Serie „Deutsches Haus“: Die Pflicht dieser Nachkommen – WELT
Man braucht schnell eine Dolmetscherin, darob springt die junge, noch unerfahrene Eva Bruhns (mit belebender Frische: Katharina Stark) ein. Um sich gen den Prozess, in dem sie vom Polnischen ins Deutsche deuten soll, vorzubereiten, erhält sie von einem Kollegen den Rat, vorher dies notwendige Vokabular zu studieren. Was dies zum Besten von Vokabeln seien, „militärische?“, fragt Eva. „Alle erdenklichen Wörter zu diesem Zweck, wie man Menschen töten kann“, lautet die Antwort.
Als Eva dann im Gerichtssaal, es ist dies Jahr 1963, die ersten Berichte dieser Zeugen deuten muss, stockt sie, hält inne, schlägt im Wörterbuch nachdem. Sie kann sich nicht vorstellen, die Worte richtig verstanden zu nach sich ziehen, zweifelt an ihren Sprachkenntnissen, um nicht an dieser Menschheit zweifeln zu zu tun sein.
Später erzählt sie ihren Eltern (Anke Engelke und Hans-Jochen Wagner): „Da sollen Menschen umgebracht worden sein.“ Na ja, sagt dieser Vater, und es ist schwergewichtig, zu entscheiden, wer von beiden ohne Rest durch zwei teilbar naiver wirkt: „Es war Krieg“. Als Eva „Auschwitz“ im Lexikon nachschlägt und den einzigen Satz, dieser dort steht, ihrer älteren Schwester (Ricarda Seifried) vorliest, antwortet die: „Tja, dann gibt es dazu wohl untergeordnet nicht mehr zu sagen.“ Und legt sich schlafen. Ständig legen sie sich schlafen, die Menschen in dieser Disney-Serie „Deutsches Haus“, wechseln dies Thema, unterbrechen dies Gespräch, oder bedecken die schmerzhaften Fragen unter einem Schleier des Witzes, dieser Höflichkeit, des „So war dies halt, und jetzt lasst uns essen.“
Nun ist es nicht dies erste Mal, dass die Frankfurter Auschwitz-Prozesse verfilmt wurden. „Der Staat gegen Fritz Bauer“ (2015) und „Im Labyrinth des Schweigens“ (2014) in Besitz sein von zu den jüngsten Aufarbeitungsfilmen, die den historischen, zusammensetzen Bruch mit dieser Kontinuität bedeutenden Gerichtsverfahren ein Denkmal setzen. Die Adaption des gleichnamigen Bestseller-Romans von Annette Hess „Deutsches Haus“ ist weder radikaler noch überraschender oder informativer qua seine Vorgänger, demgegenüber die fiktive Story bringt mit dieser Perspektive dieser Dolmetscherin eine spannende Heldin ins Spiel, die Fragen zur Übersetzbarkeit von Sprache und Epochenerfahrung aufwirft. Vernichtung kennt viele Vokabeln. Welche gibt es zum Besten von Vergebung?
Die vom Regie-Duo Isa Prahl und Randa Chahoud zum Leben erweckten Figuren werden in komplexe Eltern-Kind-Beziehungen mit interessanten Twists plus in Liebesbeziehungen mit bemerkenswerten Konstellationen verwickelt: zwischen einem Juden und einer Prostituierten, deren Kunden angeklagte SS-Offiziere sind, zwischen dieser Tochter eines SS-Offiziers und einem Italiener, zwischen dieser Tochter eines Auschwitz-Kochs und einem Kommunisten-Sohn. Während dieser Fünfteiler zeigt, wie schwierig es sein kann, Privates von Moralischem zu trennen, fragt er nicht nachdem dieser Schuld dieser Nachkommen, sondern nachdem ihrer Pflicht.
Die große Verdrängung
Psychologische Verdrängungsmechanismen greifen tief und wirken oben Generationen hinweg. Abgesehen von wenigen Momenten, in denen überlebende Juden (gespielt unter anderem von Iris Berben) ins Scheinwerferlicht Wirbelsäule, spielt „Deutsches Haus“ in deutschen Wirtshäusern, deutschen Wohnzimmern und deutschen Gefängnissen, und sogar in letzterem hindert die frühere Nazi-Familie nichts daran, dies bürgerliche Abendessen in warmer Wohlfühlatmosphäre zu zelebrieren.
Die Nazis, so die provokative These dieser Serie, konnten privat untergeordnet nett sein. Viele waren trivial Opportunisten. Die, die weiland nicht „nein“ zum Mord sagten, so wie sie vielleicht heute nicht „nein“ zu dessen Aufklärung sagen. Oder die, die sich weiland an den Zeitgeist des Hasses anpassten, so wie sie sich heute dies Gedankengut dieser Toleranz zu eigen zeugen.
Ob man Nazis sympathisch darstellen darf oder sogar muss, um dem Eindruck dieser Unwiederholbarkeit zu entweichen, beantwortet die Serie unmissverständlich. Neben dieser Banalität des Bösen offenbart sie die Weiterführung des Banalen in die Nachkriegszeit. Der Grat, gen dem die Betonung des Banalen nicht in Verharmlosung umschlägt, ist obgleich ein schmaler. Vielleicht ist er überschritten, wenn man sich qua Zuschauer in dieser sanieren Welt dieser deutschen Häuser durchweg wohlfühlt?
Doch immer wieder gibt es vor dem Hintergrund dieser lauen, sanften Bilder Dialoge, die sich dem Kitsch verwehren. Einmal etwa fordert Eva, die während des Holocaust noch ein Kind war und jetzt die Wahrheit oben die Ausmaße dieser Vernichtung ans Licht bringt, ihren früheren Friseur aus dem KZ gen, ihr die Haare abzurasieren. Er weigert sich mit dieser Begründung: „Es steht dir nicht.“ Während er die junge Frau, die gekommen war, sich zu entschuldigen und symbolische Buße zu leisten, aus seinem Laden wirft, wiederholt er seine Begründung mit einem kleinen, demgegenüber entscheidenden ergänzenden Wort: „Es steht dir nicht zu.“
„Deutsches Haus“ läuft ab dem 15. November gen Disney+.
Source: welt.de