Sechs Länderchefs gegen Strompreis-Nachteile wegen weniger Windkraft

Sechs Bundesländer wehren sich gegen drohende höhere Strompreise wegen eines geringeren Windkraftausbaus – darunter auch Baden-Württemberg. Eine einheitliche Strompreiszone sei zentraler Ausdruck eines einheitlichen deutschen Wirtschaftsraums, schreiben die Ministerpräsidenten und -präsidentinnen von Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland in einer am Freitag in Berlin veröffentlichten gemeinsamen Erklärung. „Eine Schwächung der wirtschaftlich starken Länder des Südens und des Westens kann nicht im Interesse der Bundesregierung und auch nicht der norddeutschen Länder sein.“

Die Vertreter der südwestlichen Bundesländer fordern in ihrem vierseitigen Papier neben dem Erhalt einer einheitlichen deutschen Strompreiszone einen forcierten Ausbau erneuerbarer Energien sowie einen deutschlandweiten raschen Hochlauf von Wasserstoff als künftigem klimafreundlicherem Energieträger. Sie sehen vor allem die Gefahr, beim Aufbau der künftigen Wasserstoff-Versorgung oder durch einen billigeren Strompreis im Norden abgehängt zu werden. „Die Trennung der Preiszonen hätte weitere schwerwiegende negative Auswirkungen zur Folge“, warnen die sechs Länderchefs.

Zahlreiche Forderungen

Ferner pochen sie auf einen beschleunigten Ausbau der Stromübertragungsnetze durch die Bundesnetzagentur, den raschen Zubau von Gaskraftwerken, die künftig auch mit Wasserstoff betrieben werden können, bessere Rahmenbedingungen für Speicher und die Einführung eines günstigeren Strompreises für die Industrie. Die Länder unterstützen zudem einen zeitlich befristen subventionierten Industriestrompreis, warnen aber vor einer „regionalen oder sektoralen Wettbewerbsverzerrung“. Zudem fordern sie Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf, keine zu starken Zentralisierung der Entscheidungen in der Energiepolitik durch die Bundesnetzagentur zuzulassen. So solle der bestehende Einfluss der Länder auf die Regulierung der Netze über den Bundesrat erhalten bleiben. Die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten fordern auch Länderöffnungsklauseln in Bundesgesetzen, um den Ländern weitergehende Flächenöffnungen für erneuerbare Energien zu ermöglichen. Alle sechs bekennen sich zu einem beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien.

Hintergrund sind Forderungen im Norden Deutschlands, vom dort produzierten billigeren Ökostrom etwa durch Windkraft stärker profitieren zu können. Derzeit müssen im Norden teilweise höhere Strompreise als im Süden gezahlt werden, was zunehmend auf Unmut stößt. Ein Grund für die Probleme ist der schleppende Ausbau von Hochleistungs-Stromtrassen in den bevölkerungsreicheren Süden und Westen, wo sich auch ein größerer Anteil der bisherigen Industrieanlagen befindet. Grüner Wasserstoff dürfte aber wegen des billigen Windstroms vor allem im Norden produziert werden.

Ungewöhnlicher Zusammenschluss

Der parteiübergreifende Auftritt der sechs Landeschefs ist ungewöhnlich. „Wir setzen uns gemeinsam für einen Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur auch grenzüberschreitend im Süden und Westen ein“, teilte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) mit. Deutschlandweit müsse eine einheitliche, verlässliche und bezahlbare Energieversorgung gewährleistet werden, fordert auch Baden-Württembergs Landeschef Winfried Kretschmann (Grüne). „Ich spreche mich daher sehr deutlich gegen jede Aufteilung des Strommarktes in Deutschland in unterschiedliche Preiszonen aus“, sagte er ähnlich wie Bayerns Landeschef Markus Söder (CSU). NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) forderte den Aufbau einer grenzüberschreitenden europäischen Wasserstoffinfrastruktur. „Wir müssen den Strom und den Wasserstoff also dahin bringen, wo er gebraucht wird.“

Aus Sicht von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sind unterschiedliche Strompreiszonen in Deutschland eine Antwort auf den Rückstand beim Ausbau der Windenergie im Süden Deutschlands. Wer den Ausbau der Energie aus Wind und Sonne vorantreibe, solle auch Standortvorteile haben.