Schuldenbremse: Dausend Prozent

63 % der Deutschen unterstützen Christian Lindners Wunsch, weiter an der Schuldenbremse festzuhalten. Das ist das Ergebnis einer Civey-Umfrage für die ZEIT in dieser Woche (2500 Teilnehmer)

Wer sich im Wortfeld der Sparsamkeit bewegt und zwischen deren Verfallsform, dem Geiz, sowie ihren positiven wie negativen Begriffsgegensätzen, der Großzügigkeit und der Verschwendung, nach Orientierung sucht, landet unweigerlich bei der schwäbischen Hausfrau. Seit Angela Merkel sie zum Ideal vernünftigen Haushaltens erhoben hat, gilt sparsames Wirtschaften als eine Grundtugend der deutschen Politik. Das Mantra “Man kann nur das Geld ausgeben, das man zuvor eingenommen hat” verstehen nicht nur schwäbische Hausfrauen, sondern auch nicht schwäbische Hausmänner. Zum Übel des Landes.

Ein volkswirtschaftlich sinnvolleres Bild als das von der schwäbischen Hausfrau ist – zumindest in Krisen – der Frankfurter Börsenmakler. Während die Frau aus der Heimat der Kehrwoche demütig ihre drei Kröten beisammenhält, um über den heutigen Tag zu kommen, haut der Absahner aus dem Hessischen den Zaster raus, als gäbe es kein Morgen. Ökonomen nennen solch sozial auffälliges Verhalten aber nicht großkotzig, sondern antizyklisch und messen ihm stimulierende Wirkung bei. In der Krise ist Geiz ziemlich ungeil, Verschwendung eine Tugend. Bei Shakespeare heißt das passenderweise: Fair is foul, and foul is fair. Insofern wären, rein volkswirtschaftlich betrachtet, auch die drei Hexen in Macbeth (erster Akt, erste Szene) ein besseres Sinnbild für das ökonomisch Gute als die schwäbischste Hausfrau. Verruchtheit schlägt die Kittelschürze.

Nur in Deutschland nicht. Bei uns ist selbstredend Merkels Ideal beliebter als Shakespeares Hexenwerk. Bei der Wahl zwischen Bodenständigkeit und Exaltiertheit entscheiden wir uns für das Biedere. Knapp 63 Prozent der Deutschen finden es richtig, dass Finanzminister Christian Lindner (FDP) bei der Planung des Bundeshaushalts an der Schuldenbremse festhalten will (was er derzeit in hartem Ringen mit seinen Ampelpartnern tut). Knapp 25 Prozent sind gegen seine Politik. Die restlichen zwölf Prozent waren wohl unentschieden, weil sie bis zur Umfrage dachten, Schulden müsse man machen. Dass man sie auch bremsen kann, war ihnen neu.

Die schwäbische Hausfrau ist übrigens auch nicht mehr das, was sie zu Merkels Zeiten noch war. Ihr Dachverband hat sich mittlerweile umbenannt – von “Deutscher Hausfrauenbund” in “Netzwerk Haushalt”. Grund: Man wolle ein bisschen moderner daherkommen. Deutsch und Hausfrau klinge irgendwie altbacken. So wie Schulden und Bremse.