Produktion in Xinjiang: Zwangsarbeit im Tomatenmark?

Stecken in Tomatenmark aus deutschen Supermärkten Tomaten aus Zwangsarbeit in China? Diesen Vorwurf erhebt der britische Rundfunksender BBC. Konkret war in einer Laboruntersuchung Mitte dieses Jahres Tomatenmark von Edeka, Penny, Lidl und Rewe betroffen. Die Supermärkte bestreiten die Vorwürfe auf Nachfrage der F.A.Z. mehrheitlich.

Lieferant für das Tomatenmark der Supermärkte ist gemäß einer Recherche der BBC, die in dieser Woche veröffentlicht wurde, der italienische Tomatenverarbeiter Petti. Zehn Produkte des Unternehmens, vier davon für die genannten deutschen Lebensmitteleinzelhandelsketten, beinhalteten laut Laboruntersuchungen chinesische Tomaten.

Ein verdeckter Reporter, getarnt als Geschäftsmann, soll in einer Fabrik von Petti in Italien Fässer mit einem Label eines Herstellers aus der Region Xinjiang in Westchina gefunden haben. Der Hersteller stehe wegen Zwangsarbeit auf einer Sanktionsliste der USA. Petti bestritt die Vorwürfe gegenüber der BBC, räumte aber ein, Tomaten aus China zu kaufen, und kündigte an, künftig keine Tomatenprodukte mehr aus China zu beziehen.

Auf Anfrage der F.A.Z. versuchte Petti, die Vorwürfe weiterzureichen. Die Un­tersuchung richteten sich nicht gegen Produkte der Marke Petti, sondern „vor allem gegen einige europäische Supermarktketten“. Diese würden von den Fabriken, die die Eigenmarkenprodukte herstellten, niedrige Preise verlangen, auch durch die Verwendung von Rohstoffen von außerhalb Europas.

Diese werden unter der Bezeichnung „EU/Nicht-EU“ in den Handel gebracht. Petti kündigte gegenüber der F.A.Z. an, auf dem Rechtsweg gegen die BBC vorzugehen und Schadenersatz zu verlangen. Zudem sprach der Konzern eine Warnung gegen „alle Zeitungen aus, die falsche und unangemessene Nachrichten verbreiten“.

China als größter Tomatenproduzent der Welt

Menschenrechtsverletzungen Chinas in der Region Xinjiang sind gut dokumentiert. Diese richten sich gegen die Minderheit der Uiguren, zeitweise waren dort Berichten zufolge Hunderttausende Uiguren in sogenannten Umerziehungslagern interniert. Auch auf Tomatenfeldern kam es zu Zwangsarbeit, zitiert das Rechercheteam uigurische Augenzeugen. Peking bestreitet die Vorwürfe vehement.

Auch gegen die BBC-Recherche schoss die chinesische Propaganda scharf. Es handle sich um eine „unverhohlene Hetzkampagne gegen China“, schrieb die Parteizeitung „Global Times“ in einem Kommentar. Die Berichte westlicher Medien führten zu „Zwangsarbeitslosigkeit und Zwangsarmut“ in Xinjiang. Die Tomatenernte sei weitgehend automatisiert, behauptete das Propagandamedium weiter.

China ist der größte Tomatenproduzent der Welt, und Xinjiang das größte Anbaugebiet in China. Nach Angaben der Welternährungsorganisation FAO werden in China im Jahr 2022 rund 68,3 Millionen Tonnen Tomaten geerntet. Damit stammt mehr als ein Drittel der weltweiten Tomatenproduktion aus China. Der größte Teil der Ernte wird in China selbst verbraucht. Unter den Exportnationen liegt das Land mit rund 306.000 Tonnen im Jahr 2022 auf Platz sieben. Nach Angaben chinesischer Staatsmedien steht Xinjiang für rund 80 Prozent der Tomatenanbaufläche in der Volksrepublik.

Deutsche Lebensmittelhändler weisen Vorwürfe zurück

Die Handelsketten bestreiten die Vorwürfe auf Nachfrage der F.A.Z. mehrheitlich. Die Edeka-Kette, in deren Tomatenmark „Gut und Günstig“ sich laut der Analyse chinesische Tomaten fanden, teilte mit, eigene Analysen hätten ergeben, dass die Eigenmarkenprodukte „andere Herkünfte haben und von den Vorwürfen nicht betroffen sind“.

Auch Rewe und Penny widersprechen. „Unsere Produkte Rewe Bio Tomatenmark und Penny Naturgut Bio Tomatenmark enthalten keine Rohware aus China, die Herkunft Italien sowie die Bioqualität sind korrekt deklariert“, so eine Sprecherin.

Gemäß den Vorgaben für den Lieferanten A. Petti sei die Verwendung von chinesischer Roh­ware für die genannten Eigenmarken ausgeschlossen. Für die Dauer der eigenen Untersuchungen habe man die betroffenen Produkte für den Verkauf gesperrt und weitere Analysen veranlasst. Diese hätten aber Xinjiang als Herkunft der Tomaten ausgeschlossen.

Auf Nachfrage teilte auch Lidl mit, dass in den Verträgen mit den Lieferanten A. Petti und Giaguaro Spa Waren aus China ausgeschlossen seien. Beide Lieferanten hätten bestätigt, dass sie zwar Waren aus China beziehen, diese aber nicht in den Produkten verwenden. Auch eigene Tests hätten die italienische Herkunft der Tomaten bestätigt. In Lidls Fall war das Tomatenmark der Marke Baresa be­troffen.

Lidl räumt jedoch ein: Der Lieferant Giaguaro Spa habe im Jahr 2023 Lieferprobleme gehabt. „Damals wurde für ei­nen kurzen Zeitraum ausnahmsweise Wa­re aus China akzeptiert, um den Lieferengpass zu überbrücken“, so eine Sprecherin. Die Chargen hätten aber nicht den von der BBC getesteten entsprochen. Die Details dieser Ausnahme untersuche man derzeit intern.

Den Vorwurf der Zwangsarbeit gibt es indes nicht nur in China, sondern auch in Italien. Die Arbeitsbedingungen in der Tomatenindustrie in Süditalien beschreiben Menschenrechtsorganisationen seit vielen Jahren als Form moderner Sklaverei.