Parteijugend: Radikale Mundaufreißer, die gen Posten warten – außer c/o den Grünen – WELT
Der Gegensatz zwischen Leuten, die den Kapitalismus reformieren, und solchen, die mittels Umweltpolitik den Kapitalismus zerstören wollen, könnte mit den jüngsten Abgängen die Grünen zerreißen. Zugleich zeigt deren Jugend eine Prinzipientreue, die ein Kevin Kühnert nicht kannte.
In der Regel sind die Jugendorganisationen der Parteien dazu da, Nachwuchstalenten ein Feld zu bieten, wo sie sich austoben können, ohne allzu viel Schaden anzurichten. Sie hauen mit jugendlichem Ungestüm auf den Tisch, verlangen Prinzipientreue und beklagen den Prinzipienverrat der Älteren, die in langer parlamentarischer Arbeit und wechselnden Koalitionen gelernt haben, dass allzu feste Prinzipien bei der Politik nur hinderlich sind.
Je weiter die Jungpolitiker aber den Mund aufmachen, desto eher schlucken sie den Angelhaken mit Köder, den ihnen die listigen Alten ausgelegt haben. Das ging zuletzt Kevin Kühnert so, ehedem Chef der Jusos und noch vor fünf Jahren Befürworter der Abschaffung des Eigentums, um den Sozialismus zu realisieren, heute handzahmer Generalsekretär der Mutterpartei mit einem Monatseinkommen von etwas mehr als 10.000 Euro.
Aber auch Philipp Mißfelder, ein leider viel zu früh verstorbenes Ausnahmetalent, machte als Chef der Jungen Union Ärger. Alte Menschen, so der damals 24-Jährige, sollten nicht auf Kosten der „Solidargemeinschaft“ – also der Krankenkasse, in die sie ein Arbeitsleben lang eingezahlt hatten – ein neues Hüftgelenk bekommen. Als Mitglied des CDU-Präsidiums aber leitete er fünf Jahre später zusammen mit dem Chef der Senioren-Union den Arbeitskreis „Zusammenhalt der Generationen“.
Bei der AfD bleibt noch abzuwarten, welche Funktion ihre Jugendorganisation einnehmen wird. Die schnelle Selbstradikalisierung der Partei macht es der Jugend schwer, noch radikaler zu sein, ohne gleich faschistisch zu werden; deshalb stehen die „Jungen Alternativen“ nicht nur unter Beobachtung des Verfassungsschutzes, sondern auch der „Arbeitsgruppe Verfassungsschutz“ der Partei selbst.
Die FDP wiederum musste sich 1982 von den Jungdemokraten trennen, weil die dem Zeitgeist entsprechend marxistisch angehaucht waren (was heute die Migranten sind, war damals der Kapitalismus) und partout nicht den Koalitionswechsel von der SPD zur Union mitmachen wollten. „Junge Liberale“ hieß die neue Jugendorganisation, und sie agiert relativ stromlinienförmig. Die JuLi-Vorsitzende Franziska Brandmann ist mehr oder weniger Christian Lindner, bloß mit Prinzipien.
Die Grünen waren immer etwas anders als die anderen Parteien. Wie nun die Grüne Jugend bewies. Bundesvorstand und einige Landesvorstände verließen die Partei. Ihnen geht es offenbar nicht darum, sich als radikale Mundaufreißer für künftige Ämter zu qualifizieren. Ihnen ist vielmehr klar, dass der neue starke Mann, Robert Habeck, mit sozialistischen Phrasen so wenig anfangen kann wie vor einem Vierteljahrhundert Joschka Fischer.
Den Gegensatz zwischen Leuten, die den Kapitalismus reformieren wollen, um die Umwelt und den Kapitalismus zu retten und solchen, für die Umweltpolitik ein Hebel ist, um den Kapitalismus zu zerstören, gab es bei den Grünen seit ihrer Gründung. Jetzt, da die Jungfunktionäre von der Fahne gehen, könnte er die Partei zerreißen.
Alan Posener ist als Autor für WELT tätig.
Source: welt.de