Piero della Francesca: Piero della Francesca – der Meister der Stille

Florian Illies und Giovanni di Lorenzo sprechen in „Augen zu“ über die großen Künstlerinnen und Künstler der Geschichte.

Kaum ein Maler der italienischen Frührenaissance schlägt uns bis heute so in den Bann wie Piero della Francesca (1412/20–1492). Seine Werke stehen im Mittelpunkt der neuesten Folge von Augen zu, dem Kunstpodcast von ZEIT und ZEIT ONLINE. Lange Zeit stand Piero im Schatten von Künstlern wie Botticelli, die den Betrachter sinnlicher verführen – aber inzwischen ist es gerade das Schweigen der Figuren auf seinen Bildern, ihre undurchschaubaren Beziehungen untereinander, die grelle Farbigkeit, die seine Ausnahmestellung nachdrücklich unter Beweis stellen. Er war ein echtes Universalgenie im Umkreis der italienischen Humanisten, philosophisch und theologisch hochgebildet und Autor mehrerer mathematischer Traktate. All dies ist in seine Darstellungen meist biblischer Themen eingeflossen – doch seine Darstellung der schwangeren Maria oder des auferstandenen Christus verblüffen in ihrer Unmittelbarkeit bis heute auch all jene, die weder in diesen theoretischen Debatten zu Hause sind noch im christlichen Glauben verankert wie die Betrachter in den Kirchen zu Entstehungszeit der Bilder.

Viele von ihnen sind noch heute an ihren ursprünglichen Orten in der Toskana und in Umbrien zu sehen – und Florian Illies und Giovanni di Lorenzo empfehlen allen Zuhörerinnen und Zuhörern deshalb auch eine Reise nach Arezzo, nach Rimini, nach Monterchi und in seine Heimatstadt Sansepolcro, um Piero della Francesca am besten kennenzulernen. Denn dann kann man sehen, dass es die Landschaften seiner Heimat sind, die Pinien, die geschwungenen Wege, die hohen blauen Himmel, die er in den Hintergründen seiner Fresken und Gemälde verewigt hat. 

Außerdem erzählt Giovanni di Lorenzo in dieser Folge davon, wie er, der in Rimini aufgewachsen ist, nicht nur von früher Kindheit an mit dem Werk Pieros bekannt gemacht wurde – sondern dass es auch später sehr enge biografische Bezüge zu seiner Kunst bei ihm gab, als er filmische „Briefe aus Italien“ schrieb.

Piero della Francescas Ausnahmestellung wird auch durch eine seltene Tatsache unterstrichen: Anders als die großen Maler der Renaissance wie Raphael, Michelangelo oder Botticelli, die alle in den großen Kunstzentren ihrer Zeit lebten, also in Florenz oder Rom, zog es ihn immer nur kurzzeitig für Aufträge dorthin – anschließend lud er seine kreativen Batterien immer wieder in seiner winzigen Heimatstadt Sansepolcro auf. Doch so existenziell für ihn der Rückzug in die Provinz gewesen ist – seine Kunst ist das Gegenteil von Provinzialität. Ja, er reicherte sie mit so vielen Bedeutungsebenen an, dass die Kunsthistoriker bis heute Dutzende und aberdutzende Erklärungsmöglichkeiten anbieten, wie seine Bilder, die mafiöse Geißelung Christi etwa, zu verstehen sind. Man könne sich aber, darüber berichten Florian Illies und Giovanni di Lorenzo anschaulich, auch einfach nur ergreifen lassen davon: Beide waren Anfang der Neunzigerjahre noch in jener winzigen Kapelle in Monterchi, wo man stundenlang allein mit Pieros wundersamer Madonna del Parto sein konnte.

Genau an dem Tag, an dem Piero starb, dem 12. Oktober 1492, natürlich in seinem geliebten Sansepolcro, betrat übrigens sein Landsmann Kolumbus das erste Mal Amerika – so endete eine große Kulturepoche und es begann gleichzeitig eine neue.

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