Plötzlich locken Sonderangebote für Fahrräder

Plötzlich sind nun die Lager der Fahrradhändler übervoll. Manche haben offenbar Liquiditätsprobleme und werden wohl mit günstigen Preisangeboten einen Teil ihrer Ware losschlagen. Das erwartet Thomas Kunz, Geschäftsführer des Handelsverbandes Zweirad VDZ, für die kommenden Wochen. Der Handel habe innerhalb von wenigen Monaten Extremsituationen erlebt. Die ersten neun Monate 2022 seien von Lieferengpässen geprägt gewesen, vor allem bei Fahrrädern ohne Elektroantrieb, Ersatzteilen sowie Nischenprodukten wie elektrische Mountainbikes.

Fahrradhersteller und Importeure hätten dann aber Ende 2022 auf einen Schlag die lange ausstehende Ware von 2021 und 2022 geliefert, dazu auch gleich noch die Ausstattung für das Jahr 2023. „Abverkaufsaktivitäten mit relativ großen Preisnachlässen waren zunächst bei den Onlinehändlern und zunehmend auch im Fachhandel zu sehen“, berichtet Kunz.

Die Marktsituation wird zwar immer noch als attraktiv beschrieben, dennoch gibt es mehr Konkurrenz. Autohäuser und Motorradhändler engagierten sich nun auf dem Fahrradmarkt, auch Möbelhäuser. Fachhändler eröffneten neue Filialen, zudem bieten Hersteller eigene markengebundene Geschäfte.

Alles, nur keine Rabattschlachten

Der Vertreter der Fahrradhändler wünscht sich allerdings nun keine Rabattschlachten. „Das Herausstellen der eigenen Serviceleistungen sind ein probates Mittel dagegen“, sagt Kunz. Während früher viele Radfahrer selbst an ihrem Gefährt geschraubt haben, sind die Produkte mit Elektroantrieb nun komplizierter geworden und brauchen mehr Service. Zugleich ist es für geleaste E-Bikes vorgeschrieben, dass sie zum Service in die Werkstatt kommen.

Tatsächlich berichtet der Verband der Fahrradindustrie ZIV, dass Billiganbieter auf dem Fahrradmarkt wie Discounter und Baumärkte zuletzt an Marktanteil verloren hätten. Dort kauften nach den Daten des Verbandes 2022 nur noch 2 Prozent der Kunden ihr Fahrrad. Im Vorjahr war der Anteil noch doppelt so groß. 73 Prozent der Käufer wandten sich dagegen an den lokalen Fachhandel, 3 Prozent bestellten im Internet beim Fachhändler, 21 Prozent dagegen bei allgemeinen Online-Händlern. Die Fahrräder mit elektrischem Hilfsantrieb bescheren der deutschen Fahrradbranche weiterhin stürmisches Wachstum.

2023 erstmals mehr verkaufte E-Bikes als normale Fahrräder

Der Verband ZIV erwartet, dass 2023 erstmals mehr E-Bikes als „normale“ Fahrräder verkauft werden. Im vergangenen Jahr kamen die E-Bikes mit einem Absatz von 2,2 Millionen noch auf einen Anteil von 48 Prozent des Gesamtmarktes, gegenüber 2,4 Millionen Fahrräder ohne Zusatzantrieb. Der gesamte Fahrradabsatz in Deutschland lag 2022 mit 4,6 Millionen leicht unter dem Ergebnis des Vorjahres und deutlich unter dem Spitzenwert von 5 Millionen im Covid-Jahr 2020.

Allerdings sorgt das wachsende Interesse an E-Bikes für immer neue Umsatzrekorde. Deren Absatz lag 2022 mehr als doppelt so hoch wie 2018 und viermal so hoch wie 2015. Zugleich wuchs auch noch der Durchschnittswert der abgesetzten Elektro-Räder. Der ZIV gibt dafür quer durch alle Absatzkanäle den Wert von 2800 Euro an. Der sei auch beeinflusst von steigenden Absatzzahlen teurer Lastenräder, der allein für sich gegenüber 2021 um 27 Prozent auf fast 213.000 wuchs. Der durchschnittliche Verkaufspreis normaler Räder lag nach Angaben des ZIV bei 500 Euro. Der Verkaufswert aller Fahrräder in Deutschland lag daher 2022 bei 7,36 Milliarden Euro, 12 Prozent mehr als 2021, und zweieinhalb Mal so hoch wie noch 2018.

Von den verkauften Fahrrädern ist allerdings der weitaus größte Teil importiert. Die Importquote liegt bei 96 Prozent. Die Einfuhren wuchsen 2022 um 7 Prozent auf 4,43 Millionen Fahrräder. Der Verband beeilt sich aber mit der Anmerkung, dass deutsche Hersteller Fabriken in anderen Ländern der EU betreiben. Von den normalen Fahrrädern kamen 44 Prozent der Einfuhren aus der EU, 52 Prozent aus Asien, mit Kambodscha (22 Prozent) und Bangladesh (12 Prozent) als größten Lieferanten.

Von den E-Bikes kamen dagegen 69 Prozent aus der EU, vor allem aus Bulgarien (18 Prozent). Parallel zu den Einfuhren exportieren deutsche Hersteller aber auch hochwertige Fahrräder. 2022 waren das 970.000 Fahrräder und 580.000 E-Bikes. Subventionen für Räder wünscht sich ZIV-Geschäftsführer Burkhard Stork nicht. Lieber wäre ihm ein günstigerer Mehrwertsteuersatz wegen der Umweltfreundlichkeit der Räder.