Private Altersvorsorge: Deutsche verlieren vollends den Glauben an die gesetzliche Rente

Das Problem ist bekannt. Dass die Rente nicht mehr sicher ist, wie es der damalige Bundesarbeitsminister Norbert Blüm 1986 noch propagiert hat, dämmert vier Jahrzehnte später der Mehrheit der Deutschen. Die Deutsche Bank und ihre Tochtergesellschaft DWS haben dies jetzt noch mal durch eine Umfrage in Zahlen gefasst. 83 Prozent der 3200 für den „Altersvorsorge-Report 2025“ befragten Deutschen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren hält die gesetzliche Rente für „nicht mehr zukunftssicher“. Als die Befragung im Jahr 2019 das letzte Mal durchgeführt wurden, waren lediglich 54 Prozent dieser Ansicht.

Dies zeigt, wie sehr das Vertrauen in die gesetzliche Rentenversicherung allein in den vergangenen sechs Jahren erodiert ist. Das lässt die Banken in Deutschland Morgenluft schnuppern. Hoffen sie doch schon seit Jahren darauf, dass die Bundesbürger noch stärker am Kapitalmarkt investieren, was auch den Provisionserträgen der Institute zuträglich ist. Hinzu kommt, dass führende Manager von Deutschlands größter Geschäftsbank, die mit ihren Marken Deutsche Bank und Postbank hierzulande 19 Millionen Kunden, also fast jeden vierten Bürger zählt, Rückenwind aus Berlin verspürt. „Die Bundesregierung erkennt die Probleme. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, darüber zu sprechen“, sagte Claudio de Sanctis, im Vorstand der Deutschen Bank für das Privatkundengeschäft zuständig, auf einer Pressekonferenz in Frankfurt.

Bei der Tochtergesellschaft DWS, deren Geschäft der Verkauf von Fonds ist, sind noch euphorischere Stimmen zu hören. „Es sind absolut positive Stimmen seitens der Bundesregierung“, sagte Björn Deyer, Leiter Altersvorsorge bei der DWS, und fügt hinzu: „Vielversprechend sind deshalb die kommende Reform der Riester-Rente mit einem Altersvorsorgedepot und die geplante Frühstart-Rente. Diese Instrumente könnten nicht nur die Altersvorsorge langfristig sichern helfen, sondern auch der Kapitalmarktkultur in Deutschland einen starken Impuls geben.“

Der Referentenentwurf zum Altersvorsorgedepot, das Teil der reformierten Riester-Rente werden soll, sei fertig, wusste Deyer zu berichten. Was auch ein bisschen daran lag, dass er noch in der Schublade lag, bevor die Ampelkoalition im vergangenen Herbst zerbrach.

Ein wenig Anleitung, das ist wohl das, was sich die Deutschen wünschen. Auch das hat die Umfrage ergeben. Denn der Aussage, dass „der Staat eine verpflichtende private Altersvorsorge einführt“, stimmt eine Mehrheit von 58 Prozent zu, nur 17 Prozent lehnen dies ab, der Rest ist ob dieser Frage unentschieden. Denn „freiwillig“ sorgt nur eine Minderheit für den Ruhestand vor. „Umfassend“ sagten 14 Prozent, 17 Prozent der Männer und zwölf Prozent der Frauen. Immerhin 38 Prozent (40 Prozent der Männer und 37 Prozent der Frauen) tun dies zwar, „aber eher wenig“. Das hängt nicht nur mit dem verfügbaren Mitteln zu tun, denn 70 Prozent legen mindestens einen Euro monatlich für den Ruhestand zurück.

Ein Stück weit haben die Banken sich das aber auch selbst zuzuschreiben. Denn nur 35 Prozent der vom Meinungsforschungsinstitut Civey im Auftrag der Deutschen Bank und der DWS Befragten fühlen sich „gut informiert“. Das sind zwar fünf Prozentpunkte mehr als noch 2019, bleibt aber eine Minderheit. Folgerichtig wünscht sich mit 56 Prozent eine Mehrheit mehr Hilfe bei Finanzentscheidungen, bei den Jüngeren, die gerade ins Berufsleben eingetreten sind, liegt die Zahl sogar bei 69 Prozent der Befragten.

So sorgen die meisten Deutschen auch mit einer klassischen Lebens- und Rentenversicherung für das Alter vor (51 Prozent). Auf die Riester-Rente setzen 34 Prozent, auf den ETF-Sparplan 27 Prozent. 62 Prozent wären auch bereit, zugunsten einer höheren Rendite mehr Risiko einzugehen, wobei die Bereitschaft dazu mit höherem monatlichen Nettoeinkommen deutlich ansteigt.

Darauf wird es wohl auch hinauslaufen, wenn die Institute Produkte nach den neuen, noch zu finalisierenden gesetzlichen Vorgaben herausbringen. Garantieleistungen, wie sie noch in der klassischen Form der Riester-Rente vorgesehen waren, soll es nicht mehr geben, deutete Raffael Gasser, Leiter Wealth Management Deutschland der Deutschen Bank, an. Es gehe um „unbürokratische und vor allem flexible Produkte, die sich vor allem verschiedenen Lebensphasen“ anpassten. Eine Garantieleistung vernichte nur Rendite, so der Banker. Und sie sei auch nicht nötig, weil auf den Kapitalmarkt Verlass sei. „Über die vergangenen 50 Jahre hat der MSCI World eine zweistellige Rendite erzielt“, sagte Gasser. Und Krisen habe es in der Zeit genug gegeben, vom Platzen der Dot.com-Blase zur Jahrtausendwende über die Finanz- und Eurokrise bis hin zur Corona-Pandemie vor wenigen Jahren, zählte der für vermögende Kunden verantwortliche Banker der Deutschen Bank auf.

Source: faz.net