RWE-Hauptversammlung: Raus aus jener „Essener Trutzburg“

Aktionärsvertreter haben dem Energieriesen RWE Unsicherheiten mit Blick auf die langfristige Strategie des Konzerns vorgeworfen. „Der Kapitalmarkt hat Zweifel an der Ertragskraft der akquirierten Projekte“, sagte Ingo Speich von der Deka Investment, dem Wertpapierhaus der Sparkassen am Mittwoch während der digitalen Hauptversammlung des in Essen ansässigen Dax-Konzerns. Der Wind für erneuerbare Energien am Kapitalmarkt habe sich gedreht. „Aus Rückenwind ist ein scharfer Gegenwind geworden.“ An den RWE-Vorstandsvorsitzenden Markus Krebber gewandt forderte er: „Sie können nicht in Ihrer Essener Trutzburg sitzen, während sich die Welt dort draußen verändert.“ Auch Henrik Pontzen, Aktionärsvertreter von Union Investment, der Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken forderte ein „Update zur Unternehmensstrategie“, besonders mit Blick auf das unsichere internationale Umfeld.

RWE investiert seit einigen Jahren intensiv in Wind- und Solarparks, Speicher, Elektrolyseure und Kraftwerke. Einen besonderen Fokus hatte der Konzern zuletzt auf den amerikanischen Markt gesetzt. Doch unter Präsident Donald Trump, der als Erneuerbaren-Hasser bekannt ist, hat RWE eine Kehrtwende in seinen amerikanischen Aktivitäten vollzogen. Die Offshore-Aktivitäten dort seien „vorerst gestoppt“, sagte Krebber in seiner Rede. Schon im März hatte der Konzern – unter anderem wegen der Unsicherheiten in Amerika – seine Investitionsziele zusammengestrichen. Für die Jahre 2025 bis 2030 sind nun noch 35 Milliarden Euro netto geplant – noch immer eine gewaltige Investitionssumme, aber rund zehn Milliarden weniger als das ursprüngliche Ziel. Auf der Hauptversammlung am Mittwoch wiederholte Krebber den im März verkündeten Vorsichts-Kurs: „Jeder Verkehrsteilnehmer weiß: Wenn es regnet, nimmt man besser den Fuß etwas vom Gas bis die Bedingungen wieder besser werden.“

Während Aktionärsvertreter diese Vorsicht durchaus lobten, kritisierten sie zum Teil auch aus ihrer Sicht zu schwache Aktionärsrenditen. Speich sprach von einem „verlorenen Jahr“ für die Aktionäre. Der Kurs des RWE-Papiers habe trotz Dividende 27 Prozent eingebüßt, verglichen mit dem Dax sogar rund 45 Prozent. Auch Pontzen nannte das Jahr 2024 ein „schwaches Jahr für die RWE-Aktie“, der Kurs passe nicht. Pontzen forderte: „Wenn Kapital aktuell nicht gewinnbringend investiert werden kann, sollte es ausgeschüttet werden.“ Dies solle nicht indirekt über Aktienrückkäufe geschehen, sondern direkt über eine Sonderdividende. „Wenn das Tor leer steht, schießt man drauf und passt nicht zur Seite.“

Druck durch aktivistischen Investor Elliott

Schon länger setzt auch der aktivistische Investor Elliott das RWE-Management unter Druck. Das amerikanische Finanzinvestment-Unternehmen, das nach eigenen Angaben mittlerweile fast fünf Prozent der Anteile an RWE hält, teilte im März mit, es teile „die Enttäuschung des Marktes über das Fehlen von Klarheit hinsichtlich des Bekenntnisses des Unternehmens, Aktionärsrenditen zu steigern.“ Elliott forderte RWE damals auf, das laufende Aktienrückkaufprogramm „signifikant zu erhöhen und zu beschleunigen“, dazu sei aktuell eine „zwingende Gelegenheit“. RWE hatte im vergangenen Herbst ein Aktienrückkaufprogramm über bis zu 1,5 Milliarden Euro angekündigt, das im zweiten Quartal 2026 abgeschlossen sein soll.

Das RWE-Management wollte sich auf der Hauptversammlung nicht festlegen, ob das laufende Aktienrückkaufprogramm verlängert wird. „Wir haben eine diversifizierte Pipeline für künftige Investitionen“, sagte Krebber. Sollten diese nicht die Renditeanforderungen erfüllen, könne das laufende Programm nach seinem Abschluss verlängert werden. Finanzvorstand Michael Müller sagte dazu: „Wir stehen in einem ständigen Dialog mit unseren Investoren und anderen Teilnehmern an den Finanzmärkten, inklusive Elliott. Dabei ist es Aufgabe des Managements, die Rückmeldungen vom Kapitalmarkt auszutarieren.“ Für den noch nicht fest verplanten Teil des Investitionsprogramms werde RWE Anfang nächsten Jahres eine Entscheidung treffen.

Die kommunalen RWE-Aktionäre, die zusammen rund 14 Prozent der Anteile besitzen, haben den Rufen nach höheren Aktionärsrenditen hingegen eine Abfuhr erteilt. „Forderungen nach einer Sonderdividende oder Aktienrückkaufprogrammen unterstützen die kommunalen Aktionäre nicht“, sagte der Geschäftsführer des Verbandes der kommunalen RWE-Aktionäre VKA, Detlef Raphael, der Nachrichtenagentur Reuters. „In dem Moment, wo ich Geld rausgebe oder auch im größeren Umfang Aktien zurückkaufe, fehlt mir Kapital für Investitionen in erneuerbare Energien.“ Ähnlich äußerte sich Marc Tüngeler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW): „Die Zeit für Sonderausschüttungen über Dividenden oder Aktienrückkaufprogramme ist nicht gegeben“, sagte er. „Halten Sie ihr Pulver trocken.“

Personelle Veränderungen im Aufsichtsrat

Auf der Hauptversammlung läutete RWE auch einige personelle Veränderungen ein: Der Aufsichtsratsvorsitzende Werner Brandt leitete am Mittwoch sein letztes Aktionärstreffen vor seinem turnus- und wunschgemäßen Ausscheiden aus dem Gremium. Brandt kündigte am Mittwoch an, dass der frühere Post-Chef Frank Appel im Anschluss an die Hauptversammlung zu seinem Nachfolger gewählt werden solle. Appel gehört dem RWE-Kontrollgremium seit rund einem Jahr an. Unter Appels Regime wird sich also im kommenden Jahr unter anderem entscheiden, ob der Vertrag des Vorstandsvorsitzenden Markus Krebber verlängert wird, dessen Mandat im Sommer 2026 ausläuft.

Auf den frei werdenden Aufsichtsratssitz soll der Fraport-Chef Stefan Schulte rücken, der sich den Aktionären während der Hauptversammlung per Videobotschaft vorstellte. Neu ins Gremium kommt aller Voraussicht nach auch der Chef der Gewerkschaft IGBCE, Michael Vassiliadis, der als Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat den ausscheidenden Ralf Sikorski ablösen wird.