Private Equity: Zwischen Dürre und Flut

In Berlin feierte die deutsche Private-Equity-Branche gerade einen feinen Erfolg: Ihr Lobbyverband BVK begrüßte auf dem Jahrestreffen als Redner vormittags Finanzminister Christian Lindner, nachmittags Wirtschaftsminister Robert Habeck. Beide wurden von den Hunderten Zuhörern freundlich empfangen: also nicht nur der Chef der FDP und damit jener Partei, welcher Finanzinvestoren tendenziell am nächsten stehen. Sondern auch der Mann der Grünen, mit denen die Anlageprofis eher fremdeln.

Damit stellten sie sich ein gutes, wenn auch nicht überraschendes Zeugnis aus. Entgegen ihrem Ruf sind viele der führenden deutschen Beteiligungsmanager nicht die Kaltkapitalisten, die ausschließlich die Rendite im Sinn haben. Sondern Männer und Frauen, die jenseits des Geschäfts im großen Bild denken – und auch die Perspektive der politisch eher fernen Seite erkennen. Natürlich mag noch ein anderer Faktor eine Rolle spielen: Es kann nicht schaden, sich mit dem Wirtschaftsministerium gutzustellen, aus dem branchenrelevante Gesetzesentwürfe kommen. Aber einige lobende Worte für das Ministerium unter Habecks Führung waren auch in Gesprächen beim Abendempfang zu hören, ohne erkennbare berechnende Absicht.

„Wir beißen uns in den Hintern“

Lindner und Habeck lieferten auf dem Jahrestag in der Hauptstadtrepräsentanz der Deutschen Telekom starke Auftritte in für sie schwieriger Zeit. Lindner witzelte in geschliffener Rede über die liberale Opposition innerhalb der Koalition, warb für eine „wirtschaftspolitische Zeitenwende“ angesichts schwacher Dynamik in Deutschland. Habeck redete zwar hastig und wirkte angegriffen, punktete aber mit offener und origineller Sprache. Namentlich zum Zustand der Koalition, die im Übrigen nach Befund beider – Lindners und Habecks – eigentlich ganz gute Resultate liefert, nur eben im Prozess dorthin holpert. „Wir beißen uns regelmäßig in den Hintern, dass wir das nicht besser verkauft kriegen“, sagte Habeck. Doch das, so lässt er an anderer Stelle durchblicken, wird sich schon wieder legen, denn: „Die dunkelste Stunde der Nacht ist immer vor Sonnenaufgang.“

Nähme sich an solch plastischer Sprache doch jemand ein Beispiel unter den Finanzinvestoren: Kommende Woche trifft sich die Branche wieder in Berlin, aber diesmal in viel größerer Dimension. Die internationale jährliche Hochmesse „Superreturn“ („Super-Rendite“) steht an. Die Redner aus aller Welt pflegen ihre Einschätzungen zu Margen, Marktzyklen und (Preis-)Multiplikatoren derart trocken vorzutragen, dass es staubt. Ausnahmen bestätigen die Regel – wie Veteran David Rubenstein, Ko-Gründer der Branchengröße Carlyle, der mit Sprachwitz die großen Züge in Politik und Wirtschaft beleuchtet. An Messeständen in den Fluren präsentieren derweil Steuerparadiese wie Guernsey ihre Vorzüge und demonstrieren das Talent der Branche, neben dem großen Bild das kleine nicht außer Blick zu lassen: die Optimierung des monetären Eigenwohls.

Eigenes Geld zuhauf, doch kein Kredit

Inhaltlich prägt gerade ein Kontrast die Lage: Einerseits verwalten die Finanzinvestoren Kapitalzusagen ihrer Geldgeber in Rekordhöhe: Das „Trockenpulver“, so der Fachjargon, bestand nach Kalkulation der Beratung Bain Ende vergangenen Jahres aus 3,7 Billionen Dollar. Andererseits sind die Zinsen gestiegen und die Konjunkturaussichten schlechter; Banken zögern seit einiger Zeit, Kredite für Milliardentransaktionen auszureichen. Das belastet nicht nur die Private-Equity-Branche, sondern den Markt für Fusionen und Übernahmen insgesamt, wie das Beispiel Schenker zeigt: Die Deutsche Bahn prüft, ihre Logistik-Tochtergesellschaft abzugeben – braucht aber Beteiligungsgesellschaften, um in der Auktion den Preis hochzutreiben. Doch die Investoren haben Schwierigkeiten, für solch eine Transaktion das Fremdkapital aufzutreiben „Erst wenn Private Equity die Finanzierung wieder gestemmt bekommt, dürfte der Prozess gestartet werden“, sagt ein Insider aus der Investorenszene (F.A.Z. vom 27. Mai). Immerhin sendet gerade die Beteiligungsgesellschaft Partners Group ein Si­gnal: Sie hat Investmentbanken zu Präsentationen eingeladen, um den Heizkostenableser Techem weiterzureichen, Wert etwa 8 Milliarden Euro. Partners Group setzt also offenkundig darauf, dass in einigen Monaten ausreichend Fremdkapital am Markt verfügbar ist. Global schrumpfte das addierte Volumen der Beteiligungskäufe und -verkäufe mit Finanzinvestoren im bisherigen Jahresverlauf (Stichtag 1. Juni) auf ein Drittel: auf 213 Milliarden von 659 Milliarden Euro im Vergleichszeitraum des Vorjahrs, wie der Datendienstleister Dealogic vorrechnet.

Spezialfonds für geliehenes Geld

Ungünstige Finanzierungsbedingungen versus prall ge­füllte Töpfe an Eigenmitteln – BVK-Geschäftsführerin Ulrike Hinrichs fasst die gegenläufigen Effekte zusammen: „Unsichere Geschäftsaussichten und Zinserhöhungen belasten das Buy-out-Geschäft. Transaktionsprozesse wurden komplexer und langwieriger“, sagt sie. „Gleichzeitig verfügen viele, nicht nur internationale Gesellschaften über gut gefüllte Fonds und suchen nach attraktiven Investitionsmöglichkeiten.“

Noch trüber am Kreditmarkt sähe es aus, wenn nicht inzwischen neben den Banken spezialisierte Fonds aufträten, die weniger stark reguliert Geld ausleihen: im Jargon Debt Funds genannt. „Debt Funds spielen weiterhin eine wichtige Rolle bei der Schließung von Finanzierungslücken, da Kreditgeber allgemein bei der in Anbetracht des weltweit unsicheren Wirtschaftsklimas bei der Finanzierung von Transaktionen zurückhaltender geworden sind“, urteilt Oliver Felsenstein von der Kanzlei La­tham & Watkins. Sie könnten „häufig schneller agieren als Banken“, was den Private-Equity-Fonds ermögliche, aufgrund der engen Verbindungen Deals schneller abzuschließen. „Debt Fonds sind immer größer und immer relevanter geworden“, sagt Robin Cresswell, Investmentbanker im Kreditverkaufsgeschäft der Deutschen Bank.

Silberstreif am Horizont?

In den vergangenen drei Monaten initiierten Private-Equity-Gesellschaften wieder mehr Transaktionen, allerdings nur im mittelgroßen Segment („Mid Cap“), also typischerweise im Volumen von mehreren Hundert Millionen Euro – nicht im „Large Cap“-Segment der Milliardendeals: „Seit etwa Anfang März haben wir deutlich mehr Geräusch im Mid-Cap-Segment“, sagt Julian Lemor, Private-Equity-Spezialist der Kanzlei Noerr. Im Großsegment passiere dagegen weiterhin weniger. Deutsch-Banker Cresswell registriert ebenfalls im Mittelsegment anziehende Aktivität in den vergangenen zwei bis drei Monaten. Eine Reihe Transaktionen habe auch geklappt, aber in allerjüngster Zeit seien einige abgesagt worden, weil die Erwartungen der potentiellen Verkäufer nicht erfüllt worden seien.

Denn die Bewertungen sind gesunken – und damit können sich Verkäufer vielfach noch immer nicht abfinden. Das Barometer des Finanzinvestors Argos Wityu, das die Bewertungen nichtbörsennotierter kleinerer und mittlerer Unternehmen in der Eurozone ermittelt, fiel im Schlussquartal 2022 erstmals seit Beginn der Corona-Krise unter die Marke des Zehnfachen des jährlichen Ergebnisses vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) – und gab im Auftaktquartal noch eine Spur nach auf 9,7.

Ein Käufermarkt

Nach Ansicht von Hannover Finanz hat sich der Markt zu einem Käufermarkt gedreht, woraus der mittelstandsorientierte norddeutsche Investor seine Konsequenz zieht. „Dieses Jahr ist wahrscheinlich eher das Jahr der Zukäufe als das Jahr der Verkäufe“, sagt Vorstandssprecher Goetz Hertz-Eichenrode im F.A.Z.-Gespräch. Die Dealogic-Daten bestätigen den Befund auf globaler Ebene: Wenn die Private-Equity-Aktivität im bisherigen Jahresverlauf zurückgegangen ist, so liegt das überproportional an der Verkaufsseite: Deren addiertes Volumen schrumpfte im bisherigen Jahresverlauf auf weniger als ein Viertel, nämlich auf 69 Milliarden von 296 Milliarden Euro. Rainer Lenhard, Deutschlandchef des skandinavischen Investors Nordic Capital, sieht immerhin Chancen für stark wachsende und innovative Unternehmen: „Für gute Unternehmen bekommen Sie immer noch gute Preise. Es gibt eine Flucht in hohe Qualität.“

Die Lage wird durch die Unsicherheit für Börsengänge erschwert, welche den Unternehmenshändlern in normalen Zeiten einen Plan B neben einem Direktverkauf eröffnen – oder sogar den Plan A darstellen. Obwohl der Dax sich um sein Rekordniveau herum bewegt, lahmen die Initial Public Offerings (IPOs): „Wir sehen in Deutschland durchaus starke IPO-Kandidaten“, sagt Markus Meier, Eigenkapitalmarktchef der Bank of America in Deutschland, zwar. Das Umfeld habe sich etwas stabilisiert, das Investoreninteresse an Neuemissionen steige wieder. Aber das sind Hoffnungen für die Mittelfrist. In den nächsten zwölf bis 24 Monaten, so Meiers Erwartung, würden „vermehrt Kandidaten aus den Portfolien von Private-Equity-Unternehmen einen Börsengang anstreben“.

Source: faz.net