Sanierungspflicht für Immobilien: Expertin warnt vor Quasi-Enteignung von Hausbesitzern

Dachausbau und Sanierung eines Altbaus: Hohe Kosten für Eigentümer?

Dachausbau und Sanierung eines Altbaus: Hohe Kosten für Eigentümer?


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Lothar Ferstl / dpa


Die europäischen Pläne für eine Sanierungspflicht bei Immobilien stößt nicht nur bei Hauseigentümern, sondern auch bei Experten auf Kritik. Pauschal festzulegen, dass Wohngebäude bis 2030 mindestens die Energieeffizienzklasse »E« und bis 2033 die Energie­effizienzklasse »D« erreichen müssen, sei nicht zielführend, sagte Bauphysikpro­fessorin Lamia Messari-Becker dem SPIEGEL. »Die EU wälzt einen Großteil des Klimaschutzes auf die Bürger ab«, so Messari-Becker, das sei unsozial. Vor allem älteren Besitzern drohe die Quasi-Enteignung, wenn sie sich Sanierungen nicht leisten könnten und keine Kredite mehr bekämen.

Damit die EU bis 2050 klimaneutral wird, sollen Gebäude mit besonders schlechter Energieeffizienz saniert werden. Das Europaparlament hat hierzu für strengere Anforderungen gestimmt. Konkret sollen Wohngebäude bis 2030 mindestens die Energieeffizienzklasse »E« und bis 2033 die Energieeffizienzklasse »D« erreichen. Betroffen von den geplanten Neuregelungen sind europaweit schätzungsweise 35 Millionen Gebäude. Ähnlich wie bei Haushaltsgeräten soll die Energieeffizienz auf einer Skala von »A« bis »G« angegeben werden.


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Dafür soll auch das System von Energieeffizienz-Kategorien EU-weit vereinheitlicht werden. In Deutschland geht die Skala bisher von A+ bis H, in der EU reicht sie von A bis G.

Messari-Becker, Professorin an der Universität Siegen, kritisiert außerdem, dass die EU bei ihren Sanierungspflichten nördliche Staaten benachteilige. Der Heizbedarf von Gebäuden sei hier zwar viel höher, die Sanierungsrate aber auch.

Quartiere statt Einzelimmobilien

Generell sei es falsch, allein auf Einzel­gebäude zu setzen, die CO₂-Einsparmöglichkeiten seien dort schwerer zu erschließen. Stattdessen fordert Messari-Becker, stärker Quartiere in den Blick zu nehmen. Das sei ein viel anspruchsvollerer Ansatz, als nach dem Gießkannenprinzip Gebäude zu sanieren, hätte aber eine größere Wirkung für den Klimaschutz. »In Quartieren lassen sich Klimaschutzmaßnahmen kostengünstiger realisieren, etwa mit Blockheizkraftwerken oder Fernwärme.«

Gemäß dem üblichen EU-Verfahren beginnen zunächst die sogenannten Trilogverhandlungen mit der EU-Kommission und dem Rat der Mitgliedstaaten über das endgültige Gesetz. Die Positionen liegen teils weit auseinander. Während das Parlament fordert, dass Neubauten schon ab 2028 vollständig emissionsfrei sein sollen, will der Rat diese Vorgabe erst ab 2030 verpflichtend machen.



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Zudem drängen die Mitgliedstaaten auf ein Konzept, das die nationalen Voraussetzungen stark berücksichtigt. Für Staaten wie Deutschland, in denen bereits viele Gebäude saniert wurden, sollen schärfere Kriterien gelten als für ärmere Länder wie Rumänien, in denen erst wenige Häuser mit Isolationsfenstern und Wärmedämmung ausgestattet wurden. Auch sollen die Länder EU-Zuschüsse aus den Erlösen des Europäischen Emissionshandels erhalten, um soziale Härten abzufedern.

Der Bundesregierung lässt die Regelung einigen Spielraum, um die Vorgaben umzusetzen.


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