Präsidentschaftswahl in Polen: Rechter Kandidat Nawrocki liegt laut Prognose leichtgewichtig in Vorhut
Bei der Präsidentschaftswahl in Polen sehen erste Prognosen die Kandidaten nahezu gleichauf. Eine Prognose des Instituts Ipsos um 23.00 Uhr sah den Rechtsnationalisten Karol Nawrocki, der von der Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) unterstützt wird, mit 50,7 Prozent der Stimmen knapp vorn. Der proeuropäische Kandidat der regierenden Bürgerkoalition (KO) und Bürgermeister von Warschau, Rafał Trzaskowski, kann demnach mit rund 49,3 Prozent rechnen.
Eine erste Prognose von 21.00 Uhr hatte Trzaskowski mit 50,3 Prozent der Stimmen knapp vor Nawrocki gesehen, der demnach auf 49,7 Prozent kam. Die Zahlen beruhen Nachwahlbefragungen in 500 Wahllokalen und
Teilauszählungen in 250 davon. Nach Angaben des
Meinungsforschungsinstituts Ipsos haben diese detaillierten Prognosen
eine Fehlertoleranz von einem Prozentpunkt.Hochrechnungen auf Basis
ausgezählter Stimmen gibt es in Polen nicht. Das amtliche Endergebnis
wird am Montagvormittag erwartet.
Beide Kandidaten gaben sich trotz des äußerst knappen Ergebnisses am Wahlabend siegessicher. „Wir haben hauchdünn gewonnen“, sagte Trzaskowski nach Bekanntgabe der ersten Zahlen vor seinen Anhängern in Warschau. Nawrocki teilte mit: „Wir werden heute Nacht gewinnen.“
Hochrechnungen auf Basis
ausgezählter Stimmen gibt es in Polen nicht. Auf
Grundlage der bisherigen Zahlen ist aktuell noch kein klarer Sieger erkennbar. Das amtliche Endergebnis
wird am Montagvormittag erwartet.
Rekordbeteiligung in Deutschland
Knapp 29 Millionen Polinnen und Polen waren zu der Stichwahl aufgerufen, um einen Nachfolger für Präsident Andrzej Duda zu wählen. Dieser durfte nach zwei Amtsperioden nicht noch einmal antreten.
Die Wahlbeteiligung stieg laut den Zahlen von Ipsos deutlich im
Vergleich zur letzten Wahl im Jahr 2020. Diesmal gingen 72,8 Prozent der
Berechtigten zur Wahl, damals waren es nur 68,2 Prozent gewesen. In Deutschland ließen sich mehr als 115.000 polnische Staatsangehörige
registrieren – so viele wie nie zuvor. In insgesamt 54 Wahllokalen
konnten sie ihre Stimme abgeben.
Trzaskowski hatte den ersten Wahlgang am 18. Mai mit 31,4 Prozent knapp für sich entschieden, Nawrocki kam auf 29,5 Prozent. Den dritten Platz belegte damals Sławomir Mentzen von der rechtsextremen Konfederacja mit knapp 15 Prozent. Die linken Kandidaten Magdalena Biejat und Adrian Zandberg erhielten jeweils weniger als fünf Prozent. Von den unterlegenen Bewerberinnen und Bewerbern sprach sich nur Biejat offen für Trzaskowski aus.
Auch in Umfragen vor der Wahl lagen Trzaskowski und Nawrocki zuletzt nahezu gleichauf.
Realistisch galt Nawrocki jedoch als leicht favorisiert, da in der
ersten Runde eine Mehrheit der Stimmen an rechte und rechtsextreme
Kandidaten ging.
Angesichts des engen Rennens warnte Armin Laschet, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, vor voreiligen Schlüssen. „Der Jubel ist vielleicht noch etwas verfrüht, aber eines zeigt das Resultat: Die polnische Gesellschaft ist tief gespalten“, sagte der CDU-Politiker auf phoenix.
Richtungswahl mit Folgen für Europa
Die Wahl gilt als richtungsweisend für die politische Ausrichtung des Landes – innen- wie außenpolitisch. Zwischen 2015 und 2023 hatte die PiS unter Parteichef Jarosław Kaczyński zentrale Teile der Justiz unter politische Kontrolle gebracht, Richterposten neu besetzt und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk umgebaut. Die EU warf Polen mehrfach Verstöße gegen rechtsstaatliche Prinzipien vor. Die Regierung unter Donald Tusk will diesen Umbau rückgängig machen, wurde bislang jedoch vom PiS-nahen Präsidenten Andrzej Duda per Veto ausgebremst. In Polen amtiert der Präsident fünf Jahre.
Im Parlament verfügt Tusks Koalition nicht über die nötige Mehrheit von 60 Prozent, um Vetos des Präsidenten aufzuheben. Nawrocki kündigte an, die politische Blockade fortzusetzen, falls er die Wahl gewinnt. Beobachter halten bei einem Wahlsieg Nawrockis sogar vorgezogene Parlamentswahlen für denkbar.
Beide Kandidaten unterstützen höhere Verteidigungsausgaben
Außenpolitisch sprachen sich beide Kandidaten für Verteidigungsausgaben von fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. In Fragen der EU und der Ukraine verlaufen jedoch klare Trennlinien.
Nawrockis Wahlkampf war geprägt von nationalistischen Tönen,
EU-Skepsis und Angriffen auf Migrantinnen und Migranten. In
gesellschaftspolitischen Fragen vertritt er ultrakonservative
Positionen, lehnt etwa die Legalisierung von Abtreibung und die
Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ab. Auch seine
Biografie sorgte für Kritik: Medien berichteten über frühere Kontakte zu Rechtsextremen und Hooligans und
von einem umstrittenen Immobilienkauf. Nawrocki wies die Vorwürfe
zurück. Zudem lehnt er eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine ab und
spricht gezielt anti-ukrainische Ressentiments an, die in Polen zuletzt
zugenommen haben.
Trzaskowski gilt als proeuropäisch und gehört
eigentlich zum progressiven Flügel der liberalkonservativen
Bürgerplattform (PO), die Teil des von Donald Tusk geführten
Parteienbündnisses Bürgerkoalition (KO) ist. Im Wahlkampf stellte er dieses Profil aber kaum in den Vordergrund. Mit restriktiver Rhetorik
in der Migrationspolitik und protektionistischen Wirtschaftsversprechen
wollte er in den vergangenen Wochen stattdessen die Wählerinnen
und Wähler am rechten Rand erreichen. Trzaskowski bekennt sich zur Unterstützung der
Ukraine, kündigte aber ebenfalls an, Kindergeld für nicht erwerbstätige
ukrainische Geflüchtete zu streichen.