Repression in Russland: Razzien in Moskau bei „Memorial“-Mitarbeitern
In Moskau haben Sicherheitskräfte vom frühen Dienstagmorgen an die Privatwohnungen von Mitarbeitern von „Memorial“ sowie ein Gebäude der Menschenrechtsschützer durchsucht. Betroffen waren unter anderem der Vorsitzende der Organisation, Jan Ratschinskij, und der Leiter des Rechtsschutzzentrums der Bewegung, Oleg Orlow. Auch die Wohnung der Mutter einer Mitarbeiterin wurde durchsucht.
Später teilte „Memorial“ mit, dass gegen Orlow ein Strafverfahren wegen „wiederholter Diskreditierung“ der russischen Armee eröffnet worden sei; das ist einer der im Ukrainekrieg eingeführten Zensurtatbestände. Doch die Durchsuchungen, bei denen technische Geräte und Gegenstände mit „Memorial“-Logo beschlagnahmt wurden, fanden im Rahmen von Ermittlungen um eine „Rehabilitierung des Nazismus“ statt.
Russlands Ermittlungskomitee hatte Anfang März mitgeteilt, ein entsprechendes Verfahren gegen „nicht festgestellte Mitarbeiter“ von „Memorial“ eröffnet zu haben. Staatsmedien berichteten, „Memorial“ habe in eine Liste von Personen, die zu sowjetischer Zeit Opfer staatlicher Repressionen wurden, auch solche aufgenommen, „die in den Jahren des Großen Vaterländischen Krieges mit den faschistischen Besatzern zusammenarbeiteten“.
Beiträge im Staatsfernsehen sollen „Memorial“ diskreditieren
Der Organisation wurde im vergangenen Jahr zusammen mit einer ukrainischen Menschenrechtsgruppe sowie ihrem inhaftierten belarussischen Kollegen Ales Bjaljazki der Friedensnobelpreis zugesprochen; zur Verleihung war ihr Vorsitzender nach Oslo gereist. „Es hat bei uns Tradition, dass ein Nobelpreis die Mächtigen erzürnt“, sagte Ratschinskij dazu der F.A.Z. In Russland sind „Memorial“ und das Rechtsschutzzentrum der Bewegung Ende 2021 für aufgelöst erklärt worden.
Schon das Verfahren dazu wurde von Versuchen begleitet, „Memorial“ zu diskreditieren. Präsident Wladimir Putin selbst warf der Organisation damals unter anderem vor, in ihrer Datenbank über „Opfer des politischen Terrors in der Sowjetunion“ drei Männer zu führen, die in von Deutschen besetzten Gebieten im Zweiten Weltkrieg an der Ermordung von Juden beteiligt gewesen seien. Putin nannte die Namen der drei Männer, auch den eines israelischen Forschers, der sie in der Datenbank entdeckt hatte. „Memorial“ teilte daraufhin mit, man habe die drei Einträge in der Datenbank schon drei Monate zuvor blockiert. Die Organisation war durch einen Hetzbeitrag im russischen Staatsfernsehen auf die Fälle aufmerksam gemacht worden, der „Memorial“ vorwarf, Mörder und Faschisten zu ehren.
Die Organisation erklärte damals, in der Datenbank seien mehr als drei Millionen Namen, Fehler kämen vor, man bemühe sich, sie zu finden und zu verbessern und könne „nur bedauern“, dass Putin nicht direkt bei „Memorial“ nachgefragt und einer „Sekundärquelle“ vertraut habe.
Source: faz.net