Silicon-Valley-Pleite: Bloß kein Bank-Run – und bitte die Inflation senken
Bloß kein Bank-Run – und bitte die Inflation senken – Seite 1
Als wären die Erwartungen nicht schon hoch genug. In einer Woche wird die US-Notenbank Fed bekannt geben, ob und um wie viel Prozentpunkte sie den Leitzins ein neuntes Mal in Folge anhebt. Seit Monaten versucht sie so, die Inflation zu bekämpfen, die die Menschen in den USA überall spüren: beim Einkaufen, beim Tanken, selbst beim Mieten einer Wohnung. Allerdings ist die Inflation hartnäckiger als gedacht, die Verbraucherpreise sinken nicht so schnell wie erhofft. Fed-Chef Jerome Powell deutete deshalb zuletzt an, dass die Notenbanker das Tempo wieder anzögen.
Seit dem Wochenende aber ist alles wieder offen. Kommt es tatsächlich zu einer Zinserhöhung? Nach der Pleite der Silicon Valley Bank, kurz SVB, steigt die Sorge, dass den USA eine neue Finanzkrise bevorsteht. Das zeigte sich bereits an den Aktienmärkten. Als die Wall Street am Montagmorgen aufmachte, brach der Kurs der First Republic Bank um bis zu 80 Prozent ein, weiteren Regionalbanken ging es ähnlich. Mehr als ein Dutzend von ihnen setzten den Handel sogar vorübergehend aus. Und das, obwohl die Fed am Sonntagabend ein schnell aufgelegtes Programm verkündet hatte, um die Versorgung des Bankensektors mit Geld zu erleichtern.
Dieses Bank Term Funding Program gewährt den Banken unbegrenzt Darlehen mit einer Laufzeit von bis zu einem Jahr. Als Sicherheiten können die Institute Staatsanleihen hinterlegen – ungewöhnlicherweise zu ihrem Nominalwert, nicht zu ihrem Marktwert (der in der Regel zurzeit niedriger ist). Die Fed verlangt für die Kredite nur einen relativ niedrigen Zinssatz. Das Programm soll sicherstellen, dass die Banken weiterhin liquide sind und den Anlegerinnen und Anlegern ihre Einlagen auszahlen können.
Das Programm ist damit eng mit dem Problem verknüpft, das die SVB ins Straucheln brachte. Sie hatte sehr viel in langfristige US-Staatsanleihen investiert. Deren Kurswert ist aber wegen der Zinswende der US-Notenbank gesunken. Zugleich wollten viele Kunden der Silicon Valley Bank ihre Einlagen auflösen – die Bank hatte aber wegen der Kursverluste Probleme, diesen Wünschen nachzukommen. Als dann noch eine Kapitalerhöhung scheiterte, kam es zum Bank-Run. Die Zinspolitik der Fed, die auf die Inflation abzielte, hatte also direkt Konsequenzen für den Wert der Anleihen, der Kurswert sank um 15 Milliarden Dollar.
Der Fall der Silicon Valley Bank zeigt, dass die Fed versucht, jetzt zwei Feuer zugleich auszutreten: Sie muss den Markt beruhigen, damit aus der Krise einzelner Banken nicht eine handfeste Bankenkrise wird. Und sie muss weiterhin die Inflation in den Griff bekommen. Ein falscher Schritt könnte das jeweils andere Feuer umso heftiger lodern lassen. Und wie immer in der Finanzpolitik ist das Unglückliche an dieser Sache, dass man meist erst hinterher weiß, ob ein Schritt richtig war oder falsch.
Bank-Run und Inflation verhindern
Das Dilemma der Fed ist: Eine weitere Zinserhöhung könnte für noch mehr Turbulenzen an den Märkten sorgen, nachdem die Pleite der Silicon Valley Bank nun offengelegt hat, welche Folgen das haben kann. Hält sich die Fed aber mit Leitzinserhöhungen zurück, könnte dies dazu führen, dass die Inflation andauert.
Daran, dass das nicht geschieht, hat nicht zuletzt einer Interesse: Joe Biden. Der Kampf gegen die hohen Verbraucherpreise belastet die Amtszeit des Präsidenten enorm. Obwohl die Benzinpreise wieder spürbar gesunken sind, bleiben seine Beliebtheitswerte niedrig: Der berühmte pain at the pump hält weiterhin vor, schließlich sind viele Amerikanerinnen und Amerikaner auf das Auto angewiesen. Das hartnäckige Polemisieren der Republikaner, die zeitweise nur noch von „Bidens Preiserhöhung“ sprachen, dürfte bei vielen verfangen haben, die unter den hohen Preisen besonders leiden.
Und auch die Entwicklung im Bankensektor kann die US-Regierung nur schwer kontrollieren. Ähnlich wie bei der Inflation sind ihre Handlungsmöglichkeiten begrenzt, aber das politische Risiko ist umso größer. Entsprechend versucht der Präsident, zur Besonnenheit aufzurufen. Die Menschen müssten sich keine Sorgen um ihre Einlagen machen, sagte Biden am Montagmorgen in einer knappen Ansprache. Das erinnerte an die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel und Peer Steinbrück, die mitten in der Finanzkrise 2008 den deutschen Sparerinnen und Sparern versprachen, ihre Einlagen seien sicher. Das dient nicht nur der Beruhigung der Bankkunden, sondern auch dazu, dem Unvermeidbaren wenigstens ein Stück weit vorzubeugen: der Ausschlachtung des Ganzen im aufkommenden Wahlkampf.
Es würden keine Steuergelder verwendet, um Banken zu retten
Als Barack Obama 2008 zum US-Präsidenten gewählt wurde und Biden zu seinem Vizepräsidenten machte, war die Finanzkrise die erste große Herausforderung für die US-Regierung. Die politischen Voraussetzungen aber waren ganz andere, da gab es noch keine Republikanerinnen wie die rechtsextreme Marjorie Taylor Greene, die nun etwa twittert, die Regierung gebe gerne Geld für die Ukraine und für die Rettung von Banken aus, aber nicht für die Opfer des Chemiezugunfalls in East Palestine in Ohio. Je größer die Panik an den Finanzmärkten und je größer die Unsicherheit der Bankkundinnen, desto größer auch die Chance, dass solche Sprechblasen durchdringen. Da kann Biden noch so sehr betonen, dass es Donald Trump war, der die regulatorischen Maßnahmen der Obama-Regierung nach der Finanzkrise wieder zurückdrehte.
Was also tun? Die Regierung will natürlich moral hazard vermeiden und auf keinen Fall den Eindruck erwecken, dass Banken im Falle eines Strauchelns uneingeschränkt mit dem Eingreifen der Behörden rechnen könnten. Allerdings könnte man das Sicherungsprogramm der Fed so interpretieren – zumindest ein kleines Stück weit. Den Anschein wiederum, dass die US-Steuerzahler zur Rettung einiger der reichsten Einwohner des Landes einspringen – die Silicon Valley Bank etwa verwaltete Geld von Start-up-Investoren wie dem Milliardär Peter Thiel – will man unbedingt vermeiden. Es würden keine Steuergelder verwendet, um Banken zu retten: Das versprach nicht nur Finanzministerin Janet Yellen, sondern am Montagmorgen auch der Präsident. Investoren wiederum könnten nicht mit Schutz rechnen, sagte Biden. Neben dem Kreditprogramm der US-Regierung soll auch der Einlagensicherungsfonds, in den Banken selbst einzahlen, bei schwankenden Banken einspringen.
Härtere Regulierung angekündigt
Biden selbst versprach am Montag, den Finanzmarkt künftig stärker regulieren zu wollen, nannte aber keine konkreten Schritte. Die Banken – flankiert von den Republikanern – werden nun wohl ihre Anstrengungen verstärken, konkrete Regulierung zu verhindern. Und alles daran setzen, die Zinspolitik der Fed als klare (und einzige) Schuldige zu benennen, nicht aber die eigenen Geschäfte. Die Silicon Valley Bank etwa hatte ein bestimmtes Kundenprofil: Start-up-Unternehmen und Investoren, die zu Zeiten der Niedrigzinspolitik ihr Geld in Start-ups steckten. Karen Petrou, Geschäftsführerin von Federal Financial Analytics, die Banker in politischen Fragen berät, kritisiert gegenüber Politico, nicht die Regeln selbst seien das Problem, sondern deren Umsetzung: „Es geht darum, wie sie von Aufsichtsbehörden durchgesetzt wurden, die offensichtlich am Steuer schliefen, weil sie dachten, sie hätten ein sicheres, selbstfahrendes Auto.“
Bis zur nächsten Sitzung ist es noch eine Woche hin – in der kann an der Börse allerhand passieren. Während die Analysten der Großbank Goldman Sachs davon ausgehen, dass keine Zinserhöhung kommt, sind die Kollegen von J.P. Morgan vorsichtiger und rechnen mit einem kleinen Schritt von einem Viertelprozentpunkt. Einzelne Banken wie das japanische Geldhaus Nomura rechnen dagegen sogar mit einer Zinssenkung. Was alle eint– von den Bankkunden über die Notenbank bis zum Präsident: Um jeden Preis soll eine erneute Bankenkrise verhindert werden.