Presseschau Bremen-Wahl: Von Landesvätern und der Brötchentaste

Der amtierende SPD-Bürgermeister Andreas Bovenschulte scheint nach aktuellen Prognosen der klare Sieger der Bremer Bürgerschaftswahl zu sein. Eine Fortsetzung der Rot-Grün-Roten Koalition halten viele Kommentatoren in der deutschen Presse für wahrscheinlich. Für das schlechte Abschneiden der Grünen sehen einige Beobachter den Grund im schlechten Zustand der Bundespartei – oder auch in einer verkehrspolitischen Fehlentscheidung in einem Bremer Stadtteil.

Der Nordbayrische Kurier aus Bayreuth schreibt, der voraussichtliche Wahlsieger Andreas Bovenschulte (SPD) verkörpere „das Bild eines ‚Landesvaters‘ wie es zuletzt nur Henning Scherf tat“, der von 1995 bis 2005 Bremer Bürgermeister war. Während der Pandemie habe Bovenschulte vieles besser gemacht als andere Landesregierungen. Die Zeitung weist darauf hin, dass Bremen für 2022 ein Wirtschaftswachstum aufweise wie kein anderes Bundesland.

Die Verlierer der Bremen-Wahl sind aus Sicht der Zeitung Grüne und CDU. Auf die Grünen habe der Negativtrend der Bundespartei abgefärbt, die CDU habe kaum mit Themen punkten können: „Vermutlich wusste die CDU selbst nicht, für was sie steht, nachdem die Wahlplakate von der Farbgebung der SPD zum Verwechseln ähnlich sahen“, schreibt die Zeitung.

Aus Sicht der Neuen Osnabrücker Zeitung zeigt die Bremen-Wahl einen Trend auf: „Den Wählern in den Ländern sind Persönlichkeiten wichtiger geworden als Parteibücher“, schreibt die Regionalzeitung. Andere Beispiele seien Malu Dreyer (SPD) in Rheinland-Pfalz, Reiner Haseloff (CDU) in Sachsen-Anhalt und Stephan Weil (SPD) in Niedersachsen. Sie alle hätten unabhängig von den Umfragewerten ihrer jeweiligen Bundespartei Wahlen in „ihren“ Ländern gewinnen können.

Das Nachrichtenportal OM-Online aus Vechta und Cloppenburg analysiert, die Fortsetzung der Koalition aus SPD, Grünen und Linke sei derzeit am wahrscheinlichsten. In möglichen Koalitionsverhandlungen zurückstecken müssten die Grünen. Auch OM-Online sieht den Grund für das schlechte Wahlergebnis eher auf Bundesebene: „Die Graichen-Affäre und die desaströse Kommunikation in Sachen Heiz-Pläne aus dem Habeck-Ministerium in Berlin hat auch die Bremer nicht kalt gelassen.“

Kein Anreiz für Große Koalition

Zu einem ähnlichen Schluss kommt die Schwäbische Zeitung: „Die Partei hat im Moment keinen Lauf. Verkehrswende, Heizwende, überhaupt die Energiewende insgesamt, und all das gleichzeitig: Da fühlen sich viele Wähler überfordert“, schreibt die Zeitung. Die enttäuschten Grünen-Wähler seien vor allem zur SPD abgewandert.

Auch das Blatt aus Ravensburg geht von einer Fortführung der rot-grün-roten Koalition aus, vor allen Dingen wegen der Verluste der CDU: „Die CDU profitiert nicht, verliert sogar ihre Position als größte Fraktion in der Bürgerschaft. Ein Anreiz für die SPD, das bisherige rot-grün-rote Bündnis zugunsten einer Großen Koalition zu verlassen, ist das nicht“, argumentiert die Schwäbische Zeitung

Für die Magdeburger Volksstimme ist offen, ob es beim alten Regierungsbündnis bleibt, auch eine Große Koalition scheine in Reichweite. „Das gäbe der Union bundesweit nach dem Berlin-Erfolg einen gewissen Auftrieb“, kommentiert die Zeitung. Beachtlich ist für die Volksstimme das „gesammelte Bremer Protestpotential“, welches sich nach dem Ausfall der AfD in den Erfolgen der Bürger in Wut ausdrücke. 

Die Wut der Kurzzeit-Parker

Die taz hält eine Große Koalition an der Weser für unwahrscheinlich – es sei denn, „die Grünen verdrücken sich wegen Liebesentzug in die Schmollecke“. Aus Sicht der Zeitung haben die Bremer Grünen vermeintlich kleine Probleme nicht ernst genug genommen und kassieren nun die Quittung dafür.

„Wer Kleinstprobleme nicht ernst nimmt, wird bei den großen Themen nicht vorankommen“, urteilt die taz. Als Beispiel nennt sie die Brötchentaste: Dies ist eine Option an Parkscheinautomaten, um ein Gratis-Ticket für kurzes Parken zu lösen, beispielsweise zum Brötchen kaufen. Diese Funktion war in einem Bremer Stadtteil abgeschafft worden, Umweltsenatorin Maike Schäfer hatte die Funktion im April gestrichen. Dies habe „massiv für böses Blut und etliche Aufmacher der Lokalzeitung gesorgt“. 

Auch die Berliner Morgenpost ist sicher, dass die Brötchentaste wahlentscheidend war: „Die katastrophalen Umfragen der Bremer Grünen allein auf die Brötchentaste zurückzuführen, wäre zu einfach. Doch sie reiht sich in eine Reihe von Verkehrsexperimenten, die bei Bremer Autofahrern nicht gut ankamen“, schreibt die Zeitung.