei durchaus auf den Wunsch nach Weltoffenheit – und eine dynamisch sich entwickelnde Gesellschaft mit Hunger nach Luxus. Das ist der neben dem Immobilienhandel der Geschäftsbereich, der bei Sotheby’s zuletzt am besten lief.

Seit 2023 unterhält Sotheby’s in Einklang damit schon ein Büro für seine Immobilienmarke in Riad. Im Zuge der kommenden Auktion eröffnet der Versteigerer selbst dort ebenfalls eine Niederlassung: im Al Faisaliah Tower, dem von Norman Foster gebauten ersten Hochhaus des Landes. Stark verankert in der Region ist Sotheby’s inzwischen ohnehin, weil sich 2024 Abu Dhabi mit einem Milliardendeal in das Unternehmen eingekauft hat.

Sensationelles zu erwerben gibt es auf der ersten Auktion in Diriyah nicht, doch die Auswahl ist sprechend. In zwei Abteilungen und 162 Losen breitet sich im Gesamttaxwert von rund 22 Millionen Dollar das Sortiment eines ultraluxuriösen Gemischtwarenladens vor allem westlicher Trophäen aus. Neben kleineren Werken moderner und zeitgenössischer Kunst mit großen Markennamen wie Pablo Picasso, Andy Warhol oder Damien Hirst stehen Schmuck, Handtaschen und Sammelobjekte bereit.

Bis zu 1,2 Millionen Dollar soll ein Trikot einbringen, das der Basketballspieler Michael Jordan 1998 in der letzten Saison bei den Chicago Bulls trug. Eine Richard-Mille-Armbanduhr ist auf 1,5 Millionen Dollar geschätzt. Diese Preisvorstellung knüpft sich auch an die Spitzenlose der Kunst: einer Bronze Fernando Boteros und einer Gouache René Magrittes. Mit Refik Anadol ist der gegnwärtige Weltstar der KI-Kunst vertreten: Das NFT einer seiner „Machine Hallucinations“ soll 800.000 bis 1,2 Millionen Dollar kosten. Bezahlt werden kann es wie auch alle anderen Lose der Auktion wahlweise mit Kryptogeld – ein weiteres Novum bei Sotheby’s.

Source: faz.net