Sortieren, rösten, verpacken: Häftlinge starten ihre eigene Kaffee-Marke
In der JVA Remscheid rösten Häftlinge seit Anfang Mai ihren eigenen Filterkaffee und Espresso. Nicht mehr lange, dann soll die „Knastbohne“ der breiten Kundschaft zugänglich sein.
Rick zieht ein kleines Probeschäufelchen aus der Röstmaschine und riecht an den hellbraunen Bohnen: Die brauchen noch. „Kaffee war früher nur ein Genussmittel für mich“, sagt der 33-Jährige: „Jetzt röste ich ihn. Das ist genau mein Ding.“ Die aufgeweckte Arbeit am Koffein hat Rick hinter Gittern für sich entdeckt.
Seit Anfang Mai wird in der JVA Remscheid Kaffee produziert. So etwas gab es bisher nicht im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen. Und die Macher sind sich auch ziemlich sicher, dass sie deutschlandweit die Einzigen sind.
Zwei Jahre Vorlauf hat das Projekt gebraucht. Von der ersten Anfrage des Justizministeriums, ob das Gefängnis Lust auf Kaffeerösten hätte – bis zur ersten Abfüllung der „Knastbohne“. Auf dem Etikett der schwarzen Verpackung steht der vielsagende Werbespruch „Mit Sicherheit aus der JVA Remscheid“.
Rick ist seit vier Jahren hier inhaftiert, insgesamt hat er elf Jahre abzusitzen. Er mag nicht sagen, wofür er verurteilt wurde. Aber an der Röstmaschine hat er jeden Tag zumindest den Duft der Freiheit in der Nase: Die rohen Bohnen kommen aus dem fernen Kolumbien, Costa Rica oder Vietnam.
Gerade ist eine Lieferung aus Brasilien in der Trommel. Je nachdem, wie lange Rick die Bohnen röstet, entsteht die Basis für Filterkaffee (heller) oder Espresso (dunkler).
Der Gefangene hat ein Klemmbrett in der Hand und den Tabletcomputer im Blick. Wenn er über den „First Crack“ und die „Rate of Rise“ spricht, klingt er wie ein Kaffee-Professor. Rick wurde gezielt für den komplexen Röst-Job ausgesucht. Eine Etage höher sitzen andere Gefangene, die die Bohnen sieben. Steinchen, Äste, kaputte Stücke – alles muss raus.
Insassen prüfen Qualität bei Tasse Kaffee am Morgen
Das ist nicht so anspruchsvoll wie Ricks Aufgabe, aber ebenso wichtig, erklärt Betriebsleiter Daniel von Lonski: „Mit einfachen Arbeiten integrieren wir die Häftlinge. Es gibt nur wenige, die handwerkliche Fähigkeiten haben. Bei den meisten fangen wir klein an.“
Acht Arbeitsplätze hat die „Knastbohne“ geschaffen. Bei einer 39-Stunden-Woche. Das kleine Gehalt können die Gefangenen zum Beispiel im Knast-Shop für Schokolade oder Zigaretten ausgeben. Den hauseigenen Kaffee gibt es dort noch nicht.
„Dafür trinken wir morgens vor der Arbeit immer eine Tasse“, sagt Rick. Das ist tatsächlich Teil der Qualitätskontrolle: Die Häftlinge sollen wissen, ob und wie ihr Produkt schmeckt. Dafür wurde in Halle 3 auch eine Kaffeeküche eingebaut. Es gibt sogar eine Espressomaschine und eine Kaffeemühle.
Überhaupt hat man in der JVA ordentlich investiert in dieses Projekt. Allein die beiden elektronischen Röstmaschinen kosten 40.000 Euro das Stück.
Für die Auswahl der Bohnen reiste Betriebsleiter von Lonski nach Hamburg zu Großimporteuren und ließ sich schulen („So haben wir auch unser Röstprofil festgelegt“). Danach musste der Zoll die Rösterei abnehmen. Auf Kaffee zahlt man Steuern. Und so ist die Rösterei in der JVA Remscheid nun ein „Steuerlager“. Sobald die Bohnen fertig verpackt die Halle verlassen, sind sie steuerpflichtig.
300 Kilogramm Kaffee haben die Häftlinge schon produziert
Zunächst werden die „Knastbohnen“ (250 Gramm kosten 4,90 Euro) justizintern verkauft. Auf dem traditionellen Weihnachtsbasar der JVA wird es sie dann auch für „normale“ Kunden geben. 300 Kilogramm Kaffee wurden in den letzten drei Wochen schon produziert, pro Tag gibt es etwa fünf Röstdurchgänge. Wenn mal was schiefgehen sollte und eine Charge zum Beispiel anbrennt, müsste der Zoll kommen und die Bohnen vernichten. Gerade hinter Gittern läuft alles nach Recht und Gesetz.
Und wie schmeckt der Kaffee? „Sehr mild und ausgewogen“, sagt Anstaltsleiter Andreas Schüller. Er sei „megastolz“ auf sein Team: „Das zeigt, was der Vollzug alles kann.“
Übrigens: Die rund 500 Männer in der JVA dürfen auch in ihren Zellen eine Kaffeemaschine haben. „Ich habe aber nur einen Handfilteraufsatz“, sagt Röster Rick. Dann muss er sich wieder konzentrieren: Gleich sind die Bohnen fertig.
Source: businessinsider.de