Russland: Direktorin von Moskauer Puschkin-Museum abgelöst

Das bedeutende Puschkin-Kunstmuseum in Moskau erhält eine neue Führung. Wie das russische Kulturministerium mitteilte, wird die bekannte Kunstwissenschaftlerin Marina Loschak nach zehn Jahren an der Spitze des Museums abgelöst. Nachfolgerin der in Odessa geborenen Museumsdirektorin, die nach Ministeriumsangaben „auf eigenen Wunsch“ geht, wird Jelisaweta Lichatschowa.
Lichatschowa leitete bislang das Moskauer Schtschussew-Museum für Architektur. Allerdings hat sie offenbar auch eine politisch der Regierung genehmere Vergangenheit: Wie das unabhängige Investigativportal Agentstwo berichtet, arbeitete Lichatschowa in den 2000er-Jahren für die regierungstreue Jugendorganisation Iduschtschije wmeste (Die gemeinsam Gehenden).
Iduschtschije wmeste gilt als Vorgängergruppierung der Organisationen Naschi (Die unseren) und Molodaja Gwardija (Junge Garde), der Jugendorganisation der Regierungspartei Einiges Russland. Wie Agentstwo berichtet, organisierte Lichatschowa etwa Kundgebungen zur Unterstützung Wladimir Putins. Ihre Arbeit für die Organisation wird demnach von geleakten Daten der Steuerbehörde belegt, die zeigen, dass sie ein Gehalt von Iduschtschije wmeste bezogen hatte.
Tochter bisheriger Direktorin arbeitet für oppositionellen Sender
Das Puschkin-Museum enthält eine der bedeutendsten Kunstsammlungen Russlands, darunter auch Beutekunst aus dem Zweiten Weltkrieg, die von der Roten Armee aus Deutschland in die Sowjetunion gebracht worden ist. Die bisherige Direktorin Loschak gilt als über Russland hinaus gut vernetzt. Sie hatte das Museum modernisiert und dort zahlreiche hochrangige Ausstellungen mit internationalen Themen organisiert. Diese widmeten sich etwa der italienischen Renaissance oder den niederländischen Meistern Rembrandt und Vermeer. Sie steht im Ruf, die antiliberale Kulturpolitik der Regierung nicht zu unterstützen.
Ihre Tochter Anna Mongait arbeitet zudem beim regierungskritischen Exilsender Doschdj. Sowohl Mongait als auch der Sender sind als „ausländische Agenten“ eingestuft, was einem weitgehenden Berufsverbot sowie einer öffentlichen Brandmarkung gleichkommt. Zudem darf Doschdj in Russland nicht senden.
Der Austausch Loschaks durch Lichatschowa ist der zweite Führungswechsel in renommierten russischen Museen binnen kurzer Zeit. Anfang Februar wurde die Kuratorin Selfira Tregulowa an der Spitze der weltberühmten Tretjakow-Galerie von Jelena Pronitschewa ersetzt.
Agentstwo zufolge wird die Galerie damit erstmals seit 1937 von einer fachfremden Person geleitet. Pronitschewa wurde in der derzeit russisch besetzten ukrainischen Stadt Melitopol geboren, ihr Vater war von 2003 bis 2013 Chef der Grenzschutztruppen des russischen Inlandsgeheimdiensts FSB.
Regierung übt Druck auf Kulturschaffende aus
Schon vor Beginn des Krieges gegen die Ukraine hat die Regierung von Wladimir Putin zunehmenden Druck auf Personen und Institutionen der Kulturbranche ausgeübt. Nach Kriegsbeginn wurden zahlreiche nicht regimetreue Künstlerinnen als „ausländische Agenten“ eingestuft. Bücher von Autoren, die das betrifft, dürfen beispielsweise nur mit einem entsprechenden Warnhinweis oder einer undurchsichtigen Verpackung verkauft werden.
Die neue Direktorin des Puschkin-Museums hatte offenbar bereits in ihrer Vergangenheit bei der regierungstreuen Jugendorganisation Kontakt zum Vorgehen des Staates gegen unliebsame Kulturschaffende. So hatte die Gruppe 2002 Bücher des schon damals als staatskritisch geltenden Autors Wladimir Sorokin in eine in der Öffentlichkeit ausgestellte Toilette geworfen. Später arbeitete Lichatschowa unter anderem beim Innenministerium und der Migrationsbehörde.