Ringen um Sparhaushalt: Frankreichs neue Regierung steht vor dieser Feuertaufe

Der Winterurlaub bleibt Éric Lombard in diesem Jahr verwehrt. Seit er einen Tag vor Heiligabend zum neuen französischen Wirtschafts- und Finanzminister ernannt wurde, jagt ein Termin den nächsten.

Während der Betrieb im politischen Paris aktuell vordergründig ruht, arbeiten Lombard und andere Kabinettsmitglieder im Hintergrund längst eifrig an der Agenda für die kommenden Wochen. Sie versprechen hitzig zu werden: Am 13. Januar nimmt die Nationalversammlung ihre Arbeit wieder auf, vor der der Premierminister François Bayrou tags drauf seine Regierungserklärung abgeben will.

Bis Mitte Februar soll anschließend gelingen, woran Bayrous Vorgänger Michel Barnier Anfang Dezember gescheitert war: als Minderheitsregierung gegen Widerstände von allen Seiten einen neuen Haushalt verabschieden, der Frankreichs zerrüttete Staatsfinanzen zumindest einigermaßen in Ordnung bringt.

Bis dahin kann der Staat einzig im Rahmen der Budgetplanung von 2024 Steuern erheben, Kredite aufnehmen und Ausgaben tätigen – ein Provisorium, das kein Haushaltsgesetz ersetzt und nur dafür gedacht ist, einen staatlichen „Shutdown“ wie in den USA zu verhindern.

Noch weiter einengen

Fraglich bleibt, warum die Verabschiedung eines Sparhaushalts diesmal von Erfolg gekrönt sein soll. Die Mehrheitsverhältnisse in der Nationalversammlung sind unverändert. Auch in Bayrous Kabinett finden sich keine gemäßigten Linken wie Sozialisten oder Grüne. Zusammen mit den Stimmen der radikaleren Linken und des rechtspopulistischen Rassemblement National könnten diese die neue Regierung schon im Januar stürzen.

Die Finanzmärkte bleiben vor dem Hintergrund ähnlich skeptisch wie zuletzt die Ratingagenturen. Gegenüber den als sehr sicher geltenden deutschen Papieren ist der Risikoaufschlag auf französische Staatsanleihen in den vergangenen Tagen wieder leicht gestiegen.

Zumal sich zugleich die wirtschaftliche Lage einzutrüben droht, was zu einem geringeren Steueraufkommen führen und die Haushaltsspielräume noch weiter einengen würde. „Die Signale aus den Befragungen von Haushalten und Unternehmen zeichnen ein düsteres Bild“, erklärte das nationale Statistikamt Insee vor Weihnachten.

Die politische Lage und ihre Auswirkungen auf den Haushalt blieben eine „Quelle von Unbekannten“, auch dürfte die Arbeitslosenquote in den kommenden Monaten von 7,4 auf 7,6 Prozent steigen. Nach einem Bericht der Zeitung „L’Opinion“ ist man im Wirtschafts- und Finanzministerium schon dabei, die Wachstumsprognose für dieses Jahr von 1,1 auf 0,8 Prozent zu senken.

Gesprächsbereitschaft in alle Richtungen

Der neue Minister bemüht sich um Zuversicht. „Die französische Wirtschaft hält einem schwierigen Umfeld in Europa und der Welt stand“, erklärte er in seinem ersten Interview mit der Sonntagszeitung „La Tribune Dimanche“. Und es sei „sehr anspruchsvoll“, aber notwendig und möglich, die Neuverschuldung zu reduzieren, ohne das Wachstum zu beeinträchtigen; „Resignation gehört nicht zu meinem Wortschatz“, so Lombard.

In den Verhandlungen um den neuen Haushalt demonstriert er Gesprächsbereitschaft in alle Richtungen. Er werde die Parteien und Fraktionen, die in der Nationalversammlung und im Senat, der zweiten Parlamentskammer, vertreten sind, dazu aufrufen, ins Ministerium zu kommen und in den Dialog zu treten.

Lombard zugutegehalten wird von Beobachtern neben seiner analytischen und unprätentiösen Art seine jahrzehntelange Erfahrung als Finanzfachmann ohne allzu viel parteipolitischen Stallgeruch. Das könnte für frischen Wind sorgen. Mit 66 Jahren doppelt so alt wie sein Vorgänger Antoine Armand kommt Lombard aus dem privaten Bank- und Versicherungswesen.

Er war bei BNP Paribas tätig und Leiter von Generali in Frankreich, ehe Präsident Emmanuel Macron ihn nach seiner Wahl 2017 an die Spitze der ehrwürdigen staatlichen Beteiligungs- und Finanzierungsgesellschaft Caisse des Dépôts et Consignations setzte. Sie ist Frankreichs größter institutioneller Investor mit weitverzweigten Aktivitäten etwa im Wohnungsbau und in den Sozialversicherungssystemen.

Schwer verdaulich für die Linke

Von Vorteil könnte zugleich Lombards Anschlussfähigkeit zu den gemäßigten Linken sein. Nach seiner Ernennung wurde der neue Minister von französischen Medien als „linker Banker“ tituliert, und tatsächlich steht er als Mitbegründer des Thinktanks „Les Gracques“ in der Tradition des ehemaligen sozialistischen Premierministers Michel Rocard. Früh hatte auch Macron mit der 2007 gegründeten Gruppe Kontakt, die sich die wirtschaftsfreundliche Modernisierung der Linken zum Ziel gesetzt hat.

„Ich bin beides, ein Etatist und ein Liberaler, denn man braucht beides“, sagte Lombard einmal im Gespräch mit der F.A.Z. Seine Sozialisierung entspricht freilich der vieler französischer Führungskräfte: Er wuchs im Pariser Nobelvorort Boulogne-Billancourt auf und studierte an der Elitewirtschaftshochschule HEC.

Ob die Brücken nach links ausreichen, um Sozialisten und Grüne von der Notwendigkeit eines Sparhaushalts zu überzeugen, werden die kommenden Tage weisen. Wie die Vorgängerregierung plant Lombard ein Defizit von rund fünf Prozent nach mehr als sechs Prozent im vergangenen Jahr.

Schwer verdaulich für große Teile der Linken dürfte die Ansage des neuen Ministers sein, dass der Konsolidierungsfokus nicht auf der Einnahmeseite liegen dürfe. „Um das Wachstum zu schützen, muss die Verringerung der Defizite eher über Kürzungen der öffentlichen Ausgaben als über Steuern erfolgen.“