Serbien und Kosovo: Aleksandar Vučić versetzt nach Zusammenstößen Armee in Bereitschaft

Nach
Zusammenstößen in einer mehrheitlich von Serben bewohnten Stadt
im Kosovo hat der serbische Präsident Aleksandar Vučić die Armee
seines Landes in Bereitschaft versetzt. Zudem sollten Truppen
näher an die Grenze zum Kosovo verlegt werden.
Verteidigungsminister Milos Vučević sprach im
Fernsehen von einer dringenden Maßnahme. „Es ist klar, dass
Terror gegen die serbische Gemeinschaft im Kosovo verübt wird.“
Die kosovarische Polizei in Zvečan hatte zuvor Tränengas gegen
eine Menschenmenge eingesetzt, die den Einzug eines neuen,
kosovoalbanischen Bürgermeisters verhindern wollte. Die Polizei
berichtete von fünf verletzten Beamten, örtliche serbische
Gesundheitsbehörden von zehn leicht verletzten Personen.

USA kritisieren gewaltsames Vorgehen der Behörden im Kosovo

In vier nördlichen Gemeinden des Kosovo leben etwa 50.000
Serben, darunter auch in Zvečan. Sie boykottierten die
Kommunalwahl am 23. April – die Beteiligung lag bei 3,5 Prozent – und weigern sich, mit den neuen, vier albanischen
Bürgermeistern zusammenzuarbeiten. US-Außenminister Antony
Blinken kritisierte den Versuch der Behörden im
Kosovo, gewaltsam einen Zugang zu den Amtsgebäuden zu schaffen.
Dieses Vorgehen sei gegen die Ratschläge der USA und Europas
erfolgt, habe die Spannungen „drastisch und unnötig“ verschärft
und werde „Auswirkungen auf unsere bilateralen Beziehungen zum
Kosovo haben“.

Immer wieder gibt es Spannungen mit der serbischen
Minderheit im Norden Kosovos. Der Kosovo erklärte sich 2008 für
unabhängig von Serbien. Allerdings erkannte die Regierung in
Belgrad die Unabhängigkeit nicht an. Auch die im Kosovo lebenden
Serben sehen sich als Teil des Nachbarlandes. Der anhaltende
Streit zwischen der früheren jugoslawischen Teilrepublik Serbien
und dessen ehemaliger Provinz Kosovo
ist ein Hindernis auf dem
Weg beider Staaten in die Europäische Union.

In einer gemeinsamen Stellungnahme forderten Deutschland,
Frankreich, Italien, Großbritannien und die USA eine
Zurückhaltung von allen Parteien und eine Deeskalation der Lage,
wie das Auswärtige Amt mitteilte.

Vučić kündigt Rückzug von Parteispitze an

Serbiens Präsident Vučić wehrt sich unterdessen gegen Rücktrittsforderungen, für die schon drei Mal Tausende Demonstrierende in Belgrad zusammengekommen waren. Sie geben ihm eine Mitschuld an zwei Angriffen mit Schusswaffen Anfang Mai, bei denen 18 Menschen getötet worden waren; Vučić weist jede Schuld von sich. Die Politiker der Opposition missbrauchten eine Tragödie und hätten nur Verachtung verdient, sagte er am Freitagabend vor Zehntausenden Anhängern.

Vučić kündigte allerdings an, dass er als Vorsitzender der Serbischen Fortschrittspartei zurücktreten werde. Er kündigte auch Pläne zur Gründung einer neuen Bewegung an, der Politiker, prominente Intellektuelle, Künstler und andere angehören sollen. „Ich werde nirgendwo hingehen“, sagte er. „Wir werden Serbien gemeinsam verteidigen.“

Die Menschen folgten dem Aufruf des Präsidenten, zur größten Kundgebung in der Geschichte des Landes zusammenzukommen. Sie wurden mit Bussen aus allen Teilen des Landes und aus dem benachbarten Kosovo und Bosnien nach Belgrad gebracht. Regierungsvertreter sagten, die Kundgebung fördere Einheit und Hoffnung für Serbien. Nach Angaben der Organisatoren nahmen Hunderttausende an der Versammlung vor der serbischen Nationalversammlung teil. Mitarbeiter in staatlichen Betrieben und der Verwaltung bekamen den Tag frei, um an der Veranstaltung teilzunehmen. Einige sagten, ihnen sei mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes gedroht worden, sollten sie nicht in die Busse einsteigen, die bereits Stunden vor Beginn der Kundgebung eintrafen.

Beobachter glauben, dass Vučić, der das Land seit mehr als einem Jahrzehnt regiert, mit der Massenkundgebung versuchen wollte, die Proteste der Opposition durch die schiere Zahl der Teilnehmer in den Schatten zu stellen. „Zum ersten Mal hat Vučić ein Problem“, sagte der politische Analyst Zoran Gavrilović. „Sein Problem ist nicht so sehr die Opposition, sondern die serbische Gesellschaft, die aufgewacht ist.“